Popkultur
Lemmy-Biopic: Wer soll den ultimativen Rock-Knüppel spielen?
Dunkle Matte, Schnurrbart-Balken und die Kippe im Anschlag: Sich Mister Kilmister vorzustellen, fällt nicht schwer. Entsprechend schwierig dürfte sich also die Wahl des Hauptdarstellers für das kürzlich angekündigte Biopic gestalten. Welcher Schauspieler wohl den rauen Rock-Giganten spielen darf?
von Victoria Schaffrath
Die Nachricht über die Verfilmung von Lemmys Leben konnte nicht mal vollständig abkühlen, schon munkelt man, wer Ian Fraser Kilmister denn nun verkörpern soll. Wandelfähig muss er sein, denn der Brite machte in ca. 50 Jahren Karriere unter anderem Station bei Hendrix, Hawkwind und natürlich bei Motörhead. Doch derjenige sollte auch das intensive Spiel beherrschen, denn jemanden, der wie Lemmy ins Mikro röhrt, kann man schwerlich als ausgeglichen bezeichnen.
Ob rauschende Parties im Whisky a Go Go oder die Folgen eben jener; es muss ein Darsteller mit Kompetenz ran. Im Internet, z.B. bei Loudwire, kursieren erste Favoriten, und bereits 2010 äußerten sich Kollegen wie Henry Rollins, Duff McKagan und Robert Trujillo über mögliche Bewerber. Robert Downey Jr. oder ein junger Clint Eastwood? Wir hätten da noch ein paar Ideen…
Christian Bale
Pro:
Wir müssen uns der Allgemeinheit anschließen, denn wenn sich jemand kopfüber und ohne Rücksicht auf Verluste in die großen Rollen stürzt, dann Christian Bale. Ob als Bruce Wayne in der genialen Batman-Trilogie von Christopher Nolan, als ehemaliger US-Vizepräsident Dick Cheney unter unzähligen Prothesen, als abgemagerter Maschinist oder sozial inkompetenter Hedgefonds-Manager in The Big Short – Bale begeistert stets restlos. Als Waliser dürfte ihm Lemmys Akzent keine größeren Schwierigkeiten bereiten, und die körperliche Transformation hält sich dank der häufig längeren, dunklen Haare und des Vollbarts in Grenzen.
Was spricht dagegen:
Fast nichts. Einzig die nötige Musikalität will sich Bale nicht selbst bescheinigen: „Ich verehre Musikschaffende so sehr und wünschte, ich hätte das Talent, aber ich hab’s einfach nicht.“ Wir zählen da aber auf Bales Verbissenheit, Rollen bis ins Detail darstellen zu können. Das mit dem Schlagzeug in The Big Short klappte ja schon ganz gut.
Norman Reedus
Pro:
Das nötige Fachwissen bringt Reedus definitiv mit. Der The Walking Dead-Mime verehrt die Bass-Maschine so sehr, dass er sich Anfang 2016 in Anwesenheit von Mastodon-Kumpel Brent Hinds als Tribut den Schriftzug „Lemmy“ tätowieren ließ. Das Dauerquarzen müsste er sich für die Rolle nicht erst angewöhnen, und in puncto leicht verschlagener Blick erklären wir zwischen ihm und Kilmister mal zaghaft ein „unentschieden“. Er moderiert zudem seine eigene Motörrad-Show, spielte schon als Aushilfs-Basser bei Anthrax und hängt mit Slayer rum.
Was spricht dagegen:
Eigentlich wenig: Reedus konnte bisher immer mit seiner Arbeit überzeugen, allerdings noch keine nennenswerten Preise einheimsen, sodass sich ein Biopic als gute Gelegenheit erweisen könnte. Wir geben zu, seine Singstimme überzeugt nur bedingt, aber dass es auch mit Playback geht, wissen wir spätestens seit Bohemian Rhapsody.
