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Popkultur

Der Tod des Hippie-Traums: Die letzten Tage von Jimi Hendrix

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Jimi Hendrix
Fotos: Larry Hulst/Michael Ochs Archives/Getty Images

Keine zwei Tage vor seinem Tod steht er noch auf der Bühne. Am 18. September 1970 stirbt Jimi Hendrix. Und nimmt den Traum von „Love and Peace“ gleich mit ins Grab. Eine Chronik seiner letzten Tage auf diesem Planeten.

von Björn Springorum

Am 31. März 1967 steckt Jimi Hendrix seine Gitarre im Londoner Astoria in Flammen. Es ist ein definierender Moment der Popkultur, ein bewusstseinserweiterndes Ereignis für das gebannte Publikum. Für Hendrix ist es der Rubikon, den er an diesem Abend überschreitet. Danach geht alles ganz schnell. Im Mai lässt er sein Debütalbum Are You Experienced von den Ketten. Darauf befinden sich Hey Joe und Purple Haze, doch seine Show in Brian Epsteins Saville Theater am 4. Juni 1967 eröffnet der entfesselte Gitarrist mit seiner Version von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, dem Titelstück des erst drei Tage zuvor erschienenen Beatles-Albums. Im Publikum sitzen Paul McCartney und George Harrison. Beide wissen instinktiv, dass sie hier bei der Geburt von etwas Einzigartigem dabei sind.

Der bestbezahlte Musiker der Welt

Der Rest der Welt merkt das spätestens zwei Wochen später, als Jimi Hendrix das Monterey Festival im Sturm erobert. Er kam, spielte, siegte, könnte man sagen. Wieder zündet er seine Gitarre an. Doch diesmal sehen nicht ein paar hundert, sondern viele tausend Menschen zu. Als Hendrix die Bühne verlässt, schwebt er. Und das liegt nicht nur an Owsley Stanleys extrem wirkungsvollem LSD.

Zwei Jahre später. Hendrix ist der bestbezahlte Musiker der Welt. Klar, dass er auch in Woodstock auftreten soll. Mittlerweile solo unterwegs (ein bisschen Narzissmus muss dann ja doch sein), entscheidet er in einem Anflug von leichter Hybris, dass er es sein muss, der das Festival beschließt. Seine Show am Montagmorgen findet statt vor 400.000 nur noch vor 40.000 Menschen statt. Die kommen immerhin in den Genuss eines der wahrscheinlich wichtigsten Momente des Rock’n’Roll und einem Ankerpunkt der Sechziger: seine quälend verzerrte Variante des Star-Spangled Banner, die immer wieder als Protest gegen den Vietnamkrieg gewertet wurde, obwohl Hendrix selbst das nie bestätigt.

So ikonisch dieser Moment ist, so bezeichnend ist er für die ausgehenden Sechziger: Woodstock als ultimatives Fest für Frieden und Musik endet in Matsch, geplatzten Träumen und ungewisser Zukunft. Die Sechziger gehen. Und der Krieg in Vietnam ist noch weit davon entfernt, beendet zu sein – dem neuen Präsidenten Richard Nixon zum Trotz. Die Friedensmärsche, die Versammlungen, die Proteste und Lieder scheinen mit dem Wind zu verwehen, als das neue Jahrzehnt heraufzieht. Und mit ihm auch die letzten Tage des Jimi Hendrix.

1. August 1970: Hawaii

Jimi Hendrix beschließt seine US-Tournee mit einem Konzert in Honolulu, der Hauptstadt Hawaiis. Es ist der finale Akt eines Dramas, bei dem viele Shows von seinem ausufernden Drogenkonsum überschattet werden. Voodoo Child, das finale Stück des Abends, ist der letzte Song, den Hendrix jemals in den USA live spielen wird.

26. August 1970: Electric Lady Studios

Hendrix eröffnet offiziell seine Electric Lady Studios in Greenwich Village, New York City. Es gibt eine Eröffnungsparty, bei der unter anderem Yoko Ono, Patti Smith und Fleetwood Mac auftauchen. Lust auf die Party hat er nicht, er will lieber an seinen Songs arbeiten. Am nächsten Tag macht Hendrix hier seine letzte Aufnahme – ein Instrumental namens Slow Blues. Danach steigt er in eine Air-India-Maschine nach London. Er wird nie wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehren.

30. August 1970: Isle Of Wight

Spät in der Nacht geht Hendrix beim Isle Of Wight Festival auf die Bühne, wo am Tag zuvor schon The Doors und The Who gespielt haben. Der Auftritt wird von technischen Problemen heimgesucht, die eigenen Aussagen zufolge von David Gilmour in den Griff bekommen werden.

2. September 1970: Aarhus

Nach nur drei Songs bricht Hendrix eine Show im dänischen Aarhus ab. „Ich bin schon lange tot“, sagt er, als er von der Bühne geht und ein enttäuschtes Publikum zurücklässt. Er hat schon länger Angstzustände, backstage bricht er zusammen, ist auch wegen reichlich Medikamenten am Ende seiner Kräfte.

6. September 1970: Fehmarn

Geplagt von Angstzuständen geht er einen Tag zu spät in Fehmarn beim desaströsen Love & Peace Festival auf die Bühne. Spätestens bei diesem Festival merkt man, dass der Hippie-Traum gestorben ist und durch einen Albtraum ersetzt wurde. Das deutsche Woodstock endet in Chaos, Gewalt und unbezahlten Bands. Die Musiker*innen auf der Bühne schweben ständig in Lebensgefahr, weil der Sturm Regen auf die Bühne bläst und für teils heftige Stromschläge sorgt. Hendrix wird ausgebuht, entschuldigt sich und kämpft sich vor desolater Kulisse mühsam durch sein Set. Es ist sein letzter offizieller Auftritt. Und ein mehr als unrühmlicher Schlussstrich unter seine unvergleichliche, berauschende Bühnenkarriere.

16. September 1970: Eric Burdon

Hendrix holt ein letztes Mal die Gitarre raus und jammt mit Eric Burdon und War im Londoner Ronnie Scott’s Club.

18. September 1970: Seine letzten Stunden

Die letzte Stunden vor seinem Tod sind nur sehr schwer zu durchschauen. Zu viele widersprüchliche Aussagen und Behauptungen, gar Verschwörungstheorien reihen sich aneinander. Als gesichert gilt, dass seine Freundin Monika Danneman Hendrix am Vormittag schlafend vorfindet und sich erst mal nichts dabei denkt. Sie geht Zigaretten holen, bekommt ihn aber auch danach nicht wach. Von ein wenig Erbrochenem im Mundwinkel ist ihren Aussagen nach die Rede, doch als die Sanitäter um 11:25 Uhr im Hotel eintreffen, geben sie an, dass Hendrix voller Erbrochenem ist. Lebenszeichen sind da schon keine mehr vorhanden. Um 12:45 wird Hendrix offiziell für tot erklärt, obwohl er da wahrscheinlich schon mehrere Stunden verstorben war. Die offizielle Todesursache lautet: „Inhalieren von Erbrochenem, ausgelöst durch eine Barbituratvergiftung“. Was genau in seinen letzten Stunden passierte, wird niemand je erfahren.

Hendrix, einer der größten Musiker unserer Zeit, stirbt mit 27 Jahren. Nur wenige Wochen später, am 4. Oktober 1970, folgt ihm Janis Joplin. Auch sie wird nur 27 Jahre alt. Als im Januar 1971 dann auch noch Charles Manson verurteilt wird, bekommt das Hippie-Image endgültig Risse, die nicht mehr zu kitten sind. Der Traum ist ausgeträumt.

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