Popkultur
Zeitsprung: Am 25.2.1979 starten die Scorpions den „Lovedrive“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.2.1979.
von Christof Leim
Mit Lovedrive beginnt für die Scorpions eine neue Ära: Neuer Gitarrist, fokussierter Sound und endlich der internationale Durchbruch. Es gibt mal wieder Ärger wegen des Covers, aber auch gleich mehrere zukünftige Klassiker. Und das kam so…
Hört hier in Lovedrive rein:
Klingt auf „Listen“ für das ganze Album.
Ende der Siebziger muss sich Band zunächst einmal neu sortieren: Uli Jon Roth hatte nach dem Livealbum Tokyo Tapes (1978) seinen Hut genommen, weswegen die Band mit einer Anzeige im britischen Melody Maker einen Leadgitarristen suchen muss. Es melden sich 140 Flitzefinger, heißt es, das Rennen macht ein alter Bekannter aus dem heimischen Hannover: Matthias Jabs. Im Sommer 1978 wird er neues Mitglied vorgestellt, im September geht es schon ins Studio für Album Nummer sechs.
Mit dem Ausstieg von Roth sind die letzten Einflüsse an Seventies-Hippiekram, Hendrix-Huldigung und Kraut-Rock aus dem Sound der Scorpions verschwunden; ab jetzt regiert die Seite des Songwritings, die seit jeher Rudolf Schenker beigesteuert hat: Hard Rock auf die Zwölf. Damit klingt das Material, das sie mit Stammproduzent Dieter Dierks in Stommeln bei Köln aufnehmen, geradliniger und direkter. Man darf sogar sagen: Hier nimmt der klassische Scorpions-Sound seinen Anfang, mit dem die Kollegen in den Achtzigern diverse Arenen und Geldspeicher füllen.
Ganz ohne Verwirrung geht die Produktion allerdings nicht vonstatten: Wie die fünf Rocker da so schön aufnehmen in der rheinischen Provinz und von Mama Dierks bekocht werden, taucht Michael Schenker im Studio auf. Der Bruder von Rudolf war nach turbulenten Jahren als Gitarrenwunderkind von der britischen Band UFO vor die Tür gesetzt worden, jetzt will (oder: soll) er wieder bei den Scorpions mitmischen. Manchen Quellen zu Folge klappen die Aufnahmen mit Matthias nicht wie geplant, vor allem aber ist der kleine Schenker bereits ein etablierter Star und Klampfenheld. Also spielt Michael für mehrere neue Songs die Soli ein, womit wir auf dem Album ganz offiziell drei Gitarristen hören.
Anzeige von 1979 für das neue Album und die US-Tour
Jabs wird sich über all das nicht gefreut haben, zeigt aber Verständnis, weil „Michael und Rudolf eben Brüder sind“, wie er später zitiert wird. Als im Februar 1979 dann die ersten Tourdaten anstehen, gehört Michael Schenker offiziell als (einziger) Leadgitarrist zur Mannschaft. Doch das funktioniert nicht lange: Er taucht nicht zu Shows auf, Matthias fliegt kurzfristig ein und übernimmt, Michael kehrt nach einer Weile zurück, und Matthias muss wieder gehen. Bei einem Gig im französischen Lyon am 4. April 1979 läuft das Fass schließlich über: Die Scorpions stehen schon wieder ohne Soloklampfer da, aber jetzt haben sowohl die Band als auch der Ersatzmann die Schnauze voll. Michael Schenker kann wegbleiben, Matthias Jabs wird Leadgitarrist der Scorpions und ist das bis heute.
Zurück zur Platte: Lovedrive erscheint am 25. Februar 1979 – und bringt unsere Helden ein gutes Stück nach vorne, vor allem international. Mit einem 55. Platz knacken sie zum ersten Mal die Charts in den USA, mit Rang 36 gelingt das Gleiche in Großbritannien. In Deutschland landet die Scheibe um ein Haar in der Top Ten (Platz 11).
Von den acht Tracks gehören mindestens vier zu Klassikern des Scorpions-Kataloges; Songs von Lovedrive stehen heute noch regelmäßig und in großer Zahl auf der Setlist. Da wären der Midtempo-Rocker Loving You Sunday Morning, die flotte Granate Another Piece Of Meat und das energische Can’t Get Enough sowie das Titelstück mit Led Zeppelin-Groove – alles bestes Livematerial für Spaß, Schweiß und Geschrei. Mit Coast To Coast gibt es sogar ein Instrumental: schön dramatisch und mit herrlichen Melodiegitarren.
Außerdem finden sich natürlich so genannte „Power-Balladen“, die sich zusehends zum Eckpfeiler des Scorpions-Sounds und sogar zum Stilmerkmal eines ganzen Genres entwickeln sollten: Während der Achtziger gibt es kaum eine Hard Rock-Combo, die nicht ab und zu mal ein bisschen Drama, Pathos und Herzschmerz in den Ring wirft. Cleangitarre in der Strophe, bombastischer Chorus – funktioniert super. In dieser Disziplin sind die Scorpions nicht die Ersten, aber womöglich die Besten. Das zeigen auf dieser Scheibe die beiden brillanten Schmachtfetzen Always Somewhere und Holiday. In Is There Anybody There? zückt das Quintett sogar einen fluffigen Reggae-Rhythmus aus dem Hut, was hervorragend funktioniert.
