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Popkultur

Alice Cooper – Von Horror, Golf und Abstinenz

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Ein pelziger Zyklop zwischen Zwangsjacken, Schwertduellen und Schlangengruben: Alice Cooper hat dem Wahnsinn in seinem Hirn Auslauf gewährt und ihn auf die Bühne gehievt. In den 60ern hat dieses völlig verdrehte Wesen Schock-Rock erfunden und den Grundstein für die ganz großen Shows harter Musik gelegt. Als die 68er-Generation gerade Love, Peace & Bewusstseinserweiterung verfiel, spielte Vincent Damon Furnier aka Alice Cooper mit von Äxten zerstückelten Babypuppen, tödlichen Königsboas und Hinrichtungen durch Hängen – und das alles live, zu einem scharfen Kampf aus Hard Rock und Heavy Metal. Seine Auftritte rammten einen Pfahl in das Herz der Hippie Generation – und er lachte.


Hört hier in die größten Hits von Alice Cooper rein:

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Der allgegenwärtigen Liebe hat Cooper die Todesstrafe entgegengesetzt. Ob der Galgen, der ihn selbst mehrmals bei Unfällen fast das Leben gekostet hätte, elektrische Stühle oder die Guillotine – sie wurden zum Markenzeichen einer waschechten Horrorshow. Ob es den Begriff damals überhaupt schon gab? Alice würde diese Frage missbilligen. Und ihm zu widersprechen gleicht quasi einem Hochverrat. Nicht aus Angst, sondern aus Liebe und Leidenschaft. Hinter seinen beängstigenden Henkerskostümen steckt ein fesselnder Geschichtenerzähler. Zwei Seiten einer Medaille: Er vereint die Sympathie des Opas auf dem Ohrensessel mit der grausigen Fratze des Schreckens. Ein polarisierendes Kunstprojekt, bei dem man sich fragen muss: Ästhetik oder Wahnsinn? Beides fasziniert auf seine Art. Metaphorisch gesehen verkörpert Alice Cooper damit nicht nur eine Hommage aufs Leben. Er trifft auch den Nerv der Teenage Angst, nur in pfiffiger Peter-Pan-Attitüde: Raus aus all dem Wust moderner Verwirrungen, ab in die Fantasiewelt.



Unter dem Schutz eines Predigers ist Vincent Furnier in der Autostadt Detroit aufgewachsen, unter ärmlichen Verhältnissen erlebte er seine Teenager-Jahre im Trailer Park. Aus dem Zwangskorsett der Festlegung zu einer Religion ist er mit Rockmusik geflohen. Dafür hat er College-Zusagen liegen lassen, fuhr los ins ungewisse Los Angeles und machte im Frauenfummel Tumult. Ja, all sein späterer Horror war nichts gegen dieses moralische Zerwürfnis, zumindest für die damalige Zeit. Gesellschaften und ihre Wertvorstellungen, damals durfte nicht an Geschlechterrollen gerüttelt werden. Und sie hetzten über ihn, während Cooper sich ins Fäustchen lachte. Sein Promo-Gag ist geglückt.


Alice-Cooper (2)


Frank Zappa war es, der Alice Cooper Ende der 60er gleich für drei Alben unter seine Fittiche nahm. Weil die frisch geformte Band das Vorspielen um 7 Uhr nicht am Abend verstand, sondern wirklich früh morgens bei ihm auf der Matte stand. Das beeindruckte den legendären Komponisten, genauso wie ihr fragwürdiges Erscheinungsbild. Zappa war es auch, der schon früh gezielte Provokation als Marketing-Tool verstand. Als ein lebendes Huhn bei Alice Cooper auf der Bühne landete, warf er es in die ersten Reihen, die es angeblich in Stücke rissen. Bis heute ist ungeklärt, ob das Huhn von einem Fan in die Konzerthalle geschmuggelt wurde – oder Cooper selbst dafür verantwortlich war. Zu einer Zeit, als Kameras noch nicht in jeder Hosentasche steckten und Handys die Welt vernetzten, konnte Cooper die Macht von Gerüchten nutzen. Er biss dem Huhn den Kopf ab und trank sein Blut – so zumindest die Geschichte auf den Titelseiten. Alice war davon selbst überrascht, aber Zappa riet ihm, bloß nicht zu widersprechen. Easy Action, so der höhnische Titel des zweiten Albums der Band.


