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Popkultur

Die musikalische DNA von The Kinks

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The Kinks

Was wäre die Pop-Geschichte nur ohne die Kinks gewesen? Obwohl es der Band um die Davies-Brüder Ray und Dave nach einem Tourverbot in den USA nicht vergönnt war, die „British Invasion“ anzuführen und obwohl ihr Nachruhm nicht die Ausmaße angenommen hat, wie es später bei den Beatles oder den Rolling Stones der Fall war, und, ja, obwohl es der Band schwer fiel, nach den Swingin’ Sixties wieder Fuß zu fassen: Die Kinks sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich das UK im transatlantischen Pop-Wettrennen stets vorne gehalten hat.


Hört euch hier die musikalische DNA von The Kinks als playlist an und lest weiter:


Mit dem rohen, riffigen Sound von You Really Got Me legten sie den Grundstein für Punk und Metal, ihre Mitgröhlhmyne Lola darf in keiner Kneipen-Playlist fehlen. Doch die Kinks haben sie sich ebenso mit einfühlsamen Stücken wie Waterloo Sunset und Days tief in die Annalen der Pop-Geschichte eingeschrieben. So vielseitig die von Rhythm and Blues, Folk, Country, Rock and Roll und sogar indischer Musik beeinflusste Band auch war, so vielfältig ist indes ihr Einfluss auf andere Bands.

Werfen wir also einen Blick auf das, was die Davies-Brüder und ihre zahlreichen Mitstreiter bei den Kinks selbst in sich aufgesogen haben! Nur so können wir ihren nachhaltigen Einfluss auf die Welt von Rock und Pop erklären. Obwohl ihnen der große Erfolg streckenweise verwehrt blieb: Den ehrlichen Respekt von Generationen anderer Bands haben sie sich redlich verdient.


1. John Lee Hooker – Boogie Chillen

„Forget culture, Rock’n’Roll is where it’s at”, heißt es auf dem Ray Davies-Hörstück Back In The Front Room von seinem Solo-Album The Storyteller aus dem Jahr 1998. Zugleich als Hommage an seinen Bruder Dave angelegt, zu dem er zu Zeiten der Kinks und insbesondere später ein stets schwieriges Verhältnis hatte, erzählt Ray darauf von den aufregenden Anfangszeiten der Band, welcher er sein Lebenswerk gewidmet hat. Die beiden Musiker fingen zwar klein, aber in einer großen Familie an. „Zu dieser Zeit waren wir eine Arbeiterfamilie und es war noch vor dem Fernsehzeitalter, weshalb wir unsere eigene Unterhaltung gemacht haben“, erinnerte sich Dave 2015 in einem Interview.

Besonders groß soll der Einfluss der größeren Schwestern – acht Kinder hatte die Davies-Familie insgesamt! – gewesen sein. „Meine Schwester spielte – wie im Song Front Room – Klavier und mein Vater die Löffel“, schwärmte Dave im selben Interview über das familiäre Beisammensein. Die Schwestern brachten auch den Rock’n‘Roll nach Hause, Musik von John Lee Hooker beispielsweise, den Dave im genannten Song – der wohl nicht zufällig diesen Titel trägt – ebenfalls genannt wird. „Sein Gitarrensound war so roh“, erklärte Dave begeistert. „Viele wollten seine Ideen kopieren. Der Gesang, der Blues von Muddy Waters oder sogar frühen Künstlern wie Lead Belly hatte so ein tolles Heulen in der Stimme“. Nichts mit dröger Hochkultur: Die Davies-Brüder waren von Anfang an auf Rock’n’Roll geeicht!


2. Little Richard – Long Tall Sally

Da verwundert es kaum, dass sich die Kinks für ihre Debüt-Single eine der allergrößten Rock-Legenden überhaupt vor die Brust nahmen. Im Februar 1964 erschien mit Long Tall Sally ihre Interpretation des Little Richard-Smash-Hits aus dem Jahr 1956. Damit fuhren sie allerdings nur mäßigen Erfolg ein. Ein böses Omen? Wohl eher eine deutliche Lektion für die junge Band, die sich noch zu viel in ihre Angelegenheiten reinreden ließ!

