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Popkultur

25 Jahre „Homogenic“ von Björk: Trip-Hop-Rhapsodie für Island

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Björk
Foto: Mick Hutson/Getty Images

Mit ihrem dritten Album Homogenic schält sich Björk endgültig aus ihrem Kokon. Die Metamorphose ist vollkommen, das Album ein fesselnder Tanz zwischen Islands Vulkanen und Gletschern, zwischen Trip-Hop, Elektro und Klassik.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Homogenic von Björk anhören:

Um ein Haar wäre es nie zur Veröffentlichung von Björks drittem Album Homogenic gekommen. Im September 1996 entgeht sie nur knapp der Briefbombe eines Stalkers. Sie überlebt, zieht sich nach Spanien zurück – und liefert ein Jahr später mit Homogenic Katharsis und musikalische Zukunftsvision in einem ab.

Der Reihe nach: Mit ihrem zweiten Album Post macht sich Björk im Sommer 1995 unsterblich. Sie liefert eins der wichtigsten Alben des Jahrzehnts, setzt Island endgültig auf die Landkarte der internationalen Popkultur und räumt früh mit dem Klischee der naturverbundenen, hinterwäldlerischen Inselnation auf. Beeinflusst von der radikalen Natur ist natürlich auch Björk, das magische Land steckt ihr wie allen anderen Künstler*innen in den Knochen; sie drückt es nur anders aus. Experimenteller. Avantgardistischer.

Tod eines Stalkers

Seit einigen Jahren lebt sie in London. Dort kommt sie am 12. September 1996 fast ums Leben. Der  Stalker Ricardo López, seit 1993 besessen von Björk, schickt ihr eine Briefbombe voller Schwefelsäure, filmt danach seinen Suizid. Die Polizei kann rechtzeitig eingreifen und das Päckchen aufhalten, Björk kommt mit dem Schrecken davon, ist aber sichtlich mitgenommen. Die Arbeiten am Post-Nachfolger waren damals schon längst im Gange, doch die Mediengeilheit und die Belagerung durch Paparazzi macht es ihr unmöglich, im Londoner Stadtteil Maida Vale zu bleiben.

Auf Einladung ihres Live-Schlagzeugers Trevor Morais flüchtet sie in dessen Studio nach Spanien. In Málaga trifft sie sich mit dem Flamenco-Gitarristen Raimundo Amador, will eigentlich nur einige wenige Tage bleiben. Wenig später entscheidet sie: Sie wird Homogenic komplett in Spanien aufnehmen. An Weihnachten kehrt sie wie immer nach Island zurück, schreibt auch dort. Unter dem Polarlicht entsteht die orchestrale Preziose Jóga, bald darauf ist sie zurück in Spanien, um das Album zu vollenden. Aber eben Björk-Style: Sehr weit im Prozess entscheidet sie, ihren Produzenten Nellee Hooper an die Luft zu setzen. Ihre Begründung: Nachdem er sowohl Debut als auch Post produziert hatte, „haben wir aufgehört, uns zu überraschen.“

Björk und der Wu-Tang Clan

Das zeigt schon sehr gut, worum es Björk in ihrer Musik geht. Routine ist Gift, Vorhersehbarkeit der Todesstoß, Evolution oberste Direktive. Also schart sie gleich eine ganze Bande talentierter Menschen um sich – inklusive Wu-Tang Clan, die aber in letzter Minute einen Rückzieher machen müssen. Der Grund: Die Arbeiten an Wu-Tang Forever dauern länger als geplant. Homogenic ist so oder so über jeden Zweifel erhaben; es wäre dennoch spannend gewesen, den Touch dieser legendären Gang in den Songs zu spüren.

Homogenic soll das Album werden, auf dem Björk ihre Liebe zu Karlheinz Stockhausen, Kraftwerk, Brian Eno und Mark Bell zum Ausdruck bringt. Gemeinsam mit dem Icelandic String Octet entsteht ein kühles, glitzerndes, progressives Art-Pop-Wunderwerk, das dem Trip-Hop neue Horizonte erweitert und Electronica, Glitch und fast schön spröde Melodien im Herzen trägt. Cinematisch, narrativ, spröde, herrlich anti-kommerziell: Björk erfindet sich neu. Mal wieder.

Liebeslied an Islands Gegensätze

Es ist eben doch ein isländisches Album, geprägt von der kargen Natur, den Gegensätzen zwischen Eis und Feuer, dem geheimnisvollen Flackern des Nordlichts. Sie wollte ein Album, das so klingt wie „ein steiniger Vulkan, auf dem überall sanftes Moos wächst.“ In einem Interview erklärte sie mal: „In Island ordnet sich alles der Natur unter. 24 Stunden am Tag. Erdbeben, Schneestürme, Regen, Eis, Vulkanausbrüche, Geysire… alles sehr elementar und unzähmbar. Andererseits ist Island extrem modern. Alles ist Hi-Tech, die Anzahl der Menschen mit Computer ist so hoch wie nirgendwo sonst. Diesen Gegensatz gibt es auch auf Homogenic. Die elektronischen Beats sind der Rhythmus, der Herzschlag. Die Violinen sorgen für die naturnahe Atmosphäre.“

Auf den größten Schrecken ihrer Karriere folgt ihr beeindruckendes Freischwimmen. Nicht alle können sich bei Veröffentlichung mit Homogenic anfreunden. Die Hits fehlen, die Aura der Songs ist nicht gerade einladend. Das ist das unwirtliche Island auch nicht. Beides muss man sich erarbeiten. Und beides belohnt reichlich.

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