Die Lieder stammen fast alle vom Team Klaus Meine/Rudolf Schenker. Schlagzeuger Herman Rarebell steuert drei der acht Texte bei. Das hat er schon früher getan, weil er immer am besten Englisch sprechen konnte. Michael Schenker erklärt Dekaden später, er habe eigentlich die Melodien für Coast To Coast und das Intro zu Holiday geschrieben, was aber irgendwann auch egal ist.
Fast alle Songs der Platte werden auf verschiedenen Single-Konstellationen ausgekoppelt
Textlich beschäftigen sich die fünf Musiker um die 30 damals mit dem wilden Leben, das man als international tourende Band so erlebt. Es geht um Sehnsucht nach der Herzdame daheim (Always Somewhere), das Rocken an und für sich (Can’t Get Enough) und natürlich immer wieder um zwischengeschlechtlichen Nahkampf. Another Piece Of Meat handelt jedenfalls nicht vom Grillen. Ja, die Scorpions haben den Rock’n’Roll gelebt, und dazu gehören auch Groupies. Interessanterweise legt der Text des plakativsten Songs die Zeile „Let’s go, don’t put on a show, you’re just another piece of meat“ nicht nur dem Rockstar, sondern auch der Dame in den Mund.
Einen Skandal produziert allerdings das Cover, nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Truppe. Man sieht ein Paar in Abendgarderobe auf dem Rücksitz einer Limousine. Die rechte Brust der Frau ist entblößt, von dort spannt sich eine rosa Gummimasse wie ein riesiger Kaugummi bis zur Hand des Mannes. Das Artwork stammt aus der Kreativwerkstatt Hipgnosis um Storm Thorgerson, der vor allem mit Arbeiten für Pink Floyd auf sich aufmerksam gemacht hatte, etwa bei The Dark Side Of The Moon.
Er kommentiert: „Nicht die politisch korrekteste Szene. Ich hielt das für lustig, aber Frauen sehen heute etwas anderes darin.“ An anderer Stelle erklärt er: „Ich habe mir immer vorgestellt, dass sie auf dem Weg zur Oper sind. Er hat einen Kaugummifetisch, und sie lässt ihn gewähren, weil es ihr einfach völlig egal ist. Ich finde das auch ein bisschen albern, aber ich mag das Cover.“ Die Album-Rückseite zeigt das gleiche Paar, lachend, beide halten ein Bild der Band in den Händen. Die linke Brust ist nun zu sehen.
Natürlich bekommen in den USA manche Leute bei allem, was mit Sex zu tun hat, Anfälle von Schnappatmung, weswegen spätere Pressungen ein neutrales Cover (blauer Skorpion auf schwarzem Grund) tragen. Klaus Meine blickt 2010 in einem Interview zurück: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass das ein Problem in den Staaten werden würde. Das ist nur Sex und Rock’n’Roll. Sonderbar, weil uns während Achtziger ausgerechnet in den USA vor der Bühne ständig Brüste gezeigt wurden, aber nirgendwo sonst.“
Den Verkaufszahlen tut das alles keinen Abbruch, so dass die Scorpions nach der Veröffentlichung neben Europa erneut Japan betouren können und auch lange durch die USA kreuzen. Mit Lovedrive etablieren sie sich als internationale Künstler und legen die Grundlage für ihre erfolgreichste Ära in klassischer Besetzung. In den folgenden Jahren scheppert es dann mit Animal Magnetism (1980) und Blackout (1982) gewaltig, und spätestens mit Love At First Sting (1984) steht das Quintett am oberen Ende der Hard-Rock Nahrungskette. Aber darüber unterhalten wir uns ein andermal…
Zeitsprung: Am 31.8.1948 rockt Rudolf Schenker von den Scorpions los.

Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis zum Fyre Festival: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
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Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
Popkultur
45 Jahre „The Cars“: Wie eine Bostoner Band die Zukunft der Rockmusik erfand
Das selbstbetitelte The-Cars-Debüt klingt ein bisschen so wie David Bowie und Queen auf einem Roadtrip durch die USA. Auch 45 Jahre nach der Veröffentlichung hat das visionäre The Cars nichts von seinem melodischen Zauber verloren.
von Björn Springorum
Die späten Siebziger sind für die klassische Rockmusik keine einfache Zeit. Links wird sie von räudigem, schnoddrigen Punk überholt, rechts scheren schon die Synthesizer aus, um Wave und Synth-Pop in Position zu bringen. Mittendrin: The Cars aus Boston, die mit ihrem wegweisenden Debüt The Cars den Verlauf der Musik ändern sollen.