Daniel Brühl
Pro:
Wenn es einen ernsthaften deutschen Eintrag auf dieser Liste geben sollte, gebührt der Platz wohl Daniel Brühl. Als einer der wenigen „Germans“ dreht er dauerhaft in Hollywood, ob für TV (Die Einkreisung) oder Kino (The First Avenger: Civil War). Die Gesichtszüge kommen schon mal hin.
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Was spricht dagegen:
Deutschsprachige Schauspieler*innen in Rollen mit britischem Akzent? In Hollywood kaum denkbar. Lemmys nordenglischer Singsang zählt zwar sicher nicht zu den feineren Dialekten, das heißt jedoch nicht, dass er leicht zu meistern ist. Brühls musikalische Darbietungen im Film beschränken sich zudem auf Kirchengesang und Playback.
Keanu Reeves
Pro:
Alterslos und in seinen Rollen meist grimmig? Diese Eigenschaften machen Keanu Reeves zu einem interessanten Kandidaten für die verschiedenen Lebensphasen des Ian Fraser Kilmister. Auch das Bassspiel stellt für „Neo“ kein Neuland dar, gehörte er doch unter anderem in den Neunzigern zur Alternative-Kombo Dogstar und füllte dort das Vorprogramm von Bon Jovi.
Was spricht dagegen:
Für einen besonders dichten Bartwuchs ist Reeves leider nicht bekannt, und richtig rau wirkt er auch erst ab ca. 1,5 Litern Kunstblut im Bild. Eine solch außergewöhnliche Charakterstudie wie die des Motörhead-Mannes könnte allerdings ein Ticket zu den Oscars bedeuten.
Dave Grohl
Pro:
Frisur und Bartwuchs stimmen schon mal; das mit dem Bass-Spiel bekommt der Multi-Instrumentalist sicher auch hin. Dass Grohl und Kilmister ziemlich gut miteinander konnten, ist allgemein bekannt. Der Foo Fighters-Fronter stand seinem Motörhead-Pendant sogar so nahe, dass er nach dessen Tod am 28. Dezember 2015 auf der Gedenkfeier sprach und sich davor noch schnell ein Ace Of Spades-Tattoo unter die Haut jagen ließ. Unvergessen bleiben auch seine bisherigen Ausflüge auf die Leinwand, zum Beispiel 2006 mit Tenacious D. Die Verteidigung ruht.
Was spricht dagegen:
Zwar zählt Grohl mittlerweile auch schon mehr als 50 Lenze, aber ein wenig CGI hat bekanntlich noch keiner Hollywood-Produktion geschadet. Ob sich eine zeitintensive Hauptrolle jedoch mit dem gut gefüllten Kalender des Rockstars vereinbaren lässt?
Zeitsprung: Am 11.12.2015 spielt Lemmy Kilmister sein letztes Motörhead-Konzert

Popkultur
Zeitsprung: Am 30.9.1978 veröffentlicht Gary Moore „Back On The Streets“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.9.1978.
von Christof Leim und Tom Küppers
Als Gary Moore am 30. September 1978 Back On The Streets veröffentlicht, hat er schon einige Bands hinter sich. Die Platte erscheint unter eigenen Namen, doch er kann auf helfende Freunde zählen. Insbesondere die Herren Lynott und Downey, zwei alte Bekannte aus Dublin, mischen mit.
Hört hier in Back On The Streets rein:
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
Dass bei Gary Moore etwas mit Musik gehen würde, zeichnet sich schon früh ab: Mit zehn bekommt er seine erste Gitarre in die Finger, schon im Alter von 16 Jahren wird er 1968 von der Dubliner Band Skid Row rekrutiert (nicht verwandt oder verschwägert mit den gleichnamigen Hardrockern aus New Jersey). Nach dem Ende dieser Truppe gründet er die kurzlebige Gary Moore Band und veröffentlicht 1973 das Quasi-Soloalbum Grinding Stone. 1974 hilft er kurzfristig auf der Bühne und im Studio bei Thin Lizzy aus und betätigt sich parallel bei den Jazzrockern Colosseum II. Als Lizzy Anfang 1977 vor einer gemeinsamen US-Tour mit Queen ohne Gitarrist dastehen, springt Gary wieder ein.