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Alice ließ die Musikindustrie wie paralysiert zurück. Um seine Show rankte sich eine Zeit lang alle Aufmerksamkeit. Als er sich 1975 von seiner Band abspaltete und sich dem Alleingang stellte, ließ er sich auch im realen Leben in Alice Cooper umbenennen – die Metamorphose war perfekt. Daher war es nur logisch, dass die Ansage Welcome To My Nightmare sein erstes Soloalbum schmücken sollte. Im Hard Rock ist die Platte bis heute ein Monument, ging in den USA prompt auf Platz fünf der Charts.  Nur warf sein enormer Erfolg einen umso weiteren Schatten: Mit zwei Kästen Budweiser und einer Flasche Whiskey am Tag versuchte er dem Irrsinn und Druck standzuhalten – Anfang der 80er verliert sich seine Erinnerung, als “blackout albums” bezeichnet er heute Flush The Fashion und Special Forces. 2015 erinnert er sich mit seinen Busenfreunden Johnny Depp und Aerosmiths Joe Perry unter dem Banner The Hollywood Vampires lebhaft an die wilden Zeiten von früher. Mit Songs wie My Dead Drunk Friends erweisen die drei begnadeten Musiker alten Freunden wie Harry Nilsson, Keith Moon und John Lennon alle Ehre.


Schaut euch hier ein Live-Video von My Dead Drunk Friends an:


 

Dass Alice Cooper es nämlich geschafft hat, seit Mitte der 80er trocken zu sein, verdankt er den tragischen Figuren der Musikwelt. Die Klub 27-Legenden Jim Morrison, Jimi Hendrix und Janis Joplin hält Alice als große Brüder und Schwester in Erinnerung. Als Antihelden. Durch ihr exzessives Verglühen wurde er gewiss: es braucht einen legendären Charakter im Musikgeschäft, aber der soll nur auf der Bühne entflammen. Also bleibt Alice Cooper – wie sein lieblich klingender Name – auch in seinem ganzen Leben Antagonist seiner Selbst. Im realen Leben Philanthrop und Bibellehrer in seiner lokalen Sonntagsschule, auf der Bühne ein Monster. Das Schreckgespenst Alkohol längst eingesperrt, so verschwimmen die beiden Welten nicht mehr.

Sein Horror ist Humor, wenn er mit diesen multiplen Persönlichkeiten spielt. Und auch Systemkritik. Moralisch eben, darum tanzt da keiner nackt und wird das Spiel mit dem Satanismus bewusst ausgelassen. Anständiger Horror, dramatisch vorgetragen. So geht er in Hey Stoopid! offen mit Selbstmorden von Teenagern um, in seiner liebenswert direkten Art: Hey Dummerchen, was denkst du dir nur dabei? Du hast dein Leben doch noch vor dir. So wie er es erkannte, als er eine – wie ihm scheint – göttliche Eingebung hatte. Fortan ersetzt das Golfspiel für Alice Cooper den Alkohol.


Alice-Cooper (1)


Heute schockt er weniger, sondern unterhält mit seinem bizarren Burlesque-Zirkus-Rock ‘n’ Roll und Fortsetzungen wie Welcome To My Nightmare 2. Alice Cooper hat der Rockmusik einen Look gegeben, allein dem Glam Metal der 80er und dem Schock-Rock der 90er. Wo wären Rob Zombie und Marilyn Manson heute, wenn Mr. Cooper ihnen nicht ihr Make-up verpasst hätte? Bei KISS stimmt das sogar wortwörtlich, ihnen half er bei der Kostümwahl und Schminke. An einen Rücktritt der Rocklegende ist nicht zu denken: Solange Mick Jagger noch auf Tour ist, wird auch die wilde Mähne von Alice unterwegs sein. Sogar sechs Jahre länger, weil die Rolling Stones-Furie eben so viel älter ist und Mr. Cooper sich niemals gegen ihn geschlagen geben würde.


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