Aller Anfang ist schwer
Die Bandgründer Ric Ocasek und Benjamin Orr sind damals alles andere als Greenhorns. Beide über 30, beide schon in diversen Bands in Ohio oder Michigan gewesen. Auf die synthetische Zukunft der Rockmusik haben sie aber erst mal keinen Bock: Sie spielen in der Folk-Band Milkwood, die nach Crosby, Stills And Nash duftet und 1972das Album How’s The Weather hervorbringt. Die Musikwelt interessiert sich damals dafür nicht – und das eigentlich zu Unrecht, wie man hier hören kann:
Mit Folk wird es anscheinend nichts, also versuchen sie es erst mit der Band Richard And The Rabbits und dann mit dem Akustikduo Ocasek And Orr. Man kann also auch sagen, dass sie einfach so lang alle Genres abgrasen, bis mal irgendwas auf offene Ohren stößt. Nächste Station: Cap’n Swing, ebenfalls eine weitgehend vergessene Band, in der aber immerhin auch der spätere The-Cars-Gitarrist Elliot Easton spielt. Irgendwann hat Ocasek genug vom ganzen Misserfolg und den ganzen vergeblichen Anstrengungen. Kostet ja auch Zeit und Kraft. Also holt er sich den Keyboarder Greg Hawkes in die Band und entwickelt ein neues Konzept.
Mit Rockabilly und Punk in die Zukunft
Unter den Namen The Cars gründet sich 1976 eine Band, die aus dem Rockabilly der Fünfziger, dem Minimalismus des Punk und den ungeahnten Möglichkeiten der neuen Synthesizer einen neuen Sound macht. The Cars klingen in ihren frühen Tagen stark nach David Bowie oder Queen, aber eben hinter dem Steuer eines US-amerikanischen Cabrios auf einem Roadtrip durch die Harmonien des Great American Songbook. Hier entsteht Musik, die so klingt wie die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik.-
Und irgendwie funktioniert alles plötzlich ganz schnell. Am Silvesterabend 1976 spielen sie ihre erste Show auf einer Air Force Base, bei einer ausgedehnten Frühjahrstour 1977 durch New England entwickeln sie im Pink-Floyd-Stil die Songs ihres Debüts. Und die erzeugen schnell einen ordentlichen Buzz um diese neue Band: Ein Demotape wird von Bostoner Radiosendern praktisch im Loop gespielt, schnell ist auch das Interesse großer Plattenfirmen da. Hier war etwas Neues im Busch, da will niemand zu spät auf den Zug aufspringen. Aus Businesssicht sind The Cars damals schon recht clever: Sie entscheiden sich für einen Deal mit Elektra Records (damals auch die Heimat der übermächtigen Eagles), weil das Label im Vergleich zum Mitbewerber Arista Records keine New-Wave-Acts unter Vertrag hat. Man würde, so schlussfolgert die Band, folglich mehr herausstechen.
Aufgenommen wird in London
Und der Plan geht so was von auf: Nach den Aufnahmen in London mit Queen-Hitmaker Roy Thomas Baker erscheint am 6. Juni 1978 The Cars und kann bis auf Rang 18 der erbittert umkämpften US-Charts klettern. Alle Singles charten ebenfalls, aus Radios im ganzen Land dröhnen sehr bald Good Times Roll oder Just What I Needed. Aber warum eigentlich? Warum verkauft sich The Cars über sechs Millionen Mal und bekommt sechsfach Platin? Weil die Rockmusik im Wandel ist. Und The Cars als einer der Zukunftsboten auf den Plan treten.
Das Album erscheint in einer Übergangsphase, in einer Zäsur. Zwar haben AC/DC gerade erst Powerage veröffentlicht, aber zur selben Zeit kommen eben auch Kraftwerk mit ihrem Maschinenmanifest Die Mensch-Maschine und die Rolling Stones mit dem wavigen Some Girls um die Ecke. Es passiert was in der Rockmusik, das klassische Line-Up aus Gitarre, Bass, Drums wird zunehmend weniger nachgefragt. Da passen The Cars mit ihrem eklektischen Sound perfekt.
Jeder Song sitzt
Die Harmonien des Pop, die Melodien des Radio-Rock, die Extravaganz des New Wave und der Simplizismus des Punk erschaffen einen originellen, frischen, eingängigen Sound, der der Band endlich die erhoffte Aufmerksamkeit bringt. Auch nicht unwichtig: Die Songs sind allesamt grandios geschrieben und arrangiert. Und funktionieren bis heute. „Wir scherzten früher, dass wir unser erstes Album eigentlich The Cars Greatest Hits nennen sollen, so meinte Gitarrist Elliot Easton mal.
Das Spannende ist aber auch, wie brückenbauend The Cars damals sind: Die übliche Kluft zwischen Rockern und Poppern wird von ihnen mühelos überbrückt. Für Rocker ist The Cars gerade noch hart und gitarrenlastig genug, für New-Waver sind die Songs in Sachen rockiger Härte gerade noch erträglich.
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