Insbesondere mit Lizzy-Frontmann Phil Lynott versteht sich Moore auf künstlerischer und persönlicher Ebene hervorragend. Doch das Angebot fest bei der seinerzeit populärsten irischen Band einzusteigen, lehnt der Gitarrist noch ab. Zum einen will er seine Colosseum II-Kollegen trotz kommerziellen Misserfolgs nicht im Regen stehen lassen, zum anderen steckt er zu diesem Zeitpunkt schon in den Vorbereitungen für sein erstes „richtiges“ Soloalbum.
Back On The Streets wird im Frühjahr 1978 unter der Aufsicht des legendären Hardrock-Produzenten Chris Tsangarides eingespielt. Neben Studiogrößen wie dem späteren Toto-Schlagzeuger Simon Phillips gastiert mit Phil Lynott und Trommler Brian Downey die Rhythmussektion von Thin Lizzy gleich auf mehreren Stücken. Und auch kompositorisch hinterlässt Lynott deutliche Spuren: Abgesehen von einer gelungenen Neueinspielung des Lizzy-Hits Don’t Believe A Word in balladesker Form profitiert Moore zwei weitere Male von den schöpferischen Fähigkeiten seines Freundes.
Fanatical Fascists zeigt sich von der wuchtigen Simplizität des aufkeimenden UK-Punk inspiriert, für den Lynott große Sympathien hegt. Für die größere Überraschung sorgt Parisienne Walkways: Der gemeinsam von Lynott und Moore geschriebene Schmachtfetzen entpuppt sich als Hit, der im vereinigten Königreich bis auf Position acht der Single-Charts vordringt. Bis heute fesselt die Nummer durch ihre wunderbaren Gitarrenlinien, 2014 trägt sie den japanischen Eiskunstläufer Yuzuru Hanyu gar zum Punkte-Weltrekord im Kurzprogramm. Und selbstverständlich profitiert auch das am 30. September 1978 veröffentlichte Back On The Streets-Album in Sachen Verkaufszahlen von diesem kommerziellen Überraschungserfolg.
Eine weitere denkwürdige (weil einzigartige) Performance gibt es im Januar 1979 im Rahmen der BBC-Sendung The Old Grey Whistle Test zu bestaunen. Für diesen Anlass rekrutiert Moore mit Lynott, Lizzy-Klampfer Scott Gorham, Keyboarder Don Airey und Trommel-Gott Cozy Powell eine All-Star-Truppe ersten Kalibers. Die Interpretationen des Titelsongs von Back On The Street und Don’t Believe A Word sind absolut mitreißend, bei letzterem lässt sich Gary selbst von einer gerissenen Saite nicht aufhalten.
Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Gitarrist allerdings bereits wieder mit Thin Lizzy im Studio, um als festes Bandmitglied deren Album Black Rose: A Rock Legend (1979) einzuspielen. Jedoch verlässt er die von Drogenproblemen geplagte Band im Sommer während einer laufenden US-Tournee wieder. Von dem Moment an widmet er sich fast ausschließlich seinen musikalischen Alleingängen, mit denen er in den kommenden Jahrzehnten so wohl im Hard Rock als auch im Blues epochale Gitarrengeschichte schreiben wird.
Zeitsprung: Am 30.5.1980 landet Gary Moores G-Force auf dem Rockplaneten.
