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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.3.1984 läuft der legendäre Musikfilm „This Is Spinal Tap“ an.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.3.1984.

von Timon Menge und Christof Leim

Die Mockumentary (oder auch: Rockumentary) This Is Spinal Tap zählt ohne Weiteres zu den erfolgreichsten und ikonischsten Musikfilmen aller Zeiten. Über 82 Minuten hinweg rechnet der Film mit den Tücken des Musikgeschäfts ab — so authentisch, dass manchmal sogar Verwirrung darüber herrscht, ob es sich tatsächlich um eine Parodie handelt. Am 2. März 1984 flimmert der Streifen zum ersten Mal über die Leinwand.


Hört hier in den Soundtrack von This Is Spinal Tap rein:

Klickt auf „Listen“ für das gesamte Album.

Als This Is Spinal Tap zu Beginn der Achtziger ins Kino kommt, hat die Welt mehr als zwei Dekaden großartiger Pop- und Rockmusik hinter sich. In den Sechzigern revolutionieren die Beatles die Populärkultur, in den Siebzigern definieren Led Zeppelin den Classic Rock. Auch der Musikfilm erlebt zu jener Zeit einen zweiten Frühling. Trat er zuvor bloß als kitschige Gelddruckmaschine in Erscheinung (Wir meinen dich, Elvis!), verändert spätestens der Beatles-Streifen A Hard Day’s Night (1964) die Spielregeln des Genres: Statt die Popularität der schauspielernden Musiker zu nutzen, um halbgare und schmalztriefende Drehbücher aufzuwerten, stehen die Künstler nun selbst im Mittelpunkt der Geschichte.

So auch bei der fiktionalen Rockdokumentation This Is Spinal Tap: Die gleichnamige Band, bestehend aus Sänger David St. Hubbins, Gitarrist Nigel Tufnel, Bassist Derek Smalls, Keyboarder Viv Savage und Schlagzeuger Mick Shrimpton, hat ihre besten Tage hinter sich. Nach einer Laufbahn als Beat- und Flower Power-Truppe entschieden sich die Musiker für eine Heavy Metal-Karriere. Um ihr neues Album Smell The Glove zu bewerben, tourt die Combo durch die USA und wird dabei von Filmemacher Marty Di Bergi begleitet, der die Rockstars porträtieren möchte. Als die ersten Shows abgesagt werden und sich auch noch Davids Freundin Jeanine in die Angelegenheiten der Band einmischt, wird die Freundschaft der Künstler auf eine Probe gestellt.


Immer an Bord: jede Menge Klischees. Ob windige Musikmanager, Eitelkeiten beim Songwriting, typische Streitigkeiten innerhalb eines Bandgefüges oder die Affektiertheit des Musikgeschäfts: This Is Spinal Tap nimmt alles auf die Schippe, was sich in der täglichen Realität einer Rockband abspielt und kratzt dabei so verdächtig an der Realität, dass es mitunter wehtut. Unvergessene Highlights: das Stonehenge-„Bühnenbild“, implodierende Schlagzeuger und natürlich die Verstärker, die sich bis auf Stufe elf hochdrehen lassen. Die Schauspieler hinter den Musikern glänzen durch ihren feinen britischen Humor, allen voran Christopher Guest in der Rolle des Gitarristen Nigel Tufnel.



Den Grundstein für die Filmproduktion legen Guest und Hubbins-Darsteller Michael McKean bereits Ende der Sechziger. Die beiden lernen sich am College in New York City kennen, musizieren ein wenig und machen Jahre später Bekanntschaft mit Autor Harry Shearer sowie Regisseur Rob Reiner. Gemeinsam erarbeiten die kreativen Köpfe 1978 die Pilotfolge für eine neue Sendung namens The TV Show, in der es unter anderem um die fiktive Rockband Spinal Tap gehen soll. Vor allem McKean und Guest merken, dass mehr in ihren Charakteren steckt, und arbeiten sie liebevoll aus. Reiner fängt ebenfalls Feuer und kann 60.000 US-Dollar Budget zum Schreiben eines Drehbuchs auftreiben. Um sich auf den Film vorzubereiten, besucht er ein Konzert der britischen Metal-Band Judas Priest, kommentiert das Geschehen allerdings folgendermaßen: „Das hat mir in der Brust wehgetan. Der Hall im Konzertsaal war so stark, dass ich keine Minute länger dort bleiben konnte.“


