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Popkultur

Zeitsprung: Am 10.9.1950 kommt Aerosmith-Gitarrist Joe Perry auf die Welt.

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Joe Perry und seine Talkbox, 1976 - Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 10.9.1950.

 

von Frank Thießies und Christof Leim

Als Gitarrist der Hard-Rock-Helden Aerosmith und „toxischer Zwillingsbruder“ von Sänger Steven Tyler gilt Joe Perry seit den Siebzigern als Sinnbild des Lebensstils von „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ und selbst mit einem gesunderen Lebensstil noch eine ziemlich coole Sau. Wir feiern den Geburtstag des am 10. September 1950 zur Welt gekommenen Gitarrenhelden.

Hier könnt ihr euch das Debüt des Joe-Perry-Projects anhören:

Hey Joe

Perry, der bürgerlich auf den Namen Anthony Joseph Pereira hört, wird am 10. September 1950 in Lawrence, Massachusetts geboren. Als kleiner Junge interessiert sich der künftige Rockstar zunächst noch für Meeresbiologie, doch sein Notenspiegel macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Also schicken ihn seine Eltern ihn kurzerhand auf eine Privatschule. Der gewünschte Lerneffekt stellt sich bei ihrem Sprössling dann auch ein, allerdings eher in Bezug auf die Pop- und Gegenkultur der amerikanischen Sechziger, die ihm dort vermittelt wird. 

Ein Erweckungserlebnis, stellt für Perry wie für so viele andere seiner Generation der Fernsehauftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show dar. Für den gebürtigen Linkshänder, der im Alter von zehn Jahren auf regulären Rechtshänder-Klampfen mit dem Gitarrenspiel begonnen hat, steht die Welt plötzlich Kopf. Die Entdeckung von Jimi Hendrix, The Who, den Kinks und den Yardbirds sowie in diesem Zuge auch seiner gitarristischen Vorbilder Jimmy Page, Jeff Beck und Peter Green (Fleetwood Mac) lassen den jungen Joe die Meeresbiologie jedenfalls komplett vergessen und sich voll und ganz auf eine Musikerkarriere konzentrieren.

Höhenflüge und Abstürze

Zusammen mit Bassist Tom Hamilton, den er von einem früheren Projekt kennt, dem Sänger Steven Tyler, dem Gitarristen Brad Whitford sowie Schlagzeuger Joey Kramer gründet Perry in Boston 1970 schließlich die Band Aerosmith. Deren Debütalbum erscheint 1973 und legt bereits den Grundstein für zwei Spezialgebiete der Band: Bluesige Hard Rocker wie (das später noch von Guns N‘ Roses gecoverte) Mama Kin und epische Balladen wie Dream On

„Schon bei unserem ersten Album war uns klar, dass eine Band wie wir Balladen braucht, um im Radio zu landen“, erklärt Perry im Gespräch vor einigen Jahren. „Das war damals schon so. Wir wussten, dass Train Kept A-Rollin’ oder Mama Kin keine Hits im kommerziellen Sinne werden würden. Bei Dream On standen die Chancen schon anders. Insofern sind wir mit Balladen im Reinen.“

Alben wie Toys In The Attic oder Rocks (die Platte, die Guns-N‘-Roses-Gitarrist Slash zum ausgemachten Aerosmith-Anhänger macht) zementieren in den Mittsiebzigern den Erfolg der Gruppe. Die Band, die nicht zuletzt wegen ihres prägnanten Sänger-Gitarristen-Gespanns als amerikanische Ausgabe der Rolling Stones gilt, schafft es, eine treue, primär Denim-tragende Gefolgschaft (genannt die Blue Army) hinter sich zu vereinen. Zugleich sind Perry und Tyler keine Kinder von Traurigkeit und lassen keinen (Drogen-)Exzess aus, was auch zu stetigen Spannungen zwischen den beiden führt. Ende der Siebziger ist in der Beziehung Tyler/Perry schließlich die Luft raus, und der Klampfer packt inmitten der Aufnahmen zum Album Night In The Ruts seine Gitarrenkoffer. Mit neuen Mitstreitern ruft er das Joe Perry Project ins Leben, dessen 1980er-Debüt, Let The Music Do The Talking, noch respektable 250.000 Platten verkauft, aber weit weniger als das Mutterschiff. Im Folgenden erweisen sich jedoch weder die Aerosmith-Alben ohne Perry noch die Perry-Alben ohne Aerosmith als (kommerziell) wirklich überzeugend. 

