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Popkultur

Ein Meilenstein des Hip-Hop: „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ von Public Enemy

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Foto:Raymond Boyd/Getty Images

Mit ihrem zweiten Album It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back legten Public Enemy Ende der Achtziger viele wichtige Grundsteine für die weitere Entwicklung des Hip-Hop. Noch heute gilt die Platte als Meilenstein. Die Inspiration dafür lieferte niemand geringeres als Soul-Legende Marvin Gaye.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back von Public Enemy anhören:

Noch schneller, noch bissiger, noch kreativer: So oder so ähnlich könnte man die Entwicklung von Public Enemy zwischen ihrer ersten und ihrer zweiten Veröffentlichung beschreiben. Einen vollen Erfolg landeten die Hip-Hopper schon mit ihrem Debütalbum Yo! Bum Rush The Show (1987). Doch der große Durchbruch sollte Public Enemy erst mit ihrer zweiten Platte It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back (1988) gelingen. Als Vorbild nahmen sich die beiden Rapper Chuck D und Flavor Flav sowie Turntable-Titan Terminator X damals ausgerechnet Sänger Marvin Gaye. Doch was genau hat die Soul-Legende mit dem zweiten Album des Hip-Hop-Trios zu tun?

It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back: Public Enemy lassen sich von Marvin Gaye inspirieren

Was sich Public Enemy bei Marvin Gaye abschauen, ist weniger dessen musikalische Herangehensweise, sondern vor allem die Attitüde des Soul-Großmeisters. So gilt Gayes Album What’s Going On (1971) als schonungslose Sozialkritik, erzählt aus der Perspektive eines US-amerikanischen Soldaten, der aus dem Vietnamkrieg zurückkehrt und sein Heimatland gespalten vorfindet. Für viele Veteranen war dieses Szenario zu Beginn der Siebziger bittere Realität, denn während in Vietnam der Krieg tobte, kam in den Staaten die Bürgerrechtsbewegung ins Rollen. Deren Themen, wie die Gleichberechtigung von Schwarzen in den USA, sind Ende der Achtziger leider noch lange nicht abgeschlossen – genau da setzen Public Enemy an.

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Ob die Selbstermächtigung von Afroamerikaner*innen, Kritik an der weißen Vorherrschaft oder Kommentare zur Ausbeutungspolitik der Musikindustrie: Public Enemy gehen auf ihrer zweiten Platte dahin, wo es wehtut. So heißt es im Text der ersten Single Rebel Without A Pause: „The only part your body should be partyin’ to / Panther power on the hour from the rebel to you“. Gemeint ist die Black Panther Party, deren Mitglieder sich von 1966 bis 1982 zu Tausenden für die Rechte von Schwarzen einsetzen — mit fast allen Mitteln. Auch die Beastie-Boys-Referenz Party For Your Right To Fight widmen Public Enemy ausdrücklich der politischen Gruppierung.

„Wall Of Noise“ statt „Wall Of Sound“

Was die Raps betrifft, übernimmt Flavor Flav die Rolle des sogenannten „Hype Man“, der den MC und das Publikum anfeuert, und die ernsten, sozialkritischen Texte um surreale Inhalte erweitert. Die Hauptrolle spielen demnach die lyrischen Darbietungen von Chuck D. Das nimmt auch Einfluss auf die Musik. „Chuck ist ein kraftvoller Rapper“, erklärt Produzent Hank Shocklee (Mitglied der „Bomb Squad“) in einem Interview. „Wir wollten etwas erschaffen, das akustisch mit ihm mithalten kann.“ Das Ergebnis dieser Herangehensweise ist das, was man bei Rock-Produzent Phil Spector als „Wall Of Sound“ bezeichnen würde; nur dass im Hip-Hop eher „Wall Of Noise“ treffend klingt.

Ob Samples, Rückkopplungen, Geräuscheffekte oder Rockgitarren: Auf It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back benutzen Public Enemy quasi alles, was sie in die Finger bekommen. „Wir haben alles genommen, was nervt, und haben es in einen großen Topf geworfen“, erzählt Shocklee 1990. „So kam diese Gruppe raus. Wir glaubten, dass Musik nichts anderes ist als organisierter Lärm. Man kann alles nehmen — Straßengeräusch, unser Gerede, was immer man will — und daraus Musik machen, indem man es organisiert. Das ist auch heute noch unsere Philosophie, um den Leuten zu zeigen, dass Musik viel breiter aufgestellt ist, als man denkt.“

Als It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back am 28. Juli 1988 erscheint, gehen schon innerhalb des ersten Monats mehr als 500.000 LPs über die Ladentheke, obwohl die Plattenfirma damals nicht viel Aufwand in die Promotion steckt. In den US-Albumcharts reicht es zu Platz 42; in den R&B-Charts erklimmt das zweite Werk von Public Enemy sogar die Pole Position. Noch heute taucht die Platte regelmäßig in Auflistungen der „wichtigsten Alben aller Zeiten“ auf. Einen ähnlichen Erfolg landen Public Enemy zwei Jahre später mit Fear Of A Black Planet — doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.

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