Es wäre vermutlich nie zu dem Long Tall Sally-Cover gekommen, hätte der Beatles-Promoter Arthur Howes der Band nicht dazu geraten. Im Januar 1964 hatte er seinen Protegés aus Liverpool bei einem Konzert dabei zugehört, wie sie den Song interpretierten. Ursprünglich wollte er den Kinks einen Gefallen tun, indem er sie ins Aufnahmestudio schickte, bevor die Pilzköpfe ihre Long Tall Sally-Interpretation veröffentlichen konnten. Ohne den Song jemals vor Publikum performt zu haben, versuchten sich die Davies-Brüder, Drummer Bobby Graham und Bassist Peter Quaife vergeblich an dem Stück. Paul McCartney, dessen Band die Nummer schon seit ihren Anfangstagen im Programm hatte, konnte an den Vocals einfach mehr überzeugen als Ray Davies.


3. The Yardbirds – Heart Full Of Soul

Es ging bescheiden weiter. Auch die zweite Single aus derselben Aufnahmesession, You Still Want Me, floppte und das Kinks-Label Pye wollte schon den Vertrag mit den Jungspunden auflösen. Ein Glück für die Betreiber, dass sie Geduld mit den Burschen zeigten: Im August 1964 landete die Band mit You Really Got Me den bahnbrechenden Hit ihrer frühen Karriere und veränderten damit für immer den Verlauf der weiteren Musikgeschichte. Nicht, dass die Band sich nach dem Durchbruch hätte ausruhen können, nein. Erst mal ging es für sie auf Ochsentour.

Schon bevor die Kinks Boden unter den Füßen gewannen, hatte Ray Davies eine unvergleichliche Ausdauer an den Tag gelegt. Kaum zu zählen sind die Bands, bei denen er anheuerte, bevor er mit den Kinks seine eigene Vision umsetzen konnte. Ein zentraler Angelpunkt der Szene waren dabei stets die Yardbirds, deren Schicksal ähnlich schleppend anlief und die sich dennoch zu einer der wichtigsten UK-Bands der sechziger Jahre mauserten. Eric Clapton, Jimmy Page und Jeff Beck spielten dort bisweilen Gitarre – nicht das schlechteste Aufgebot! Vor allem aber gelang es der Band, Blues mit britannischem Flair zu versehen. Das sollte auch im Sound der Tourpartner von den Kinks seine Spuren hinterlassen.


4. Jimmy Giuffre – The Train and the River

Bekannt wurden die Kinks aber wie bereits gesagt mit You Really Got Me, einem rüpeligen und riff-basierten Song, der heute als Blaupause für Punk, Hard Rock und Metal angesehen wird. Als Inspiration für den scheppernden Sound diente ein Richard Berry-Song, dessen Kingsmen-Version es Ray Davies besonders angetan hatte. Das Cover der US-amerikanischen Band zeichnete sich ein luftiges Drumming und harte Stakkato-Akkorde aus, wie sie in You Really Got Me in harschen Riffs widerhallten.

Bemerkenswert an You Really Got Me war nicht allein das Miteinander von harmonischen Background-Vocals und Rays raspeligem Gesang, sondern insbesondere der Gitarrenklang von Dave. Der schnitt doch tatsächlich die Lautsprechermembran seines Elpico-Verstärkers auf und steckte Nadeln in den legendär gewordenen „little green amp“, bevor das Signal in einen anderen Verstärker umgeleitet wurde. Als musikalische Grundlage für das fette Riff übrigens diente eine Jazz-Komposition: Ray interpretierte Jimmy Giuffres The Train and the River um, das auf Daves sechs Saiten zum wohl ikonischsten Riff der Sechziger wurde.


5. The Byrds – Turn! Turn! Turn! (To Everything There is a Season)

Die Kinks konnten Zeit ihrer Karriere aber nicht allein in Sachen Lautstärke überzeugen. 1966 tauschte Dave seine halbakustische Harmony Meteor-Gitarre, auf der er You Really Got Me gespielt hatte, gegen eine 12-saitige Fender Electric XII ein. Das Ergebnis war zuerst auf I’m Not Like Everybody Else zu hören. Trotz des rotzigen Flairs des Songs wurde schnell klar: Mit dem Wechsel kam auch ein vollerer, harmonischer Sound zurück in die Band.

