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Popkultur

Zeitsprung: Am 12.10.1979 veröffentlichen Fleetwood Mac „Tusk“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 12.10.1979.


von Peter Hesse und Christof Leim

Nach Rumours sind Fleetwood Mac eine große Nummer: Doch anstatt einfach mehr tollen Soft-Rock rauszuhauen und auf einer Welle aus Platinalben in die Zukunft zu reiten, schlägt die Band einen riesigen Haken: Das Doppelalbum Tusk erweist sich im Oktober 1979 als unerwartet experimentell und wird trotz Millionenverkäufen als Flop angesehen. Wie das passieren kann, erzählen wir euch im heutigen Zeitsprung

Hier könnt ihr das Album anhören:

Der Megaerfolg aus dem Jahr 1977 hatte der Band viel Geld auf dem Konto beschert. Die neue Platte soll ein Doppelalbum werden, was ihnen nicht mal die Plattenfirma ausreden kann. Um in Ruhe daran arbeiten zu können, lässt die Band erstmal ihr eigenes Studio D im Village Recorder-Komplex in Los Angeles einrichten. Damals entwickelt sich vor allem Gitarrist und Sänger Lindsey Buckingham zum kreativen Anführer. Die Trennung von Stevie Nicks hängt ihm noch nach, also stürzt er sich mit vollem Körpereinsatz in die Arbeit und entwirft auf einem manischen Trip neue Songs. Er will auf jeden Fall die einfache Wiederholung eines Erfolgskonzeptes vermeiden und lehnt ein Rumours, Part II ab. Zeitgleich entdeckt er seine Begeisterung für Post Punk: Buckingham hört Alben von den Talking Heads, The Clash und Public Image Ltd. und versucht, das Avantgardistische der New-Wave-Schrägfürsten zu imitieren. So spielt er an der Bandmaschine mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten herum, nimmt den kalten Hall seines Badezimmers auf oder experimentiert mit Beats, die er auf Kleenex-Pappschachteln trommelt. 

1979 sind Fleetwood Mac sehr reich und ein bisschen verwirrt: McVie, McVie, Buckingham, Fleetwood, Nicks.

Denken Sie groß!

Da sich die anderen Mitglieder anderweitig amüsieren – Sängerin Christine McVie turtelt eine zeitlang mit Beach Boy Dennis Wilson, ihr Ex-Mann, Bassist John McVie, zieht sich auf seine Yacht zurück – wütet Buckingham mit fast schon pathologischem Eifer an diversen Songideen herum. Er schläft kaum, nimmt zu viele Drogen und verwechselt den Tag mit der Nacht. Über ein Jahr dauert diese Experimentierphase im Studio, am Ende kosten die Aufnahmen über eine Million Dollar – damals eine Rekordsumme für ein Rockalbum. 

Eine nicht unerhebliche Summe des Budgets wird in den Titeltrack Tusk gesteckt. Mit einem folkloristischen Beat-Galopp als Grundgerüst werden hier viele Stimmungen addiert, die zusammen klingen, als hätten die Talking Heads mit Pink Floyd unter Drogeneinfluss gejammt. Ein weiteren Mittelpunkt dieses Songs bildet ein Bläsersatz, der von der 112-köpfigen USC Trojan Marching Band im Stadion der L.A. Dodgers aufgenommen wird. Denken Sie groß? Aber sicher! Immerhin hat die Band Glück, dass sich der Song später auf beiden Seiten des Atlantiks zu einem Hit entwickelt. 

Frisierte Bilanzen

Das Doppelalbum erscheint am 12. Oktober 1979, die ambitionierte Menge an 20 Songs klingt an vielen Stellen wie ein heterogener Mix aus zu vielen Stilen. Von Stevie Nicks kommen folkloristische Softrock-Ohrwürmer wie Sara und Sisters Of The Moon, die im Gesamtgefüge für Leichtigkeit sorgen. Christine McVie bietet mit Over And Over einen melancholischen Zwischenton, ansonsten finden sich viele Experimente von Soft Rock über Psychedelia bis zu New Wave. Auf John McVie wird das wie „die Arbeit von drei Solokünstlern“, während Mick Fleetwood die Platte für ihre Gegensätze von Süße und Verrücktheiten lobt: „Das macht uns zu Fleetwood Mac.“

Sechs Singles werden ausgekoppelt und kommen gut an, mehrere Monate tummelt sich die Platte in den Charts (Platz vier in den USA, Rang drei in Deutschland, ganz vorne in Großbritannien) und verkauft sich in der ersten Zeit schon vier Millionen Mal. Das klingt mehr als respektabel, doch allgemein wird Tusk zunächst als kommerzieller Fehlschlag angesehen. Das liegt natürlich am Vergleich mit dem wahnwitzig erfolgreichen Vorgänger Rumours, einem der bestverkauften Alben der Welt, aber auch an den aus dem Ruder gelaufenen Studiokosten. Deshalb muss die Bilanzabteilung der Plattenfirma die Zahlen schön rechnen, die Chefs sprechen von einem Flop.

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Späte Wertschätzung

Doch mit der Zeit ändert sich die allgemeine Einschätzung: Die absoluten Zahlen kann man kaum als mickrig empfinden, und auch viele der zunächst verwunderten Fans finden ihren Zugang. Tusk gilt heute als eines der „interessanten“ und künstlerisch aufwändigen Alben im Mac-Katalog, das eben durch seine Schrägheiten durchaus Einfluss nimmt auf andere Musikerinnen und Musiker. Auch Lindsay Buckingham erklärt 2011 in einem Interview mit City Pages, dass Tusk die wichtigste Platte seines Lebens sei.

 

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