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Popkultur

Die musikalische DNA von Diana Ross

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Es gibt viele Antworten auf die Frage, was das überhaupt sei, Soul. Die kürzeste aber lautet: Diana Ross ist Soul! Als Leadsängerin der Supremes schrieb sie Motown-Geschichte, als Solo-Künstlerin bricht sie bis heute noch alle Rekorde. Das Billboard-Magazin nannte sie 1976 die „Entertainerin des Jahrhunderts“ und sogar im Guinness-Buch der Rekorde konnte sie 1993 einen Eintrag für sich verbuchen – keine Künstlerin hatte mehr Hit-Singles vorzuweisen.


Hier bekommst du einen Vorgeschmack von Diana Ross’ musikalischer DNA, zur ganzen Playlist kommst du über den “Listen”-Button:


Songs wie Ain’t No Mountain High Enough werden für immer mit ihrem Namen verbunden sein und ganze Generationen von Jazz- und Soul-Sängerinnen werden nicht drum herum kommen, Ross-Stücke in ihr Repertoire aufzunehmen. Sie ist eben die Königin des Souls und ein Vorbild insbesondere für afro-amerikanische Künstlerinnen, wie auch Oprah Winfreys Einladung zu ihrem Legends Ball bewies, zu dem Ross ebenso erschien wie die Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die Schriftstellerinnen Toni Morrison und Maya Angelou oder die Kolleginnen Aretha Franklin und Patti LaBelle.

Ross hat der Welt nicht allein mit ihrer eigenen Musik viel gegeben. Auch andere hat sie immer wieder ins Rampenlicht befördert. Michael Jacksons Karriere wäre vermutlich ganz anders gelaufen, hätte Ross nicht die Jackson 5 unter ihre Fittiche genommen. Doch welche Musik hat sie selbst im Laufe ihrer jahrzehntelangen Karriere beeinflusst? Ein Blick auf die musikalische DNA von Diana Ross verrät es uns!


1. Dorothy Love Coates – (You Can’t Hurry God) He’s Right on Time

Wie so viele schwarze Sängerinnen sammelte die kleine Diana – eigentlich sollte sie übrigens Diane heißen und ist auch mit diesem Namen auf den ersten Supremes-Platten genannt, doch ein Tippfehler auf ihrer Geburtsurkunde machte aus dem E ein A – ihre ersten musikalischen Erfahrungen in der Kirche. Mehr noch als anderen lag der Baptistin die Religion im Blut: Ihr Großvater mütterlicherseits war Pastor!

In der Kirche lernte sie einerseits Harmonietechniken und andererseits, sich gegen zahlreiche andere Stimmen durchzusetzen. Gospel wurde aber auch außerhalb des Kirchenschiffs stilprägend für die junge Soul-Bewegung, an deren Speerspitze Ross bald treten sollte. Dorothy Love Coates beispielsweise stand für einen Gospel-Sound, der sich neuzeitlicher Rock- und Pop-Musik versperrte und dennoch einen großen Einfluss auf die Motown-Generation ausübte. Die Supremes etwa stibitzten für ihren Megaerfolg You Can’t Hurry Love Coates’ (You Can’t Hurry God) He’s Right on Time und verpassten ihm einen säkularen Anstrich.


2. Smokey Robinson & The Miracles – The Tracks of my Tears

Nicht allein den Gospel bekam Ross schon in Kindheitstagen beigebracht, sie machte auch Bekanntschaft mit einem der größten Genies des späteren Motown-Sounds. Bevor sich William „Smokey“ Robinson Jr. als Bandleader der Miracles einen Namen machte und unsterbliche Klassiker wie The Tracks of my Tears schrieb, wohnten die beiden auf derselben Straße. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die beiden sogar mehr als Nachbarn waren…

Sicher ist zumindest, dass Ross dem Knirps von damals ihre Karriere zu verdanken hat. Als ihre erste Gruppe, die Primettes, sich mit einigen Live-Auftritten einen Ruf in der „Motor City“ Detroit erspielt hatte, stellte er die Verbindung zu Motown her – im Austausch gegen Primettes-Gitarristen Marv Tarplin, der Robinson 30 Jahre lang zur Seite stehen sollte. Ein fairer Deal, fanden beide Seiten. Und der Beginn einer langwährenden Zusammenarbeit zwischen Ross und Robinson im Hitsville-Studio.


