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Popkultur

50 Jahre „Wild Life“: Paul McCartneys holpriger Neustart mit Wings

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Foto: Getty Images

Auch einem Paul McCartney fällt nicht alles in den Schoß. Vor 50 Jahren versucht er es mal wieder mit einer Band. Und muss für das Wings-Debüt Wild Life ordentlich Kritik und Häme einstecken. Verdient?

von Björn Springorum

Es gibt die, die sagen, dass die Beatles nur in der Viererkonstellation wirklich genial waren. Dass allen Solobemühungen stets der gewisse Beatles-Faktor fehlte, die besondere Magie, die eben nur dann entstand, wenn Lennon, McCartney, Harrison und Starr zusammen in einem Raum Musik machten. Beweise dafür gibt es viele, nicht zuletzt auch in Peter Jacksons neuer Doku Get Back.

Der Beatles-Killer

Dennoch hinkt diese These. Selbst wenn die einzelnen Beatles als Solitäre vielleicht etwas von dem vermissen lassen, was die Liverpooler zur besten Band der Welt machte, sind sie immer noch talentiertere Künstler als die meisten anderen da draußen. Das Problem ist eben nur: Insbesondere kurz nach der Trennung der Beatles will das jeder beweisen. Sich selbst, den anderen dreien, dem Rest der Welt. Und Paul McCartney, das muss man bei aller Sympathie sagen, tut sich in den ersten Jahren nach der durchaus traumatischen Auflösung der größten Band der Welt durchaus schwer.

Sein Solodebüt McCartney, heimlich aufgenommen und geprägt von John Lennons Ausstieg bei den Beatles, bringt 1970 nach Ansicht vieler das Ende der Beatles herbei und wird zerrissen, auch der Nachfolger Ram wird im Mai 1971 wenig herzlich empfangen. Zu Unrecht, wie wir heute wissen, aber damals fiel McCartney eben in Ungnade. Wie schwer das für einen wie ihn sein muss, der jahrelang der strahlende Posterboy einer ganzen Generation war, kann man nur erahnen.

Aufgenommen in nur einer Woche

Unbeirrt von den negativen Reaktionen auf seine ersten beiden Soloalben macht McCartney im Sommer 1971 einfach weiter. Und gründet diesmal sogar seine private Beatles-Nachfolgeband mit seiner Frau Linda, Schlagzeuger Denny Seiwell und Gitarrist Denny Laine, der zuvor bei The Moody Blues gespielt hat. Niemand weiß, gegen welche Uhr der geschasste Beatles-Killer damals glaubt anspielen zu müssen, doch er gönnt sich gerade mal eine gute Hochsommerwoche in den Abbey Road Studios, um das aufzunehmen, was am 7. Dezember 1971 als Wings-Debüt Wild Life erscheint.

Das soll für einen spontanen, intuitiven Charakter sorgen, den sich McCartney nach eigenen Aussagen bei Bob Dylan abgeschaut hat. Ein wenig mehr Zeit hätte den Stücken auf Wild Life dann aber doch gut getan. Im Studio, vor allem aber in der Songwriting-Phase. Es ist aus heutiger Sicht schwer verständlich, wieso sich einer wie McCartney  offensichtlich so wenig Mühe beim Komponieren gibt, wenn er der Welt doch eigentlich zeigen will, dass er es immer noch drauf hat. Viele Arrangements wirken beliebig, fast schon nachlässig, die Harmonien sind nichtssagend, bisweilen sogar anstrengend, viel wird nicht zu Ende gedacht.

Das merkwürdig unfertige Gefühl mag damit zusammen hängen, dass laut Schlagzeuger Denny Seiwell gleich fünf der acht Songs in einem Take aufgenommen wurden. Ein Fragezeichen hinterlässt das Reggae-Cover von Love Is Strange, wohingegen die Piano-Ballade Dear Friend als emotionaler Höhepunkt gelten darf: Geschrieben während der Ram-Sessions und gedacht als Friedensangebot an John Lennon.

Befreiungsschlag

Unterm Strich reicht das nicht, um 1971 vom Fleck zu kommen. Das Album bleibt weit hinter den kommerziellen Erwartungen zurück, für McCartney ist es der dritte Flop in Folge. Dennoch macht er einfach weiter – eine Dickköpfigkeit, die sich dann langsam auszahlt: Auf dem zweiten Wings-Album Red Rose Speedway (sicherheitshalber veröffentlicht als Paul McCartney and Wings) hat er mit My Love einen ersten Nummer-eins-Hit in den USA. Und nach dem Bond-Song Live And Let Die erfolgt mit Band On The Run (1973) dann endlich der künstlerische und kommerzielle Befreiungsschlag . Es muss vielleicht also doch eine post-traumatische Schaffenskrise gewesen sein, die McCartneys gute Ideen nach dem Ende der Beatles effektiv auf Eis legt. Oder ein wirklich seltsamer Egotrip.

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Zeitsprung: Am 9.9.1975 gehen Paul McCartney & Wings auf ihre erste Welttournee.

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