Popkultur
„Monsters Of California“: Alles über den UFO-Film von Blink-182-Sänger Tom DeLonge
Blink-182-Fans wissen: Frontmann Tom DeLonge hat nicht nur ein Faible für Rock, sondern auch für Roswell. Schon seit vielen Jahren interessiert er sich für UFOs, außerirdische Lebensformen und alles, was damit zu tun hat. Mit Monsters Of California bringt er bald seinen ersten Film raus. Und darin geht es natürlich um …
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Nine von Blink-182 anhören:
… genau. In Monsters Of California hängt der Teenager Dallas Edwards am liebsten mit seinen verpeilten Freund*innen herum. Eines Tages findet die südkalifornische Clique zufällig einige Unterlagen von Dallas’ Vater, die darauf schließen lassen, dass er beruflich mit mysteriösen und paranormalen Ereignissen zu tun hat. Die Jugendlichen verknüpfen ihre Erkenntnisse miteinander, stellen Theorien auf — und werden auf einmal von uniformierten Männern mit Maschinengewehren umstellt. Spätestens jetzt wissen sie, dass etwas Großem auf der Spur sind. Doch sie haben natürlich noch keine Ahnung, wie groß ihre Entdeckung wirklich ist …
Tom DeLonge: Pop-Punk-Ikone und UFO-Fan
Die meisten kennen Tom DeLonge als Sänger und Gitarrist der erfolgreichen Pop-Punks Blink-182. Doch der Kalifornier ist auch ein ausgewiesener Alien-Fan, der sich in seiner Freizeit ausgiebig mit UFO-Sichtungen, Area-51-Theorien, außerirdischen Lebensformen und paranormalen Aktivitäten beschäftigt. (Mit dem Song Aliens Exist vom Blink-182-Album Enema Of The State brachte er DeLonge beiden Leidenschaften 1999 unter einen Hut — und genau diese Nummer ist natürlich auch im Trailer von Monsters Of California zu hören.) Immer wieder hinterfragt und forscht er im Namen der Wissenschaft nach Aliens und sucht Erklärungen für diverse Verschwörungstheorien. Schräg, oder?
DeLonges Engagement geht so weit, dass er am 18. Februar 2017 zum Beispiel den „UFO Researcher of the Year Award“ von OpenMindTV verliehen bekam. 2015 erzählte er in einem Interview von einer mutmaßlichen Begegnung mit Außerirdischen — während eines Camping-Trips nahe der sagenumwobenen Area 51. „Mein ganzer Körper hat sich angefühlt, als sei er statisch aufgeladen gewesen“, versicherte der Sänger. Auch Freunde von ihm könnten über Begegnungen mit Aliens berichten. Außerdem verfüge er über Regierungsquellen und auch sein Telefon sei aufgrund seiner Forschungen schon abgehört worden. Wenn er meint …
Monsters Of California: Wann startet der erste Film von Tom DeLonge?
In den USA läuft Monsters Of California am 6. Oktober 2023 an, doch wann der Streifen in Deutschland erscheinen soll, ist bisher nicht klar. So oder so: Der Trailer verspricht mindestens einen unterhaltsamen Kinobesuch — nicht nur für Blink-182-Fans.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 29.9.1986 trumpfen Iron Maiden erneut auf mit „Somewhere In Time“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.9.1986.
von Christof Leim
In den Achtzigern stürmen Iron Maiden von einem Triumph zum nächsten. Dabei reiben sie sich fast bis zur Überlastung auf, halten aber konsequent Kurs und Niveau und entdecken neue Sounds. Am 29. September 1986 erscheint Somewhere In Time – und Eddie wird zum Cyborg.
Hier könnt ihr das Album hören:
Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Kann nach einer Welteroberung schon mal passieren: 1984 hatten die fünf Briten auf der World Slavery Tour elf Monate lang in 28 Ländern auf vier Kontinenten gespielt – und zwar satte 193 Shows vor geschätzten 3,5 Millionen Fans. Der Preis: Bruce Dickinson (Gesang), Steve Harris (Bass), Dave Murray (Gitarre), Adrian Smith (Gitarre) und Nicko McBrain (Schlagzeug) sind fix und fertig. Deshalb fordern die Musiker sechs Monate Pause. Daraus werden zwar nur vier, doch zum allerersten Mal seit Jahren steht die Maiden-Maschine ein Weilchen still.