3. Chic – Le Freak

Obwohl Ross während ihrer jahrzehntelangen Karriere wieder und wieder ihr gesangliches Talent bewies, übernahmen das Songwriting doch oftmals andere für sie. Für ihr 1980 veröffentlichtes Album diana holte sie mit Bernard Edwards und Nile Rodgers zwei Musiker und Komponisten ins Studio, deren funkige Rhythmen die Disco-Ära dominiert hatten. Chics Le Freak beispielsweise, ein als frustrierter Studio-Jam begonnener Song – geschrieben hatten ihn die beiden, nachdem ihnen im legendären Studio 54 der Einlass verwehrt wurde – brach alle Rekorde.

Ross hatte noch 1979 mit The Boss ein eher klassisches Motown-Album aufgenommen und wollte ihr Klangspektrum erweitern. Da kamen die Kompositionen, die Edwards und Rogers eigentlich für Aretha Franklin geschrieben hatten, gerade recht. Sie hatte den richtigen Riecher: Der Song Upside Down wurde zu einem Welthit und diana verkaufte mehr Platten als jedes andere ihrer Alben zuvor. Es lohnt sich eben manchmal, mit der Zeit zu gehen – nicht nur in künstlerischer Hinsicht.


4. Commodores – Easy

Upside Down, das beschreibt auch ganz gut Ross’ Verhältnis mit dem Label Motown. Nicht immer war das Verhältnis zwischen der Sängerin und der Detroiter Institution ein friedliches. Eine kleine Ironie des Schicksals also, dass ihr letzter Song für die Plattenfirma den Titel Endless Love hieß. Benannt war er nach dem gleichnamigen Film, dessen Titelstück er zugleich war. Eingesungen hat Ross die einfühlsame Ballade gemeinsam mit dem Commodores-Sänger Lionel Richie, der ein Jahr später als Solo-Künstler seinen Durchbruch feiern durfte.

Für die frühe Schützenhilfe sollte sich Richie noch oftmals bei Ross bedanken. So schrieb er etwa den Song Missing You für sie. An die Arbeit an Endless Love erinnert er sich jedoch am liebsten zurück. „Da bin ich also, im Studio, es ist drei Uhr nachts und Diana Ross kommt rein“, erinnerte er sich mit einem schelmischen Grinsen. „Und sie so: ‚Lionel, ich mag ein paar von deinen Parts… Was denkst du… Ich weiß nicht…‘, also sage ich ihr: ‚Welche Töne sich auch immer für dich am besten anfühlen, singst du einfach!‘“ Am Ende stand ein komplett neuer Song. Das ist echtes Teamwork! Bei den Commodores hatte Richie schließlich gelernt, wie’s geht. Für sie schrieb er Hits wie Easy.


5. Julio Iglesias – La Vida Sigue Igual

So wie Ross dem jüngeren Kollegen Richie gleichermaßen beim Aufbau seiner Solo-Karriere unter die Arme griff wie sie von seinen Qualitäten als Songwriter profitierte, ging sie mit Julio Iglesias eine Bindung ein, die beiden zugutekommen sollte. Ross’ Karriere war nach ihrem Zerwürfnis mit Motown-Chef Berry Gordy schwer angeschlagen und Iglesias versuchte, endlich auf dem englischsprachigen Markt Fuß zu fassen. Die Lösung für beider Probleme lautete All of You, für das die beiden 1984 unbekannterweise zusammen ins Studio gingen.