Ob es ein Zufall war, dass Dave sich eine neue Gitarre zulegte, nachdem die Byrds im Vorjahr mit dem Bob Dylan-Stück Mr. Tambourine Man und dem Pete Seeger-Song Turn! Turn! Turn! (To Everything There is a Season) zwei Welthits landeten? Wohl kaum. „Die Byrds waren ein wichtiger früher Einfluss“, gestand er in einem Interview. Die Band um Roger McGuinn markierte zu Hochzeiten der „British Invasion“ einen wichtigen Zwischenschritt: Erstmals nahm eine US-amerikanische Gruppe erfolgreich die Einflüsse der britischen Kollegen auf und wandelte sie, angereichert durch Folk-Elemente, in etwas ganz Eigenes um.


6. Bidyut Khan Band & Lucyan – Raga Hemant – Alap

Während die Byrds wie der Rest der Welt ihre Ohren in Richtung England spitzten, waren die Kinks allerdings schon 1965 der Weltöffentlichkeit erneut einen Schritt voraus. Vier Monate, bevor die Beatles in Norwegian Wood (This Bird Has Flown) erstmals eine Sitar erklingen ließen, zeigte sich Ray Davies von klassischen indischen Ragas inspiriert. Der Song See My Friends, eine proto-psychedelische Elegie auf die an einem Herzfehler verstorbene Davies-Schwester Rene, verarbeitete mit röhrendem Gitarrendröhnen den Sound von Bombay. Während einer Asientour hatte Ray dort Fischer auf dem Weg zur Arbeit beobachtet, die das morgendliche Treiben der Millionenstadt mit ihren Gesängen unterhielten. Ein prägendes Erlebnis.

Der Davies-Biograf Johnny Rogan allerdings merkte an, dass die Kinks damit noch lange nicht als Erfinder des sogenannten Raga Rocks gelten dürften. Ihm zufolge hatten die Yardbirds kurz nach dem Weggang Eric Claptons bereits kurz zuvor mit der Single Heart Full of Soul den Grundstein gelegt. Was Jeff Beck auf der Aufnahme mit seinem Instrument anstellt, klingt allerdings entschieden anders als der wesentlich mehr an den klassischen Raga-Sound erinnernde Gitarrenteppich unter See My Friends. Oder was meint ihr?


7. Max Miller – Max Miller in the Theatre

Nicht allein aus den USA oder dem fernen Indien allerdings kamen die Einflüsse der Kinks. Sondern auch direkt aus ihrem Heimatland, das neben Blues-Rockern wie den Yardbirds noch viel, viel mehr bot. Das programmatisch betitelte Album Something Else By The Kinks zeichnete sich durch Music Hall-Elemente aus, wie sie den Alltag der Davies-Brüder zu Kindheitszeiten bestimmten. Max Miller – bürgerlich: Thomas Henry Sargent, Spitzname „The Cheeky Chappie“ – gehört zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten der reichhaltigen Music Hall-Tradition. Er vereinte Stand-Up-Comedy mit gekonnten Gesangseinlagen.

Nicht allein das Theatralische, sondern vor allem auch der Humor war immer schon essentieller Bestandteil der Kinkschen DNA. „Humor ist so wichtig“, bekräftigte Dave in einem Interview. „Weil es den Bogen zur Spiritualität hin schlägt. Du wirst verarscht, an deinen Platz in der Welt erinnert, aber es ist dennoch witzig. Deshalb sind alle großen Komiker wie Tony Hancock, Max Miller und Spike Milligan zugleich Philosophen. Der Weg der Kinks ist ein spiritueller.“ Kein Wunder, dass sie genau auf diesem Weg in der Mitte der siebziger Jahre von einer immer größer werdenden Truppe von Bläsern und Schaustellern begleitet wurden. Humor gehörte dabei immer unbedingt hinzu.


8. Johann Sebastian Bach – Choral, BWV 147: „Jesu, Joy of Man’s Desiring”

Denn ihre Späßchen konnten sich weder die Davies-Brüder noch ihre Mitstreiter verkneifen. Ihr Bassist Peter Quaife, der die Band 1969 entnervt verließ und sich seinem neuen Projekt Maple Oak widmete, war deren vielleicht prägendstes Mitglied. Auf Singles wie You Really Got Me, All Day and All of the Night,  Sunny Afternoon und Waterloo Sunset war sein unaufdringliches Spiel zu hören, sein Einfluss auf das legendäre The Kinks Are The Village Green Preservation Society-Album bleibt unumstritten.