Neues Spielzeug
Die Konsequenzen hört man: Harris, Smith und Murray experimentieren mit Gitarrensynthesizern, mit denen sich Keyboardsounds über die Gitarre und den Bass erzeugen lassen. Dickinson indes zweifelt an seiner Motivation und will musikalisch in eine andere Richtung. Er komponiert vor allem akustisches (also stromloses, ruhiges) Material, das von den Kollegen und dem Produzenten aber abgelehnt wird. Der Sänger zeigt sich verletzt, freut sich aber darüber, für eine Weile „nur“ singen zu müssen. Für ihn springt Adrian Smith in die Bresche und liefert im Alleingang mehrere fertige Tracks, die auf einhellige Begeisterung stoßen und Somewhere In Time maßgeblich prägen sollten.
Futuristische Fahrzeuge, klassische Patronengurte: Iron Maiden auf dem Pressefoto für „Somewhere In Time“ – Foto: Aaron Rapoport/Promo
Erst im Januar 1986 geht es zurück ins Studio, genauer: in mehrere Studios. Drums und Bass nehmen Iron Maiden in den Compass Point Studios auf den Bahamas auf, in dem auch AC/DC Back In Black eingespielt hatten. Gitarren und Gesänge bringen die Musiker in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum auf Band, abgemischt wird schließlich in den Electric Lady Studios in New York. Damit wird Somewhere In Time nicht nur zum teuersten Album der bisherigen Bandkarriere, sondern auch zum technisch ambitioniertesten. Wie für die Beständigkeit in der Maiden-Welt der Achtziger typisch, ändert sich an der sonstigen Formel wenig. Die Produktion übernimmt ein weiteres Mal Stammproduzent Martin Birch.
Fünf Minuten mindestens
Somewhere In Time erscheint am 29. September 1986 und steigt in Großbritannien auf Platz drei ein. In den USA schafft die Band mit Platz elf ihre bis dato beste Platzierung. Auf dem Cover prangt natürlich das unvergleichliche Iron Maiden-Monster Eddie in einem aufwändigen Science-Fiction-Gemälde. Schon im Intro der ersten Nummer, dem vom Film Blade Runner inspirierten Quasi-Titelstück Caught Somewhere In Time aus der Feder von Steve Harris, hören die Fans die besagten Gitarren-Synthesizer. Doch am grundsätzlichen Stil von Iron Maiden hat sich nichts geändert. Es galoppiert der Bass, wie es sich gehört, die Gitarren riffen, und Dickinson lässt seine Sirenenstimme aufheulen. Wo Iron Maiden drauf steht, ist Heavy Metal drin, vermutlich bis ans Ende aller Tage. Allerdings klingt Somewhere In Time insgesamt weniger rau, sondern bei gleichem Energieniveau erwachsener, vielschichtiger und, wenn mal so will, futuristischer.
Von den acht Songs fällt keiner kürzer aus als fünf Minuten aus, das Gros stammt von Steve Harris, drei Beiträge kommen von Adrian Smith. Dazu gehört die erste Single Wasted Years, in der Maiden so eingängig klingen wie es nur geht, ohne ihren eigenen Sound zu verlieren. Der Text erzählt von Heimatlosigkeit und Entfremdung – ein klarer Kommentar zur endlosen World Slavery Tour. Als Wasted Years drei Wochen vor dem Album als Single ausgekoppelt wird, sieht man auf dem Cover das Cockpit einer Zeitmaschine, in deren Armaturenbrett sich der Kopf von Eddie spiegelt. Der Grund: Sein neues Aussehen sollte nicht vor Erscheinen des Albums verraten werden, schließlich hat das Maskottchen mittlerweile Kultstatus erreicht.
Auf der Vorabsingle durfte Eddie sich noch nicht ganz zeigen…
Filme und Bücher als Inspiration
Das folgende Sea Of Madness, ein dramatischer Uptempo-Banger, stammt ebenfalls von Smith, setzt aber keine besonderen Akzente. Für Heaven Can Wait, einen Harris-Song über eine Nahtoderfahrung, rekrutieren Maiden die Gäste einer Kneipe, um die „Oh-Oh“ -Fußballchöre im Mittelteil einsingen zu lassen.