Angeblich haben sie sich selbst dort nicht getroffen und lernten einander erst beim gemeinsamen Videodreh für die Erfolgssingle kennen. Doch schon bald freundeten sie sich eng an und Ross verbrachte sogar die folgenden Weihnachtstage in Iglesias’ Residenz in Miami. Gut, dass der La Vida Sigue Igual-Sänger in Vorbereitung auf seine Karriere als englischsprachiger Sänger extra die Sprache gelernt hatte… So konnten sie einander nicht nur musikalisch verstehen.


6. Marvin Gaye – What’s Going On

Neben den lebenden Kollegen, mit denen Ross das Studio teilte, waren es auch alte Helden, die in ihrer Musik immer wieder auflebten. Missing You, die von Lionel Richie für Ross komponierte Ballade, war ein berührender Tribut an die Goldkehle des Motown-Sounds, Marvin Gaye, der im Jahr 1984 ermordet wurde. „Since you’ve been away / I’ve been down and lonely / Since you’ve been away / I’ve been thinking of you / Trying to understand / The reason you left me / What were you going through?“, lauten die ersten Zeilen des Stücks.

Gaye und Ross verband eine lange Freundschaft, die 1973 sogar auf einem Duettalbum namens Diana & Martin festgehalten wurde. Seitdem sie 1961 beide bei Motown unterschrieben hatten, inspirierten sie einander wieder und wieder. Der beste Beweis dafür, wie wichtig Gaye für seine Kollegin war, ist wohl Ain’t No Mountain High Enough. Obwohl der Song heute vor allem in der Version von Ross bekannt ist, wurde die Komposition von Nickolas Ashford und Valerie Simpson doch zuerst von Gaye und Tammi Terrell veröffentlicht. Ross’ Coverversion leitete ihre Solo-Karriere mit einem Knall ein. Kein Wunder, dass sie den Mentor und Freund Gaye vermisste.


7. Billie Holiday – Lover Man

Einen (fast) noch schöneren Tribut hat Diana Ross ihrer großen Heldin Billie Holiday dargebracht. Im Film Lady Sings the Blues schlüpfte sie 1972 in die Rolle der legendären Jazz-Sängerin und steuerte eine ganze Doppel-LP mit ihren Interpretationen von Holiday-Klassikern wie Lover Man als Soundtrack bei. Sogar der Kritiker und Holiday-Freund Leonard Feather sprach ihr zu, „die Essenz von Lady Day“ perfekt auf die Leinwand gebracht zu haben. Kein Wunder, hatte die Musik der 1959 verstorbenen Künstlerin doch ihr Leben lang begleitet.

Nicht alle waren allerdings so angetan wie Feather. Es hagelte böse Worte noch bevor der Film im Kasten war. Zu unterschiedlich seien die beiden. „Während meiner neunmonatigen Recherche traf ich ein paar wichtige Entscheidungen“, notierte Ross in ihrer Autobiografie Secrets of a Sparrow. „Eine davon war, dass ich nicht wie Billie klingen wollte. Stattdessen war es mir wichtig, meinen eigenen Sound mit einzubringen. Merkwürdigerweise habe ich, wohl weil ich die ganze Zeit über nichts anderes hörte, einige ihrer Phrasierungen übernommen und bin ihrem Stil auf diese Art sehr nahe gekommen.“ Die einen überzeugte es, die anderen nicht. So viel jedoch steht fest: Für Ross waren der Film sowie der dazugehörige Soundtrack ein Herzensprojekt.


8. Bessie Smith – ‘Tain’t Nobody’s Bizness If I Do

Billie Holiday ist nicht die einzige Sängerin, die Ross während ihrer Karriere darstellen durfte. Auch die legendäre Bessie Smith wurde von ihr komplett neu interpretiert. 1977 war Ross mit einer sogenannten One-Woman-Show auf Tour und nahm in diesem Rahmen auch ein Konzert in Los Angeles auf. Die auf der Doppel-LP An Evening with Diana Ross abgebildete Performance zeigt Ross in Topform. Ein Block war ihren Heldinnen reserviert: Billie Holiday, Josephine Baker, Ethel Waters und eben jener Bessie Smith zollte sie darin Respekt und sang unter anderem den Blues-Standard ‘Tain’t Nobody’s Bizness If I Do, der fest zu Smith’ Repertoire gehörte.

