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Popkultur

Vom Werbesong zur Hippie-Hymne: Die unglaubliche Geschichte von Scott McKenzies „San Francisco“

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Scott McKenzie
Foto: GAB Archive/Redferns/Getty Images

Das Monterey Pop Festival gilt 1967 als Initialzündung des Summer Of Love. Aus Sorge, von langhaarigen Hippies überrannt zu werden und im Chaos zu versinken, wünscht sich die Stadt ein friedliches Werbelied. Was sie bekommt, ist San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair). Die Geschichte eines PR-Coups, der zur inoffiziellen Hymne der Gegenkultur wurde.

von Björn Springorum

Im Sommer 1967 gewinnen die Dinge in Kalifornien nach und nach an Momentum. Laurel Canyon in Los Angeles und Haight Ashbury in San Francisco werden zu Kongregationen von Aussteiger*innen, Sinnsucher*innen, Künstler*innen, die man bald schon Hippies nennen wird. Jefferson Airplane, The Mamas And The Papas und Buffalo Springfield liefern den Soundtrack einer Ära und führen die Welt mit psychedelischer Melodie und beseelter Stimmung in den Summer Of Love.

Der Rock will Anerkennung

Gerade erst hat die junge Szene auf dem Fantasy Fair And Magic Mountain Music Festival in Kalifornien gefeiert, dem ersten größeren Festival der Gegenbewegung. Zur Blüte gebracht werden soll diese zarte Knospe in Monterey, einem kalifornischen Küstenstädtchen, das bis dato allerhöchstens für ein einigermaßen distinguiertes Jazzfestival bekannt war. Gerade mal sieben Wochen planen John Phillips, der Kopf von The Mamas And The Papas, der Produzent Lou Adler, Alan Pariser und Derek Taylor, der ehemalige Publizist der Beatles, ein Festival in einer nie dagewesenen Größenordnung. Ihr Plan: Rockmusik soll endlich die Anerkennung bekommen, die Jazz und Folk schon lange zuteil wird.

Dafür braucht es aber natürlich einerseits ein kleines bisschen Werbung. Und andererseits ein wenig Aufklärungsarbeit. Selbst in Kalifornien. Die lokalen Behörden bekommen angesichts der drei Festivaltage im Juni 1967 nämlich so langsam kalte Füße. Man malt sich Schreckenszenarien von abertausenden Langhaarigen aus, die das kleine Städtchen überfallen wie die Heuschrecken. John Phillips, ein genialer Musiker mit einem Händchen fürs Geschäft, schlägt der Stadt einen friedlichen Werbesong vor, um auf die friedliche Absicht des Festivals und hinzuweisen.

20 Minuten für ein Stück Musikgeschichte

Er setzt sich hin – und 20 Minuten später ist San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) fertig. Es wird aber kein Song für seine Mamas und Papas. Ein genialer Coup, wie sich herausstellt: Stattdessen fällt ihm sein alter Kumpel Scott McKenzie ein, mit dem er damals schon in Virginia Musik machte und später nach New York zog. Dort gründeten sie die Folk-Band The Journeymen und nahmen zwischen 1961 und 1964 drei Alben auf. Zwar lehnte McKenzie das Angebot seines Freundes ab, mit ihm nach Kalifornien zu gehen und dort The Mamas And The Papas zu gründen, weil er „etwas eigenes auf die Beine stellen“ wollte, wie er 1977 in einem Interview sagt.

Der Kontakt reißt aber nicht ab. Und als Phillips einen braven Folksänger für die Werbekampagne seines Festivals sucht, ruft er McKenzie an. Er singt die Nummer ein, Phillips spielt selbst die Gitarre, die Glocken kommen von Gary L. Coleman, der Bass von Joe Osborn und die Drums von Hal Blaine. Als der Song im Mai 1967 veröffentlicht wird – wenige Wochen vor dem Festival – tritt er eine Lawine los. In Deutschland hält sich die Single sechs Wochen an der Spitze der Charts, schnell wird der Song zu einem der erfolgreichsten des Jahres. Und zu einem der prägendsten: Tausende Pilger*innen folgen dem Versprechen des Liedes, stecken sich Blumen ins Haar und pilgern nach San Francisco. Eine Stadt wurde also doch überrannt. Es war nur nicht Monterey.

Das Monterey Pop Festival wird natürlich dennoch ein voller Erfolg. Das liegt nicht unbedingt an San Francisco und durchaus auch an den bahnbrechenden Performances von Jimi Hendrix, Otis Redding oder Jefferson Airplane. Die wunderbar psychedelische, entrückte Stimmung des Liedes hat dafür maßgeblich zur Sinnstiftung der Hippie-Bewegung beigetragen. In diesem Sommer der Liebe 1967 ist der Song aus jedem Fenster, jeder Wohnung, auf jedem Platz zu hören. Und in Europa untermalt das Lied sogar die Geschehnisse des Prager Frühlings 1968.

Bis heute steht er sinnbildlich für die Gegenkultur und die Friedensbewegung der Sechziger – mit unsterblichen Zeilen, die das Lebensgefühl einer Generation auf den Punkt zu bringen wussten:

All across the nation, such a strange vibration
People in motion
There’s a whole generation with a new explanation
People in motion, people in motion

Und Scott McKenzie? Der nimmt noch ein bisschen Musik auf, zieht sich zu Beginn der Siebziger aber in sein komfortables Haus im verwunschenen Joshua Tree zurück und tourt in den Achtzigern dann doch noch mit den Mamas und Papas. 2012 stirbt er. In Los Angeles, nicht in San Francisco. Die Stadt an der Bucht wäre ohne dieses Lied dennoch eine andere.

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