Auf eben jener LP, Quaifes letzter mit der Band, findet sich mit Wicked Annabella auch ein ungewöhnliches Stück. Ungewöhnlich ist es allein deswegen, weil der Song zwar von Ray geschrieben und doch von Dave gesungen wurde. Aber insbesondere auch deshalb, weil er ungewöhnlich düster und rau klang und sich Quaife dennoch einen kleinen musikalischen Scherz erlaubte. „Ich dachte immer, dass das wohl das Coolste war, was er je bei uns gemacht hat“, grinste Dave in einem Interview. „Es bewies seine Kreativität und was für ungewöhnliche Ideen er hatte. Wenn ich das Stück höre, muss ich manchmal schmunzeln.“ Was aber hatte Quaife denn nun gemacht? Ganz einfach: Sein Bassspiel zitiert einen barocken Choral von Johann Sebastian Bach. „Oh, ein ganz großer Spaß“, frotzelte der tragischerweise im Jahr 2010 verstorbene Bassist über seinen genialen Einfall.


9. Van Halen – You Really Got Me

„Peter wurde niemals zugutegehalten, was er mit seinem Beitrag und seinem Engagement bei den Kinks beigetragen hat“, schrieb ein aufgelöster Dave kurz nach Quaifes Tod in seinem eigenen Interforum. „Ich wäre ohne ihn heute nicht hier“, sagte auch Ray kurz darauf zu seinem Publikum auf dem Glastonbury Festival in England. Tatsächlich: Auch wenn die Kinks im Kern immer aus den Davies-Brüdern bestanden, so verdankten sie ihren Erfolg auch anderen. Manchmal sogar komplett anderen Bands.

Die siebziger Jahre waren eine schwierige Zeit für die Kinks. Nach dem Weggang von Quaife versuchten sie sich ab 1973, erneut inspiriert von der Music Hall-Tradition und Rockopern wie The Whos Tommy, an theatralischen Formaten. Ihre Alben Preservation Act 1 und Preservation Act 2 aber fielen bei der Kritik komplett durch. Nicht nur das setzte der Band zu, auch Rays persönliche Probleme in seinem Eheleben wie auch mit Drogen und Depressionen wurden zum Hindernis. 1976 setzten die Kinks allerdings einen Schlussstrich unter die Zeit der opulenten Bühnenshows. Nach dem Album Sleepwalker aus dem Folgejahr war es jedoch vor allem eine Coverversion Van Halens, die der Band neuen Auftrieb verlieh. Ihre Interpretation von You Really Got Me erinnerte viele an die britische Band, deren Einfluss auf die Hard Rock-Szene nicht unterschätzt werden konnte. Eine Ironie der Musikgeschichte: Ohne die Kinks hätte es Van Halen wohl nie gegeben, nun aber wurden sie zum Geburtshelfer von deren drittem Karriereabschnitt.


10 Oasis – The Importance Of Being Idle

1996 bedeutete für britische Musik einen Wasserscheidenmoment und das nicht nur, weil in diesem Jahr nach über dreißig Jahren die Kinks das Handtuch warfen. Während die Rave-Epidemie in Großbritannien langsam abebbte, schwang sich der Britpop-Hype zu nie gekannten Höhen herauf. Die wohl größte Band dieser Ära waren – sorry, Blur! – wohl Oasis. Auch bei ihnen stand ein Brüderpaar im Kern der Gruppe, das auf allen Ebenen Ray und Dave Davies das Wasser reichen konnte. Und sei es nur in Sachen Streitlustigkeit… Dave zumindest gab in einem Interview zu verstehen, dass ihn die Gallaghers an ihn und seinen Bruder erinnerten.

In gewohnt großkotz-, äh, selbstbewusster Manier bezeichnete Noel wiederum die Kinks sogar als die fünftbeste Band aller Zeiten. Noch 2005 gestand er, dass für den Oasis-Song The Importance Of Being Idle unter anderem zwei Kinks-Stücke Pate standen, Sunny Afternoon und Dead End Street. À propos Patenschaft: „Es ehrt mich ja, das alles inspiriert zu haben, aber ich bin nicht der Pate dieses Sounds“, gab Ray 2015 gegenüber dem britischen Guardian über den Britpop-Hype der Neunziger zu Protokoll. „E her eine Art besorgter Onkel.“ Ist das nun reine Bescheidenheit – oder wollte sich der Kinks-Mastermind von seinem Erbe distanzieren? So oder so, der Einfluss der nicht immer kommerziell erfolgreichen Band kann und darf nicht unterschätzt werden.