Statussicherung

Im Februar 1984 versöhnen sich die Streithähne Perry und Tyler (plus dem kurzzeitig ins „Team Perry“ gewechselten Brad Whitford) wieder und setzen mit dem Aerosmith-Album Done With Mirrors (1985) zum Comeback an. Die vollwertige Rückkehr in Spur und Sattel lässt allerdings noch ein weiteres Jahr auf sich warten und verlangt die Mithilfe recht ungleicher Musikerkollegen: Zusammen mit den Rappern von Run DMC reanimieren Aerosmith ihren alten Hit Walk This Way und sind fortan auch bei der Generation MTV in aller Munde.

Clean und mit gleich drei Platinplatten in Folge, nämlich Permanent Vacation (1987), Pump (1989) und Get A Grip (1993), sichern sich „Bostons böse Buben“ – wie die Band gern neckisch genannt wird – ihren Status als lebende Rock-Legenden für die Achtziger. Zudem prägen sie mit einer Balladenserie und den dazugehörigen Videos die Rock- und Clip-Kultur der frühen Neunziger.

Wilde Jahre

„Diese ganze MTV-Ära war eine unglaubliche Phase“, erinnert sich Perry. „Das war die goldene Ära der Musikgeschichte, die Zeit der Hair Bands – genauso wie in diesem Film Rock Of Ages. Selbst die großen Rocksongs dieser Jahre sind ja fast wie Balladen. Alles war groß, pompös und, nun ja, haarig. Die Plattenfirmen schmissen das Geld zum Fenster raus, es war unglaublich. Aber dann kam, was kommen musste, alle wurden immer gieriger und zugleich auch stumpfer und dumpfer, und keiner hat damals kapieren wollen, dass große Veränderungen vor der Tür standen.“ 

Dabei kann weder das Zeitalter der Digitalisierung noch stilistische Trendwenden im Musikbusiness an Aerosmith bis heute anhaltenden Erfolgskurs groß etwas rütteln. Es scheint, als könnten höchstens die immer wieder aufkochenden Scharmützel zwischen Perry und Tyler den (zweiten) Höhenflug der Band torpedieren. Dabei bewegt sicherlich auch die Hassliebe zwischen den beiden Protagonisten Perry immer wieder zu neuen Soloausflügen. Sein letzter datiert mit dem Album Sweetzerland Manifesto auf das Jahr 2018. Parallel zu Aerosmith und seiner Solokarriere schwingt Perry seit einigen Jahren auch beim 2015 ins Leben gerufenen Allstar-Projekt von Alice Cooper, den Hollywood Vampires, an der Seite von Schauspieler Johnny Depp die Gitarre. 

Kein Grund zur Sorge

Dass Joe Perry bereits zweimal, zunächst 2016 mit den Hollywood Vampires und dann bei einem Billy-Joel-Konzert, während einer Liveshow auf der Bühne kollabiert ist, scheint kein Grund für weiterführende Besorgnis zu sein, konnten bei ihm doch bis heute keine wirklich schwerwiegenden Erkrankungen festgestellt werden. Und so wird Perry, den Aerosmith-Bruder Tyler gern liebevoll als den Song Combination vom Rocks-Album charakterisiert, „weil er so verschachtelt, schwierig, komplex und kompliziert ist“, hoffentlich noch lange seinem Sänger für ein Heldensolo auf den Flügel steigen können. 

Zeitsprung: Am 3.10.1978 treten Aerosmith für wegen Kiffens verhaftete Fans ein.

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