Die Arbeiten am Skript beginnen, doch das Team merkt schnell, es sich dabei um die falsche Herangehensweise handelt. Stattdessen drehen Reiner und Co. ein Demovideo, dass sie an zahlreiche Studios verschicken. Nach einigen Ablehnungen nimmt sich Autor und Produzent Norman Lear der Story an und entscheidet sich dazu, dass Projekt finanziell zu unterstützen. Was er zu jener Zeit vermutlich nicht ahnt: Das Spinal Tap-Team denkt auch weiterhin nicht daran, ein Drehbuch zu schreiben. Stattdessen besteht der fertige Film schließlich aus improvisierten Szenen, die meist in einem einzigen Versuch aufgenommen wurden. Statt Texte auswendig lernen zu müssen, arbeiten die Schauspieler bloß die groben Charakterzüge der Musiker aus, damit es nicht zu Widersprüchen kommt.



Sowohl die Presse als auch die Kinozuschauer geben dem Konzept Recht. So vergibt die Chicago Sun-Times vier von vier möglichen Sternen an den Film, Redakteur Roger Ebert schreibt: „This Is Spinal Tap ist einer der lustigsten, intelligentesten und originellsten Filme des Jahres.“ Tatsächlich wirkt der Streifen oft so authentisch, dass viele Kinogänger zunächst gar nicht merken, dass es sich um eine fiktive Band handelt. Selbst Cameo-Auftritte von Billy Crystal und Patrick Macnee sowie ein Gastspiel von The Nanny Fran Drescher können nicht gegensteuern. Auch aus der Musikwelt erhält der Streifen viel Lob. Sowohl Jimmy Page als auch Robert Plant, Dee Snider und Ozzy Osbourne geben zu, sich schon einmal in einem Backstage-Bereich verlaufen zu haben, wie es auch der Gruppe Spinal Tap im Film widerfährt. Lars Ulrich von Metallica räumt im Rahmen eines Interviews ein, die gemeinsame Tour von Metallica und Guns N’ Roses von 1992 habe sich stark nach Spinal Tap angefühlt.

Legendär ist auch der Soundtrack zum Film, für den Guest, Shearer, McKean und Reiner die Songs schreiben. Zumindest die Titel sind Kult: Tonight I’m Gonna Rock You Tonight, Sex Farm und Christmas With The Devil zum Beispiel, von unveröffentlichten B-Seiten wie Lick My Love Pump ganz zu schweigen. Um vom immensen künstlerischen und lyrischen Wert der Kompositionen nicht unnötig abzulenken, trägt die Platte zudem ein komplett schwarzes Cover – was Metallica 1991 ein paar Scherze einbringt, als sie ihr Black Album veröffentlichen.



Die Stars des Films bleiben bis heute aktiv. Michael McKean (David St. Hubbins) wirkt in der Serie Family Tree mit und ist mit Annette O’Toole verheiratet, die zum Beispiel in der Erfolgssendung Smallville mitgespielt hat. Christopher Guest, seit 1984 mit Hollywood-Star Jamie Lee Curtis verheiratet, arbeitet als Regisseur, vor allem im Mockumentary-Bereich. Die steilste Karriere dürfte Derek Smalls-Darsteller Harry Shearer hingelegt haben: Bis heute spricht er die Simpsons-Charaktere Rektor Skinner, Mr. Burns, Rainier Wolfcastle, Ned Flanders, Dr. Marvin Monroe und weitere Figuren im US-amerikanischen Original. So oder so: This Is Spinal Tap begeistert bis heute. Also, schmeißt die Popcorn-Maschine an, fahrt die Leinwand eures Heimkinos herunter und huldigt mit uns einer der besten Musikkomödien der vergangenen Jahrzehnte. Happy Birthday!

Pflichtprogramm für Rockfans weltweit: This Is Spinal Tap mit Darsteller Christopher Guest – Pic: Screenshot/YouTube


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