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Zeitsprung: Am 26.9.2005 starten Volbeat mit „The Strength / The Sound / The Songs“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.9.2005.

 

von Christof Leim

Es dauert ein bisschen, bis die Welt etwas mit dem neuen Sound anfangen kann, aber irgendwann knallt’s: Mit ihrer eigenständigen Melange aus Metal, Elvis und Groove-Riffs treffen Volbeat am 26. September 2005 auf ihrem Debüt The Strength / The Sound / The Songs einen Nerv…

Hier könnt ihr das Volbeat-Debüt hören:

2001 hat der Frontmann der dänischen Death-Metal-Combo Dominus die Nase voll vom Todesgeprügel und will mehr Rock’n’Roll in seinen Metal bringen. Also gründet Michael Poulsen eine Band, die er nach dem dritten Dominus-Album Vol.Beat von 1997 benennt, auf dem der große Elvis-Fan bereits zaghafte Fifties-Einflüsse untergepflügt hatte: Volbeat sind geboren. (In der Videospielserie Pokémon gibt es ein Wesen gleichen Namens, aber wir dürfen davon ausgehen, dass das so gar nichts mit den Rockern zu tun hat.)

Die eigene Kante zählt

Die ersten Aufnahmen interessieren kaum jemanden, das zweite Demo Beat The Meat verkauft sich dann aber schon vierstellig und wird in den Magazinen Metal Hammer und Heavy oder was!? zum „Demo des Monats“ gekürt. Die großen Plattenfirmen reißen sich jedoch noch nicht um die Kapelle, Volbeat kommen schließlich bei Mascot Records aus den Niederlanden unter, die eigens das Sublabel Rebel Monster gründen – weil, so heißt es, Volbeat nicht so recht zum Rest des Portfolios passen.

Die Rückseite des Albums: So viel freie Haut gibt es auf Poulsens Arme heute nicht mehr.

Und genau liegt der Gag des Quartetts aus Dänemark: Volbeat haben einen eigenen Sound. Die Mischung aus Metal mit Rock’n’Roll und ziemlich speziellem Gesang zwischen Mina Caputo und James Hetfield klingt ungewohnt, aber dafür eigenständig. Das hat was. Die Musik klingt fett, dröhnt tief und fährt einen guten Groove auf. Das erinnert nicht selten an die frühen Life Of Agony mit mehr Black Sabbath als Hardcore. Vor allem aber die Stimme, die Gesangslinien und die vokale Rhythmik von Michael Poulsen geben dem Ganzen einen eigenen Charakter – und der ist in einem stilistisch stagnierenden Genre Gold wert.

Viel Elvis

Das Debütalbum entsteht im Sommer 2004 in anderthalb Wochen in den Hansen Studios im dänischen Ribe unter der Aufsicht von Jacob Hansen, der zum Stammproduzent der Band werden wird. Zur Mannschaft gehören damals neben Gitarrist, Sänger und Hauptsongwriter Poulsen noch die beiden Ex-Dominus-Mitstreiter Bassist Anders Kjølholm und Gitarrist Franz „Hellboss“ Gottschalk sowie (bis heute) Schlagzeuger Jon Larsen. Ein doch ungewohnt aussehendes Bandfoto von damals findet sich hier.

Die Scheibe trägt den unhandlichen, aber eigenständigen Titel The Strength / The Sound / The Songs und bietet ein paar frühe Bandschätzchen, etwa Pool Of Booze Booze Booza, das sich heute noch auf vielen Volbeat-Setlisten findet, daneben Caroline Leaving und Soulweeper. In Caroline #1 zitiert Poulsen ausschließlich Elvis-Presley-Songtitel, zum Cover des Dusty-Springfield-Klopfers I Only Wanna Be With You dreht die Combo ein Video. Auch die Grundlage für eine Fortsetzungsgeschichte findet sich hier: Fire Song und   Danny & Lucy (11pm) stellen ein Liebespaar vor, dessen Schicksal auf späteren Alben weitererzählt wird.

Durchmarsch

Damit treffen Volbeat einen Nerv: Die Platte klettert auf Platz 18 der dänischen Charts, was damals kaum eine einheimische Krachkapelle schafft. Bei den Danish Metal Awards wird das Album als bestes Debüt 2005 ausgezeichnet, das deutsche Rock Hard zückt die Höchstnote 10 von 10. Nur folgerichtig spielt die Band im folgenden Sommer am 4. Juni 2006 auf dem Rock Hard Festival ihr erstes Deutschlandkonzert. Die erste Clubshow passiert am 1. September im Headbanger’s Ballroom in Hamburg. 

