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Popkultur

Klaatu: Die unglaubliche Geschichte vom Beatles-Comeback, das keines war

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Klaatu Album Cover

Vor 45 Jahren gerät die Musikwelt in helle Aufruhr: Die Beatles, heißt es, würden unter dem mysteriösen Namen  Klaatu ein Comeback feiern! Stimmt am Ende natürlich alles nicht. Oder?

von Björn Springorum

Sommer 1976. Inzwischen hat sich auch der letzte Beatles-Fan damit abgefunden, dass die beste Band der Welt nie wieder zusammenfinden wird. Alle ehemaligen Bandmitglieder haben mittlerweile zahlreiche Soloplatten veröffentlicht, längst scheint Gras über die Sache gewachsen zu sein. Dann, am 11. August 1976, erscheint ein Album namens 3:47 EST von einer mysteriösen Band namens Klaatu. Es kommt ohne Bandfotos oder Credits aus, biografische Infos über die Mitglieder sucht man vergebens. Alle Songs, so steht im Booklet, stammen einfach von Klaatu.

Ein Journalist verbreitet wilde Gerüchte

Soweit, so normal für die zweite Hälfte der Siebziger. Das Album kommt ganz gut an, gefällt mit hübschem psychedelischem Pop und wunderbaren Harmonien, die irgendwie an die beste Band der Welt erinnern. Richtig gut verkauft wird das Album nicht – bis 1977 ein Typ namens Steve Smith im Providence Journal von Rhode Island einen Artikel veröffentlicht. In dem stellt er die unglaubliche These auf, dass wir es bei Klaatu in Wahrheit mit einer geheimen Reunion der Beatles zu tun haben.

Das Gerücht verbreitet sich wie ein Lauffeuer und findet viele Anhänger. Angeheizt werden die Gerüchte nicht nur von der unverkennbaren Ähnlichkeit in Songwriting und Gesangsstil. Nährboden erhält es zudem von der Tatsache, dass 3:47 EST beim Beatles-Label Capitol erschien, dass es keinerlei Fotos gibt und sich die Band fern von jeglichen öffentlichen Auftritten hält. Und dann noch der Name: Klaatu ist das Alien aus dem Film Der Tag, an dem die Erde stillstand. Hatte nicht Ringo Starr mit Goodnight Vienna gerade erst ein Album veröffentlicht, auf dessen Cover er neben ebenjenem Klaatu steht? Außerdem: Am Anfang des ersten Songs Calling Occupants of Interplanetary Craft sind doch eindeutig zirpende Käfer, also Beetles, zu hören. Die Handlung verdichtet sich.

Der verschollene Revolver-Nachfolger

Klar, dass alle darauf anspringen: Magazine, Radiosender und natürlich das Label selbst. Ständig wollen neue Hinweise gefunden werden, bewusst werden missverständliche „Statements“ veröffentlicht, die die ganze Sache noch mysteriöser gestalten. Irgendwann ist die Theorie komplett: Mitte 1966 nahmen die Beatles ein Album auf, das eigentlich der Revolver-Nachfolger werden sollte. Die Bänder verschwanden auf unerklärliche Weise, doch nachdem Paul McCartney bei einem Autounfall ums Leben kam (bis heute die Beatles-Verschwörungstheorie numero uno!) wollte man die Songs nicht neu einspielen. Es dauerte eine Weile, bis sie im Macca-Doppelgänger Billy Shears einen Nachfolger gefunden hatten, daher die lange Pause zwischen Revolver und Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band. Die verlorenen Bänder wurden erst 1975 wiedergefunden und im Jahr darauf zu Ehren von Paul McCartney unter einem anderen Namen veröffentlicht, damit sich die Musik allein ihres Werts wegen verkauft. Wie es sich Paule gewünscht hätte.

Wow. Man misst die Größe einer Band eben doch an den Theorien und Mythen, die sich um sie ranken. Selbst sechs Jahre nach der Auflösung der Beatles wünscht sich die Musikwelt so sehr ein Comeback der Beatles herbei, dass man durchaus versucht ist, das alles zu schlucken. Hauptsache, Paul, John, George und Ringo sind zurück! Irgendwann muss natürlich auch diese wunderbare Theorie fallen: Der notorische Saubermann Dwight Douglas vom Radiosender WWDC in Washington, D.C. möchte sich als großer Aufklärer hervortun, klingelt beim Amt für Patentrecht durch und enthüllt die wahren Namen der Bandmitglieder. Was für ein kolossaler Spielverderber.

Doch nur eine kanadische Band

Am 19. April 1977 kommt sein großer Auftritt: Der San Francisco Examiner spricht von der „Enttarnung der neuen Beatles“ und teilt mit, dass es sich bei Klaatu in Wahrheit um eine 1973 gegründete kanadische Band handelt, in der sich John Woloschuk, Dee Long und Terry Draper austoben. Die konnten all diese wilden Gerüchte und Spekulationen selbst weder glauben noch ernst nehmen, ließen sich den Hype aber natürlich trotzdem gefallen. Was bleibt, ist mit 3:47 EST ein schönes, angenehm zeitloses Album, das den psychedelischen Pop der Beatles mit dem aufkommenden Prog-Rock verbindet. Bis 1981 sollen vier weitere Alben der „kanadischen Beatles“ folgen. Ohne die haarsträubenden Gerüchte. Aber beladen mit jeder Menge guter Musik. Und am Ende des Tages ist das ja eh alles, was zählt.

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