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Popkultur

Zeitsprung: Wie der 20.4. zum Symboltag für das Kiffen wurde.

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Foto: Matthew Brodeur on Unsplash

><noscript><img decoding=Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.4.

von Christof Leim

Eigentlich geht es bei „420“, „4/20“ oder „Fourtwenty“ nicht um ein Datum, sondern um eine Uhrzeit: Um 20 Minuten nach vier nämlich trafen sich Anfang der Siebziger an einer kalifornischen High School immer ein paar Kumpels, um sich nach Abschluss der täglichen Fron mit besonders würzigen Zigaretten zu entspannen und auf „Safaris“ zu gehen…

Fünf Dekaden später gilt „420“ als der inoffizielle Code für alle Kiffer weltweit (und -innen natürlich). Mit der US-amerikanischen Datumsschreibweise, also Monat vorne, wird daraus 4/20, also der 20. April. Und schon gibt es einen Quasifeiertag für alle Gras-Genießerinnen und Cannabis-Con­nais­seure. Dass das wiederum in der Rockmusik Rauchzeichen hinterlässt, sollte niemanden überraschen.

Nachmittagsentspannung

Ein Blick zurück: Selbst im Kalifornien der wilden Siebziger ist das böse „Haschgift“ bei den Autoritäten verpönt. Man kann nicht einfach in der Schule herumposaunen, dass man nach der letzten Doppelstunde Mathe und langweiligem Nachmittagssport ein paar Joints durchziehen will. Also erfinden fünf Kumpels an der High School von San Rafael eine Chiffre für die wichtige Information, sich um 16:20 Uhr an der Statue des Chemikers Louis Pasteur einfinden zu wollen (die gibt’s heute noch). Ihr Code lautet „420 Louie“, doch das ist irgendwie zu lang. Insbesondere nach Doppelstunde Mathe und langweiligem Nachmittagssport. Und, zack, wird daraus einfach „420“ oder „four-twenty“. Die Namen der rauchfreundlichen Herren: Steve Capper, Dave Reddix, Jeffrey Noel, Larry Schwartz und Mark Gravich. Sie nennen sich die „Waldos“, weil meistens an einer Mauer lehnen (und „Mauer“ auf englisch „wall“ heißt).

Irgendwann fällt dem qualmenden Quintett, und hier wird es abgedreht, eine „Schatzkarte“ in die Hände, auf der eine geheime Pot-Plantage eingezeichnet ist, und zwar in einer ländlichen Gegend in der Nähe, die Point Reyes Peninsula heißt. Dorthin machen sich die Waldos regelmäßig auf den Weg, um den „grünen Schatz“ zu finden, selbstredend gut vorbereitet. Vierzwanzig ist ja schon durch. Natürlich finden sie nichts und verirren sich regelmäßig, womöglich sind sie ja, sagen wir, etwas unkonzentriert. Sie nennen diese Ausflüge „Safaris“ und haben eine Menge harmlosen Spaß dabei.

Grateful Dead rauchen mit

Wie das Time Magazine berichtet, arbeitet Reddix irgendwann als Roadie für den Grateful-Dead-Bassisten Phil Lesh, und damit kommt „420“ in der Rockmusik an. Dass „The Dead“ in ihrer Karriere sämtlichen Rauschmitteln nicht abgeneigt sind, dürfen wir als bekannt voraussetzen. Der nette kleine Code fürs Kiffen macht so die Runde über die High School hinaus und überdauert die Jahre, bis bei einem Grateful-Dead-Konzert am 28. Dezember 1990 ein Flyer in die richtigen Hände fällt. Das Papier lädt ein, am 20. April um 16:20 Uhr einen anzuzünden und erzählt (inkorrekt) über die Entstehung des Ausdrucks „420“. Das findet Steve Bloom höchst interessant, denn er arbeitet als News-Redakteur bei High Times, einem Fachblatt für Hanfkultur. Er bringt einen Artikel – und hört fünf Jahre nichts weiter. „420“ qualmt fürderhin in der Welt herum als eine amüsante kleine Anekdote und hilfreiche Kurzform.

Dann melde sich aber die echten „Waldos“ bei Bloom, um die wahre Historie von „420“ zu erklären. So erscheint ein weiterer Artikel in der High Times (nachzulesen hier), um die Sache richtigzustellen. Die „Waldos“ können sogar Beweise vorlegen, dass sie schon Anfang der Siebziger untereinander von „420“ gesprochen haben, wenn sie „kiffen“ meinten. Diese Beweise liegen, kein Witz, in einem Banktresor, Fotos davon finden sich auf der offiziellen Website der Waldos, nämlich hier. Damit ist der wahre Ursprung geklärt, da brennt nichts mehr an.

Unterhaltsame Mythen

Weil der Code aber schon Dekaden durch die Welt geisterte, haben sich eine Menge Mythen über seine Entstehung angesammelt. So behaupten arithmetisch interessierte THC-Fans, dass alles schon 1966 mit Bob Dylan und seinem Song Rainy Day Women #12 And 35 losging, weil 12 mal 35 natürlich, ba-da-bing!, 420 ergibt. Dass der Meister im Chorus „Everybody must get stoned“ näselt, bestätigt das natürlich. Aber die Geschichte stimmt nicht. Der Boston-Song Smokin’ hat zwar eine Länge von 4:20 Min, aber auch nichts mit unserem Kiff-Code zu tun. Dass man „unter dem Einfluss“ manchmal Daten durcheinander bringt, lässt sich verzeihen, ändert aber nichts daran, dass Bob Marley in Wirklichkeit weder an einem 20. April geboren wurde noch gestorben ist, wie manchmal aus verrauchten Diskussionsrunden zu vernehmen ist. Andere behaupten, „420“ sei ein US-Polizeicode für Cannabis-Genuss (stimmt nicht), die Anzahl der Chemikalien im „Stoff“ sei 420 (stimmt auch nicht), oder der 20. April sei der ideale Zeitpunkt für die Aussaat (stimmt ebensowenig).

Natürlich finden sich in der Popkultur unzählige Referenzen: Angeblich stehen alle Uhren in Pulp Fiction und Lost In Translation auf 4:20 Uhr, die Anzeigetafel im Sportstadion in Fast Times at Ridgemont High zeigt 42-0. Es gibt sogar eine Episode von Family Guy namens „420“. Selbstredend veröffentlichen Snoop Dogg und Willie Nelson den Song Roll Me Up And Smoke Me When I Die punktgenau am 20. April 2012. Aufgenommen haben die beiden Kiffer die Nummer übrigens in, natürlich, Amsterdam.

Zeitsprung: Am 3.10.1978 treten Aerosmith für wegen Kiffens verhaftete Fans ein.

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