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Popkultur

„Hounds Of Love“: Vor 35 Jahren erfindet Kate Bush die Popmusik neu

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Kate Bush
Kate Bush 1978. Foto: Koh Hasebe/Shinko Music/Getty Images

Sie bringt sich selbst das Klavierspielen bei, trifft früh ihre eigenen Entscheidungen und setzt sich als junge Frau gegen eine Männerwelt durch: Kate Bush ist die große Revolutionärin der Musik. Vor 35 Jahren erscheint ihr fünftes Album Hounds Of Love. Und krempelt die Popmusik einfach mal auf links.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Hounds Of Love hören:

Ganz gleich, ob Lady Gaga, Madonna oder Björk: Alle verdanken ihren Ruhm zu einem großen Teil Kate Bush. Einer Künstlerin, ebenso genial wie entschlossen, die schon in den späten Siebzigern die Blaupause für Frauen in der Musikindustrie liefert. Mit gerade mal 19 Jahren veröffentlicht die Engländerin ihr Debüt The Kick Inside, das sich allein in Großbritannien über eine Million Mal verkauft. Ihre Musik klingt, als würde man etwas das erste Mal erleben. Sie ist märchenhaft, voller Fantasie, unschuldig ohne naiv zu sein – die logische Folge ihres Aufwachsens in der ländlichen Farm-Idylle Englands.

Architektin ihres eigenen Schicksals

Bemerkenswert an The Kick Inside ist nicht nur ihre unvergleichlich hohe, jenseitige Stimme, die klingt wie ein Zauber. Bemerkenswert ist vor allem, dass ihr Debüt ausschließlich aus Songs besteht, die Bush selbst komponiert hat, manche davon mit 13 Jahren. Und dass sie gegen einen Raum voller Männer durchsetzt, dass Wuthering Heights die erste Single daraus wird. Leider ist so etwas bis heute eine Ausnahmeerscheinung. Und ist auch damals nicht leicht für die junge Kate Bush. Magazine reduzieren sie auf ihren Körper, sie hat schon so früh in der Karriere das Gefühl, beweisen zu müssen, dass in diesem Körper auch eine Künstlerin wohnt.

Sie nimmt die Sache also selbst in die Hand, gründet ihren eigenen Musikverlag und fängt nach einem sehr ergiebigen Austausch mit Peter Gabriel und ein wenig Starthilfe von ihrem Bewunderer David Gilmour sehr bald an, ihre Alben selbst zu produzieren. Sie erforscht neue Klänge, studiert die Musikkulturen der Welt, saugt auf, bildet sich weiter. Auf The Dreamning von 1982 führt das noch zu einem absichtlich unzugänglichen, experimentellen Genre-Mischmasch, der aufräumen soll mit ihrem Popstar-Image. Klappt ganz gut, das Album verkauft sich vergleichsweise mies. Kate Bush, die „Zauberin des Klangs“, wie man sie nennt, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil: Alles läuft nach Plan für sie. Sie kann ein wenig untertauchen, durchatmen, von der Bildfläche verschwinden. Um ihren größten Coup in aller Ruhe auszutüfteln. Und ganz nebenbei Björk oder Tori Amos ihren zukünftigen Weg aufzuzeigen.

Die Neuerfindung der Popmusik

Sie baut sich ihr eigenes Studio auf dem Feld hinter ihrem Elternhaus und schlägt ein neues Kapitel auf. 1985 wandelt sie die vollkommene Freiheit und uneingeschränkte Kontrolle über ihr künstlerisches Schaffen dann in ihre stärkste Waffe um – und erfindet mit ihrem fünften Album Hounds Of Love mal so eben die Popmusik neu.

Die besteht 1985 aus Madonna, Tina Turner, Phil Collins und a-ha. Mit anderen Worten: Sie ist oftmals generisch, folgt einer gefestigten Formel. Eine Kate Bush mit ihrem progressiven Ansatz, ihren Liebeleien mit Art-Pop, Prog Rock und experimenteller Synthiemusik passt da überhaupt nichts in das Bild, das in den Charts vorherrscht. Für eine wie sie ist das kein Grund zur Entmutigung, sondern vielmehr ein Ansporn. Sie konzipiert das Album als zweiteiliges Werk. Seite A, Hounds Of Love, enthält fünf Songs, die ihrer Vorstellung des perfekten Pop-Songs gerecht werden: Luftige, bittersüße, feinsinnig arrangierte Stücke voller Tiefe, Gefühl und Sehnsucht. Der Opener Running Of That Hill (A Deal With God) verzaubert bis heute, der Titeltrack dient Pop-Künstlerinnen wie Lorde bis heute als Ankerpunkt in Sachen Dramatik und Flow, The Big Sky steht für das allumfassende Musikverständnis dieser Künstlerin. Eindrucksvoll: Vier der fünf Lieder der A-Seite werden Chart-Hits.

Seite B schreibt dann die Popgeschichte neu. Anstatt einfach nur weiter Pop-Song an Pop-Song zu reihen überrascht sie mit der 7-Song-Suite The Ninth Wave, einem epischen, in Musik gefassten Gedicht über einen Menschen allein des Nachts auf hoher See, das den großen Lord Tennyson referenziert und eine monumentale Geschichte von Sterben und Wiedergeburt erzählt. Kate Bush nutzt alle Ressourcen, um dieses Epos zum Leben zu erwecken: Andersweltliche Harmonien, klassische Musik, progressiver Rock, Gospel, warme Melodien und eiskalte Wendungen. Eine Odyssee des Staunens und der Wunder, von stiller Kraft und zerbrechlicher Schönheit.

 Weibliche Stimme in einer Männerwelt

Und nicht nur das: Kate Bush stellt sicher, dass Hounds Of Love als explizit feminines Prog-Pop-Album rezipiert wird. Sie erzählt Geschichten aus dezidiert weiblicher Sicht, was man aus der progressiven Musik nun so gar nicht kannte. Selbst ihre Pop-Songs künden von female empowerment und weiblicher Selbstbestimmung, weil ihr eben kein männlicher Produzent angeblich weibliche Lyrics in den Mund gelegt hat. Mehr denn je macht Kate Bush mit diesem Album klar, dass sie nicht mitspielt. Dass sie keine Schachfigur in dieser Männerdomäne Popmusik ist. Der Erfolg dürfte ihr durchaus Genugtuung gebracht haben: Houds Of Love stößt in Großbritannien sogar Madonnas Like A Virgin vom Thron . Die Künstlerin also, die von Kate Bush gelernt hat, was es bedeutet, wirklich frei und selbstbestimmt zu sein. Sogar eine Madonna dürfte verschmerzt haben, von ihrer Wegbereiterin geschlagen zu werden.

Und Kate Bush? Nimmt sich einfach mal vier Jahre Zeit bis zu ihrem nächsten Studioalbum The Sensual World. Auf dem vertont sie Ulysses von James Joyce und singt davon, die ganze Nacht mit einem charmanten Fremden zu tanzen, der sich am nächsten Morgen als Adolf Hitler herausstellt. So etwas kann eben nur eine Kate Bush bringen.

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