Das ebenso harte wie vertrackte The Loneliness Of The Long Distance Runner basiert nicht nur im Titel auf einer Kurzgeschichte des britischen Autoren Alan Sillitoe. Stranger In A Strange Land hingegen geht direkt ins Ohr und wird deshalb als zweite Single ausgekoppelt. Inspiriert wurde Adrian Smith hierfür durch ein Gespräch mit einem Arktisforscher, der einen gefrorenen Körper im Eis gefunden hatte. Vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Robert A. Heinlein hingegen leiht sich Smith lediglich den Titel.
Egal, wo und wann: Eddie ist immer cool
Die Credits für Deja-Vu teilt sich Harris mit Dave Murray, der im Schnitt für jedes zweite Album einen Song beisteuert. Alexander The Great stammt vom Bassisten alleine und reiht sich mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten in den Reigen der großen Maiden-Epen ein, diesmal mit explizit historischem Bezug.
Ein Cover wie ein Bildband
Ein sicherer Hit ist zweifelsfrei das Artwork der Platte: Hier steht Eddie als Weltraum-Terminator mit Cyborg-Auge und Laserpistolen in einer futuristischen Stadt, die vor Details nur so überquillt. Der Künstler Derek Riggs, der Künstler hinter diesem Werk, erinnert sich an den Arbeitsauftrag: „Wir haben uns eigens in Amsterdam getroffen und drei Tage lang über das Cover gesprochen. Sie wollten eine Kulisse wie in Blade Runner, eine Science-Fiction-Stadt.“ Um das zu erreichen, erschafft Riggs eine Skyline mit Werbeslogans und Firmennamen, die er größtenteils erfindet, um Copyright-Probleme zu vermeiden. Dabei dreht er richtig auf und auch ein wenig durch.
Immense Detailfülle und jede Menge versteckte Späßchen: Das Artwork aus der Feder von Derek Riggs
Wer genau hinguckt, kann unter anderem erkennen: den Sensenmann und die Katze mit Heiligenschein von Live After Death, den abstürzenden Himmelsstürmer aus Flight Of Icarus, ein Flugzeug über der „Aces High Bar“ , das „Ancient Mariner Seafood Restaurant“, ein Straßenschild zur „Acacia Avenue“ , ein Konzertposter mit dem Ur-Eddie, die Dame aus Charlotte The Harlot, die Tardis aus Doctor Who, Batman, eine Uhr, die zwei Minuten vor Mitternacht anzeigt, das „Phantom Opera House“ , den Ruskin Arms Pub (eine der ersten Spielstätten der Band) sowie die exakt gleiche Straßenlaterne wie auf dem Cover des Debüts. Irgendwo steht sogar auf Japanisch „Pickelcreme“ , auf Russisch „Joghurt“ und in Spiegelschrift „Dies ist ein sehr langweiliges Gemälde“. Drei Monate sitzt Derek Riggs an dem Werk, mitgezählt eine mehrwöchige Zwangspause, weil er irgendwann Halluzinationen bekommt und aussetzen muss. Kurzum: Das Cover ist Wahnsinn. Und absolut großartig.
…und die Rückseite ist genauso bombastisch.
Auf die Straße. Natürlich.
Natürlich geht es für die fünf Musiker umgehend auf Konzertreise: Der Somewhere On Tour getaufte Trek zieht von September 1986 bis Mai 1987 um die Welt, mit dabei ein überdimensionaler Cyborg-Eddie, der über die Bühne spaziert, zwei riesige Podeste rechts und links in Form von Monsterkrallen, eine aufwändige, sehr helle Lightshow sowie ein pulsierendes Leuchtherz als Teil von Bruces Bühnenoutfit.
Somewhere On Tour: Dave Murray schreddert, Eddie guckt kritisch – Foto: Ebet Roberts/Redferns/Getty Images
So stressig und geradezu selbstmörderisch wie zwei Jahre zuvor auf der World Slavery Tour sollte es jedoch nicht mehr werden, auch die Zeiten, in denen Iron Maiden jedes Jahr ein Album und eine Welttour hinlegen, sind mit Somewhere In Time vorbei. Doch die Metal-Weltherrschaft der Achtziger haben Iron Maiden da längst inne.
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