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Popkultur

„Junge“: Als sich Die Ärzte zum Glück nicht auflösten

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Die Ärzte
Foto: Lionel FLUSIN/Gamma-Rapho/Getty Images

2006 scheint die Zukunft von Die Ärzte ungewiss. Live treten Bela, Farin und Rod kaum noch auf; Musik erscheint auch keine neue. Doch Ende 2006 kündigen die Berliner ihr elftes Album Jazz ist anders an — und schicken am 14. September 2007 das Musikvideo zur ersten Single Junge vor.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Jazz ist anders von Die Ärzte anhören:

31. Dezember 2006, RheinEnergieStadion in Köln: Mehr als anderthalb Jahre hatten die Ärzte nicht gemeinsam auf der Bühne gestanden, abgesehen von einem Geheim-Gig im Berliner Kult-Club SO36 zwei Tage zuvor. Die Band ist ausgehungert; die Fans sind ausgehungert. All das entlädt sich an Silvester 2006 bei einem mehr als dreistündigen Auftritt unter dem Banner Ärzte statt Böller. Doch das Highlight sparen sich die Berliner ganz bis zum Schluss auf, als das neue Jahr schon begonnen hat. „Farin, ich schenke dir eine neue Ärzte-Platte im Herbst 2007“, verkündet Schlagzeuger Bela B. beinahe beiläufig — und das Stadion bricht in Jubelstürme aus.

Neue Platten hatten die Ärzte auch in den Jahrzehnten davor oft angekündigt. Doch dieses Mal fällt die Bekanntmachung vom elften Ärzte-Album in eine Zeit, in der sich die Öffentlichkeit fragt, ob möglicherweise die Auflösung des Berliner Trios bevorsteht. Zum Glück handelt es sich dabei offensichtlich um Gerüchte, denn tatsächlich bringen Bela, Farin und Rod am 2. November 2007 ihre brandneue Platte Jazz ist anders raus. Darauf bewegen sich die Drei in vielerlei Hinsicht zurück zu ihren Wurzeln. So verzichten sie zum Beispiel auf das Hinzuschalten eines externen Produzenten und nehmen sogar die Bandfotos mit dem Selbstauslöser auf. Hits gibt es natürlich trotzdem. Junge, zum Beispiel.

Junge: Ein Musikvideo mit Gruselpotenzial

Auch wenn Jazz ist anders erst am 5. November 2007 erscheint: Die erste Single Junge schicken Die Ärzte schon einen Monat vorher am 5. Oktober ins Rennen. Die Musikvideopremiere auf MTV geht sogar noch früher über die Bühne, und zwar am 14. September. Aus Jugendschutzgründen muss vor 22 Uhr eine entschärfte Version des Clips gezeigt werden, denn das Video orientiert sich inhaltlich unter anderem an der britischen Zombie-Komödie Shaun Of The Dead. Das heißt: In dem kurzen Filmchen sind jede Menge Gedärme zu sehen. An den entsprechenden Stellen blendet die Band deshalb Hinweise ein wie: „Diese Szene ist unzumutbar. Ich möchte mich dafür entschuldigen!“

Im Song beschäftigen sich Die Ärzte mit dem Verlust, den Eltern zu betrauern haben, wenn sich ihr süßer kleiner Spross als Jugendlicher in einen Punkrock-liebenden Krawallmacher verwandelt. „Und wie du wieder aussiehst, Löcher in der Hose und ständig dieser Lärm“, heißt es im Text, der aus der Perspektive der verständnislosen Erziehungsberechtigten verfasst ist. Später veröffentlichen Die Ärzte das Stück in einer alternativen Fassung, diesmal aus Sohnemanns Sicht: „Eltern, warum habt ihr mich gezeugt? Ich weiß, es waren die 60er, ihr hattet kein Geld für Kondome. Kanntet ihr nicht Coitus interruptus, ihr hättet mich auch an die Wand spritzen können, dann müsst ich hier jetzt nicht so rumsteh’n.“

Alle mögen Junge — sogar Heino

Das kontroverse Musikvideo und der clevere Text katapultieren Junge auf den ersten Platz der Singlecharts und machen bis in die letzte Reihe klar: Die Ärzte sind wieder da. Als einige Wochen später das komplette Album Jazz ist anders erscheint, landet auch der Langspieler auf der der Pole Position. 2013 wird Junge eine zweifelhafte Ehre zuteil, als Schlager-Legende Heino das Stück für sein Cover-Album Mit freundlichen Grüßen einsingt. „Jahrelang hat man mit meiner Person Schabernack getrieben“, erklärt der Schlagersänger im Bild-Interview. „Jetzt zeige ich den jungen Leuten mal, was man aus ihren Liedern machen kann.“ Womit wir wieder beim Text von Junge wären …

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