Fortan gastieren Volbeat oft hierzulande und spielen sich generell den Arsch ab. Da werden ganz klassisch Tausende Kilometer im Van geschrubbt, dass es nur so eine Art hat. Das scheint sich rumzusprechen, denn der Name des Quartetts taucht immer öfter auf, eine Fanbase bildet sich, die zweite Scheibe Rock The Rebel / Metal The Devil erscheint 2007, und von da an geht es ab: Platz eins in Dänemark, Shows in ganz Europa, zwei Platten später springt auch Nordamerika auf die Truppe an. Heute gehören Volbeat weltweit zu den großen Rockbands. Mit The Strength / The Sound / The Songs fing der Spaß an.

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Popkultur

„Electric Warrior“ von T. Rex: Das erste Glamrock-Album in der Rückschau

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Marc Bolan HEADER
Foto: United Archives /Getty Images

„Glamrock starts here“ — So oder so ähnlich könnte sich ein Aufkleber auf dem fünften T. Rex-Album Electric Warrior lesen. Damals wagten Marc Bolan und seine Band einen Neuanfang und revolutionierten den Rock. Vor allem ein Song verhalf der Gruppe zu weltweitem Erfolg — auch jenseits des großen Teichs.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Electric Warrior von T. Rex anhören:

Jedes Genre hat seine Türöffner, seine Meilensteine, seine großen, großen Platten. Im Eingangsbereich der Glamrock-Ruhmeshalle prangt vor allem ein Album: Electric Warrior von T. Rex. Hieß die Gruppe von 1968 bis 1970 noch Tyrannosaurus Rex und bewegte sich vor allem im Folk, krempelte Bandleader Marc Bolan sein Baby zu Beginn der Siebziger um, änderte den Namen in T. Rex und schlug rockigere, elektrisch verstärkte Wege ein. Die Herr der Ringe-beeinflussten Schmusetöne gehörten fortan der Vergangenheit an. Besonders sichtbar wurde das bei einem Fernsehauftritt, der auch als Startschuss des Glamrock bezeichnet wird.

Electric Warrior: Das prägende Werk des Glamrock

Selten lässt sich die Grundsteinlegung einer Musikrichtung auf nur einen Moment reduzieren. Das funktioniert auch im Glamrock nicht, doch wer den Top Of The Pops-Auftritt von Marc Bolan und T. Rex am 25. März 1971 als ersten Glamrock-Gig aller Zeiten bezeichnet, liegt damit schonmal nicht daneben. So tritt Bolan an jenem Abend in einem schimmernden Satin-Anzug vor das Publikum und hat sich unter einem Auge mit goldfarbenem Glitter verhübscht. Das hatte sich vorher noch niemand getraut, noch nicht einmal Bowie. Mit dem Auftritt weist Bolan einer Jugend den Weg, die Geschlechterklischees für antiquiert hält. Wenig später legt er das passende Album nach.

Schon die ersten Töne von Electric Warrior verdeutlichen: Im Hause T. Rex weht jetzt ein anderer Wind. In Mambo Sun singt Bolan auf seine einzigartige Weise über ein lockeres E-Gitarrenriff, vielleicht, um seine Hörerschaft langsam an den neuen Stil heranzuführen. Anschließend folgt die Ballade Cosmic Dancer, einer der schönsten Songs der Rockgeschichte. Auf’s Gaspedal tritt Bolan erst danach, und zwar mit Jeepster. So klingen T. Rex nun: rockig, exzentrisch, poppig. Doch das war noch längst nicht alles. Den großartigsten Song von Electric Warrior hatten T. Rex bereits als Vorab-Single veröffentlicht. Mit Get It On soll die Gruppe ihren mit Abstand größten Erfolg feiern.