„Jazz und Blues waren ein Teil meiner Kindheit und wenn du genug davon hörst, wird es irgendwann zu einem Teil von dir“, erzählte sie in einem Interview. „Ganz gleich, ob du genauso singst. Als ich erwachsen wurde, studierte ich die älteren Blues-Sängerinnen, die echten dreckigen Sängerinnen wie Bessie Smith und sammelte die Lyrics. Nicht mit dem Ziel, genauso zu werden, sondern weil ich Spaß daran hatte und weil es mich zum Nachdenken anregte.“ Musikalischer Einfluss muss nicht immer direkt hörbar sein, manchmal äußert er sich auch subtil.


9. Ella Fitzgerald – I’ve Got a Crush on You

Deutlicher vielleicht ist Ella Fitzgeralds Einfluss auf Ross herauszuhören, obwohl die verrückten Volten der Queen of Jazz sich nicht unbedingt in Ross’ umfassender Diskografie wiederfinden. 2005 vertonte sie allerdings für Rod Stewarts Thanks for the Memory: The Great American Songbook, Volume IV ein Duett des Gershwin-Klassikers I’ve Got a Crush on You neu. Das von George Gershwin komponierte Stück, dessen Lyrics Ira Gershwin schrieb, wurde oft interpretiert, kaum je aber besser als von Fitzgerald.

„Seitdem ich jung war, hat mich Jazz-Musik beeinflusst“, gestand Ross, als ihr 2014 der Ella-Fitzgerald-Award verliehen wurde. „Einige meiner Favoriten waren Ethel Waters und Bessie Smith, natürlich aber auch Ella Fitzgerald. […] Beim Jazz geht es darum, sich in der Musik zu verlieren.“ Und wie ginge das besser als mit den Songs der Gershwins, gesungen von der First Lady of the Song, Ella Fitzgerald? Die Auszeichnung, die Ross im Sommer 2014 in Montreal entgegen nahm, bedeutete daher eine ganz besondere Ehre für sie.


10. Jackson 5 – I Want You Back

Es gäbe noch so viel mehr Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker aufzuzählen, die Ross auf ihrem langen und erfolgreichen Weg begleitet haben. Aretha Franklin zum Beispiel, Etta James oder die Drifters. Doch jede Liste muss eines Tages ihr Ende finden. Und jedes Ende bringt unweigerlich auch einen Abschied mit sich. Ross kennt sich damit besser aus, als ihr wohl lieb wäre. Im Juni 2009 musste sie sich von einem ganz besonderen Wegbegleiter verabschieden: Michael Jackson war an einer Überdosis Drogen verstorben, die ihm sein Hausarzt Conrad Murray verabreicht hatte.

Ross hatte Jacksons Karriere buchstäblich von Kindesbeinen an begleitet. Dem Label Motown zufolge war sie es, die die Jackson 5 entdeckte und zu Beginn ihrer Solo-Karriere zu Konzerten von sich einlud. Nicht wenige vermuten allerdings, dass die Wahrheit eine andere war und Motown lediglich über Ross’ Namen mehr Platten absetzen wollte. Sei’s drum: Nachdem die Jackson 5 mit I Want You Back ihren ersten Erfolg landeten, brauchten sie ihre Schützenhilfe nicht mehr. Michael und Diana aber wurden zu einem erfolgreichen Songwriter-Team, das weit über das Ende der Band hinaus einen Erfolg nach dem nächsten landete. Umso tragischer, dass sie ihn eines Tages zu Grabe tragen musste.


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