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Popkultur

Zeitsprung: Am 30.11.1959 gibt’s den ersten Schrei von Runaways-Röhre Cherie Currie.

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Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.11.1959.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

„Hello daddy, hello mom“: Am 30. November 1959 gibt’s den ersten Schrei der Runaways-Röhre Cherie Currie. Als Fünfzehnjährige betritt sie die Rockbühnen dieser Welt und begibt sich auf einen holprigen Weg, auf dem aber stets die Musik das Ziel bleibt. Schauen wir uns zu ihrem Geburtstag diese teils hellen, teils düsteren Stationen an.

Hört hier in das erste Album The Runaways rein: 

Wer sich Curries Lebenslauf ansieht, den zieht es unweigerlich zu den wilden Zeiten mit den Runaways. 1959 im kalifornischen Encino geboren, zählt die Blondine gerade einmal 15 Jahre, als sie bei Joan Jett und Manager Kim Fowley einschlägt. Die beiden stellen die erste weibliche Rockband zusammen, die die Männer-dominierte Hard-Rock-Welt aufmischen soll. Das Mädchen sehnt sich nach einem Ausweg aus dem in Scheidung lebenden Elternhaus, und da Schwester Marie ablehnt, beruft man eben Cherie zur Leadsängerin.

Cherie Bomb

Einen der bekanntesten Songs der Band, Cherry Bomb, schreiben Jett und Fowley angelehnt an Currie. Von da an geht es in ziemlich rasantem Tempo weiter. Wo andere Teenies mit Algebra und Zwischenmenschlichem hadern, gibt es für Currie, Jett, Lita Ford, Sandy West und Jackie Fox ein straffes Programm mit schlechter Vergütung: „Wir hatten keine Pausen – wenn wir nicht auf Tour waren, standen wir im Studio“, erinnert sich die Sängerin später.

Das unmenschliche Pensum geht einher mit verbalem und sexuellem Missbrauch durch Fowley und die Crew. Die ohnehin labile Currie greift immer häufiger zu Drogen, die das Team ihr bereitwillig anbietet: „Wenn du in den Siebzigern keine Drogen nahmst, stimmte etwas nicht mit dir“, beschreibt sie die Selbstverständlichkeit, mit der sie Schlafmittel und Kokain konsumiert. Der zumindest von den Bandmitgliedern intendierte feministische Subtext der Performances geht in der Öffentlichkeit völlig unter; dass Currie in Reizwäsche über die Bühne stakst, sorgt damals eher für lüsterne oder tadelnde Blicke statt Aufklärung. Fowley schürt zudem Konflikte innerhalb der Gruppe, sodass die zu diesem Zeitpunkt stark abhängige Musikerin 1977 nach zwei Jahren und drei Alben den Dienst quittiert. 

Familientradition Entertainment

Auf die Unterstützung ihrer Mutter Marie Harmon, die mittlerweile neu verheiratet in Indonesien lebt, kann die Aussteigerin nicht gerade zählen. Ganz wie diese versucht sich Currie aber neben weiteren musikalischen Projekten auch an der Schauspielerei: Harmon spielte im Hollywood der Vierziger in Western und Komödien, das Töchterchen ergattert ab 1980 positiv bewertete Rollen in Foxes mit Jodie Foster und im Twilight-Zone-Film Unheimliche Schattenlichter, gastiert außerdem in Serien wie Matlock und Mord ist ihr Hobby. Einen besonderen Karriere-Höhepunkt hätte ihr Auftritt in Spinal Tap dargestellt, doch ihre Szenen landen kurz vor Veröffentlichung auf dem Abstellgleis.

Besagte musikalische Projekte bringen schon davor keinen wilden Erfolg. Auf dem Soloalbum Beauty’s Only Skin Deep von 1978 singt sie erstmals gemeinsam mit der Zwillingsschwester Marie, daraus machen die beiden spontan die exotisch benannte Band Cherie and Marie Currie. Hier entstehen zwei Alben, das Rainbow-Cover Since You Been Gone knackt immerhin die Billboard Top 100. Doch Musik hin und Schauspiel her, ein Faktor bleiben die Drogen. Völlig abgemagert und mit ihrem Dealer zusammenlebend, wird es Mitte der Achtziger knapp: „Ich lag quasi im Sterben. Hab es nicht gemerkt, bis ich plötzlich in den Spiegel sah und mich dieses aschgraue Skelett anblickte.“ 

Runaway wird zu Queen Of Noise

Currie schafft es, einen harten Strich unter die bewusstseinserweiternden Substanzen und zunächst auch unter das Showbiz zu ziehen. Mit kleineren Jobs erarbeitet sie sich ihren Weg zurück in ein normales Leben, nimmt schließlich eine Stelle als Technikerin in einer Klinik an, wo sie auch eine Ausbildung zur Drogenberaterin macht. In der Arbeit mit Teenagern findet sie Heilung, die sie 1989 im Buch Neon Angel festhält. Als Ratgeber gedacht, mutiert der Text zu einer Autobiografie, die man 2010 mit The Runaways verfilmt. 

Mit Schauspieler Robert Hayes bekommt sie in den Neunzigern Sohn Jake, der mittlerweile Gitarre spielt und sie musikalisch begleitet. Immer wieder gibt es auch Musik von ihr und ihrer Schwester, ihren Alltag verbringt die Ikone des Rock’n’Roll seit Anfang der Zweitausender jedoch mit bildender Kunst: Typisch rebellisch formt sie mit einer Kettensäge Holzskulpturen, die sie in einer eigenen Galerie in Kalifornien ausstellt und verkauft. Mit Kollegin Brie Darling veröffentlicht sie ein Album, auf dem es neben eigenem Material Coverversionen von T. Rex, Stevie Wonder und den Kinks gibt; auch mit Slash und Billy Corgan arbeitet sie.

Bei Currie geht also immer noch ziemlich viel. Auf die Frage, ob man ihr früher nicht etwas zu viel auf einmal zumutete, antwortet die Rockröhre: „Schwer zu sagen, wir wurden ja nur in diesen Wirbelsturm geschubst und taten, was man uns sagte.“ Das macht heute sicher niemand mehr. Wir verneigen uns vor so viel Frauenpower und Durchhaltevermögen und wünschen alles Gute zum Geburtstag, Cherie Currie!

Cherie Currie heute – Pic: Jim Steinfeldt/Michael Ochs Archives/Getty Images

Zeitsprung: Am 5.8.1975 werden The Runaways gegründet, die erste große weibliche Rockband.

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