Get It On: Der Erfolgskatalysator für Electric Warrior

„Get it on / Bang a gong / Get it on“ — eine Textzeile, große Wirkung. Nicht nur, dass Electric Warrior durch Get It On auf Nummer eins der britischen Albumcharts landet und zum meistverkauften Album des Jahres 1971 wird. Nein, mit dem Song landen Marc Bolan und T. Rex auch ihren einzigen Hit in Nordamerika. Die Nummer steigt nämlich in die Top Ten der US-Singlecharts ein, was den Briten nachher nie wieder gelingt. Der Erfolg in den Staaten passt, denn auch einige Ideen für Get It On entstehen in den USA. Als T. Rex im März 1971 in New York City gastieren, bittet Bolan den Schlagzeuger Bill Legend um ein wenig Hilfe bei einer neuen Komposition: der Urfassung von Get It On.

Schon als Electric Warrior am 24. September 1971 erscheint, lösen T. Rex damit Begeisterungsstürme aus. Doch auch im Nachgang können die Briten um Bolan mit ihrem fünften Album überzeugen. Bis heute gilt die Platte als Meilenstein des Glamrock, wenn nicht als allererste Platte des Genres. Einen weiteren Mega-Erfolg landen T. Rex 1972 mit ihrer sechsten Veröffentlichung The Slider; 1973 folgt Tanx. Es ist die Phase, in der Marc Bolan die Welt gehört. Ab 1974 verliert er an Relevanz und rückt in den Hintergrund. 1977 stirbt er bei einem tragischen Autounfall. In unseren Herzen wird der „Electric Warrior“ ewig weiterleben.

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Ein Fall von der Bühne, eine meckernde Mutter und ein verliehener Rolls-Royce: 5 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Marc Bolan stammen können

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Zeitsprung: Am 25.9.1965 bekommen die Beatles ihre eigene Zeichentrickserie.

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Foto: Mark And Colleen Hayward/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.9.1965.

von Timon Menge und Christof Leim

Mitte der Sechziger gehört den Beatles bereits die Welt. Überall verkaufen John, Paul, George und Ringo Platten ohne Ende, deshalb soll der sagenhafte Erfolg der „Fab Four“ auch auf das Fernsehen ausgeweitet werden. Am 25. September 1965 flimmert zum ersten Mal die Cartoon-Serie The Beatles über die Mattscheiben.

Hier könnt ihr euch die bekanntesten Songs der Beatles anhören:

Wenn man sich die Beatles als Zeichentrickfiguren vorstellt, denkt man vor allem an den legendären Kinostreifen Yellow Submarine. Drei Jahre zuvor läuft allerdings bereits The Beatles an; ein Cartoon im Samstagmorgenprogramm des US-Fernsehsenders ABC. Wenig überraschend: Die Serie fährt aus dem Stand sagenhafte Erfolge ein.

Die Musiker zeigen wenig Begeisterung

Hierbei erleben die gezeichneten Versionen von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr frei erfundene, 30-minütige Abenteuer, die mit der Musik der vier Briten untermalt werden. Die Synchronstimmen stammen nicht etwa von der Band selbst, sondern von Paul Frees (John Lennon, George Harrison) und Lance Percival (Paul McCartney, Ringo Starr). 

39 Episoden werden von 1965 bis 1967 gesendet. Zum ersten Mal handeln Zeichentrickfilmchen von Menschen, die tatsächlich existieren. Das Buch Beatletoons: The Real Story Behind The Cartoon Beatles analysiert die Serie; hier wird erzählt, dass die „Fab Four“ ihre animierten Alter Egos zu Beginn schrecklich finden, sich über die Jahre aber damit anfreunden. „Ich habe immer noch großen Spaß daran, mir die Beatles-Cartoons anzuschauen“, beichtet John Lennon 1972.

„So dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren.“

1980 und 1987 läuft The Beatles (der Cartoon) noch einmal auf MTV, später strahlt der Disney Channel die Serie ein weiteres Mal aus. „Ich mochte die Cartoons irgendwie“, sagt George Harrison 1999. „Die waren so dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren, wenn Sie wissen, was ich meine. Und ich glaube, dass die Serie mit dem Alter besser geworden ist.“

Die Produktion der Reihe hatte neben einem Herren namens Al Brodax auch ein gewisser George Dunning übernommen. Und den kennen wir doch von irgendwoher? Genau. Drei Jahre später fungiert er als Regisseur und Produzent für Yellow Submarine. Al Brodax gehört hier ebenfalls wieder zum Team, diesmal als Drehbuchautor. Doch diese Geschichte erzählen wir in einem anderen Zeitsprung.

Zeitsprung: Am 11.9.1971 bekommen die Jackson 5 ihre eigene Zeichentrick-TV-Show.

 

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