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Popkultur

Die weiblichen Beatles – warum heute niemand die Liverbirds kennt

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Ganz wie die „Fab Four“: Die Liverbirds 1963 vor dem Hamburger Star-Club. Foto: unter Zint/K & K Ulf Kruger OHG/Redferns/Getty Images

Klingt beinahe wie im Film, was die Liverbirds in den Sechzigern erleben: Als eine der ersten weiblichen Rockbands tourt das Quartett mit den Kinks, dreht Joints für Hendrix und quartiert sich im Hamburger Star-Club ein. Der wahre Durchbruch gelingt den „weiblichen Beatles“ jedoch nie. Schauen wir uns die bewegte Geschichte der Ladies an.

von Victoria Schaffrath

Hört euch hier das in Hamburg entstandene Album Show 4 an:

Dass eine Karriere als reine Girlband nicht gerade ein Durchmarsch wird, konnten sich Valerie Gell, Pamela Birch, Mary McGlory und Sylvia Saunders 1963 vermutlich denken. Mit McGlory am Bass, Saunders an den Trommeln und Gell sowie Birch an Mikrofon und Gitarre nimmt man sich vor, die Merseyside aufzumischen – das ist genau das Gebiet um Liverpool, dass bereits mit dem Merseybeat und natürlich seinem Exportschlager The Beatles von sich Reden macht.

Liverpooler Girlband: die Liverbirds

Als McGlory im zarten Alter von 16 Jahren die berühmten Söhne der Stadt im Cavern Club spielen sieht, lässt sie sich vom Traum der Musikkarriere nicht mehr abbringen. Dass zu Beginn der Bandgeschichte 50% der Besetzung kein Instrument spielen, lässt sich glücklicherweise durch Gells musikalisches Talent und Wissen ausgleichen. Ausgerechnet John Lennon, dem die jungen Frauen in der lokalen Szene wohl auffallen, entmutigt sie mit den faden Worten: „Mädchen können nicht Gitarre spielen.“ Zum Glück ignoriert die Truppe diesen Quatsch und beweist das Gegenteil, indem sie wenig später Beatles-Manager Brian Epstein an Land zieht.

Nach intensiven Probe-Sessions sind die jungen Damen bereit für Konzerte. Quer durch England spielt man sich, steht dabei mit den Kinks und den Rolling Stones auf der Bühne. Gute Ratschläge liefern die „Fab Four“ vielleicht nicht, ihr Aufenthalt im deutschen Norden bringt unsere Protagonistinnen jedoch zum Nachdenken. Die Liverbirds, deren Name übrigens auf dem Liverpooler Stadt-Maskottchen beruht, überlegen sich also, dass sie ihre Sporen ebenfalls im Star-Club in Hamburg verdienen wollen. Als Epstein den „Birds“ den sprichwörtlichen Vogel zeigt, feuern sie ihn kurzerhand.

Joints für Hendrix, Rausschmiss für Epstein

In Hamburg laufen die Britinnen dann zur Höchstform auf, spielen im deutschen Fernsehen ihren Track Peanut Butter, der – wie die meisten ihrer Songs – ein Cover ist,  und erobern von dort aus ganz Europa. Auf dem Festland zeigt man sich durchaus angetan von der Gruppierung. Sogar Jimi Hendrix hat schon von ihnen gehört, und bei einer Show in Hamburg fragt er speziell nach McGlory: „Seid ihr die Liverbirds, und bist du Mary? Auf dich habe ich gewartet. Ich habe gehört, dass du die besten Joints von ganz Hamburg drehst.“

Dann erscheint der lang erwartete Durchbruch am Horizont: Nach dem Auftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show bricht die „British Invasion“ über Amerika herein. Auch die Liverbirds bekommen ein Angebot, das jedoch an eine unfassbare Bedingung geknüpft ist. Sie sollen in Las Vegas spielen – und das „oben ohne“. Die Gruppe lehnt entschieden ab.

Dreiste Bedingung für den Durchbruch

So bleibt man zunächst in Hamburg und begnügt sich mit moderatem Erfolg auf europäischem Boden, schafft es mit der Bo Diddley-Nummer Diddley Daddy gar um 1965 auf Platz fünf der deutschen Charts. Birch putscht sich da allerdings schon mit Tabletten auf, und man ahnt, dass die sorglose Zeit nicht ewig währen soll. Als Saunders schwanger wird und medizinische Komplikationen erlebt, quittiert sie den Dienst am Schlagzeug. Gell verliebt sich während einer Show in München in einen Fan, der sich wenig später nach Hamburg begibt, um ihr einen Antrag zu machen. Während der Autofahrt dorthin verunfallt er schwer und lebt fortan mit einer Querschnittslähmung. Die Hochzeit findet dennoch statt. Gell verschreibt sich fortan der Betreuung ihres Gatten.

Als dann 1968 eine Japan-Tour ins Haus steht, zeichnet sich das Ende des gemeinsamen Weges ab. Mit Saunders und Gell außer Gefecht reisen nur McGlory und Birch mit zwei deutschen Kolleginnen in den Fernen Osten. Trotz der positiven Bilanz der Tournee entscheiden die beiden übergebliebenen „Birds“, dass die Bandgeschichte hier enden soll. 1998 gibt es eine kurzzeitige Reunion.

Ihrer Zeit voraus: McGlory, Saunders, Gell & Birch

Birch verkraftet das Ende der Gruppe nur schwerlich, wendet sich immer mehr den Drogen zu. 2009 verliert sie den Kampf gegen den Lungenkrebs. Gell flüchtet sich nach den Liverbirds wiederum in den Alkohol, da sich der Zustand ihres Mannes immer weiter verschlechtert. Nach dessen Tod findet sie in Hamburg erneutes Liebesglück mit einer Frau, bis sie 2016 verstirbt.

Saunders lässt sich nach ihrem Ausstieg mit ihrem Mann in Spanien nieder, während McGlory den deutschen Frank Dostal heiratet und mit ihm den noch heute operierenden Hamburger Musikverlag Ja/Nein gründet. Für beide bleibt die Band-Zeit die glücklichste ihres Lebens: Für eine Dokumentation der New York Times beschreiben sie 2019, wie sich der Mädelstrupp ab von der damaligen Norm als weibliche Rockband etabliert. Ihrem männlichen Äquivalent schlagen sie im selben Jahr ein Schnippchen: Ein Musical über ihre Geschichte nennen sie schlicht Girls Don’t Play Guitars.

Magische Orte: Cavern Club – die Wiege der Beatles

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