Popkultur
Siouxsie Sioux: Wer ist eigentlich die Goth-Todesfee, die Wednesdays Kult-Tanz inspirierte?
Derzeit tanzt so ziemlich jeder zwischen YouTube und TikTok Jenna Ortegas ikonische Moves aus der Netflix-Serie Wednesday nach. Inspiriert wurde die Schauspielerin nach eigenen Aussagen von Goth-Queen Siouxsie Sioux. Aber wer ist das überhaupt?
von Björn Springorum
24 Millionen Klicks auf YouTube und zahllose Nachahmer*innen auf der ganzen Welt: Auch wegen dieser jetzt schon ikonischen und legendären Tanzszene aus der Nevermore Academy ist Wednesday zu einem der ganz großen Gewinner des Streaming-Jahres 2022 geworden. Hauptdarstellerin Jenna Ortega choreographierte diese Szene selbst und füllt sie auf ihre unnachahmlich gotische Weise mit untotem Leben. Ein klein wenig Hilfe hatte sie dabei allerdings schon: Wie sie freimütig zugab, ließ sie sich in ihren Bewegungen und Schritten unter anderem von der großen Siouxsie Sioux (und Nina Hagen!) beeinflussen.
Damit hat Ortega ein ganz und gar perfektes Vorbild gewählt: Susan Janet Ballion, die die Welt aber eigentlich nur als Siouxsie Sioux kennt, schreibt erst mit den Banshees und später mit den Creatures Musikgeschichte. Ihr Auftauchen im London Mitte der Siebziger ist den Sex Pistols zu verdanken: Im Februar 1976 verfällt sie dem erratischen Auftreten der Band, wird neben ihrem späteren Bandkollegen Steven Severin und einem gewissen Billy Idol zum Kern des Bromley Contingent, einer Gruppe von Super-Fans, die überall auftaucht, wo die Sex Pistols gerade für Unbill sorgen.
Die Sex Pistols machen sie berühmt
Wegweisend wird ihr Style sein: Ihr Katzenaugen-Make-Up, ihre schwarze Kleidung, ihre Frisur, ihr trockener Zynismus und ihre Vorliebe für kinky Bondage-Accessoires nehmen schon in den Siebzigern 99,9 Prozent von dem voraus, was man später als Goth identifizieren wird. Auf Gefallen trifft das nicht überall: In Frankreich wird sie wegen ihres Aussehens verprügelt (okay, und wegen eines Armbands mit Swastika – unpolitisch gemeint und dennoch nicht besonders schlau). Sie lässt das Armband weg, behält den Rest bei. Und gründet mit Severin eine eigene Band. Schon ihr erster Auftritt ist herrlich absurd und selbst im Punk-Kontext unfassbar anti: Beim von Malcolm McLaren organisierten 100 Club Punk Festival bekommen sie einen Slot, obwohl sie noch keinen einzigen Song spielen können. Stattdessen halten sie einfach ein Ritual ab, improvisieren für wilde 20 Minuten, während Siouxsie das Vater unser singt und mantraesk betet.
Schon damals fällt Zeitzeug*innen ihre Aura auf, ihr Selbstbewusstsein und dieses Gefühl, dass sie vollkommen die Kontrolle behält und genau weiß, was sie tut. Auf dieser Präsenz baut die frühe Goth-Queen auf. Unvergessen ist natürlich ihr Auftritt in der infamen Thames-Television-Ausgabe vom Dezember 1976, als Bill Grundy die gesamten Sex Pistols und die Fans des Bromley Contingent im Studio vergeblich zu bändigen versucht. Als Grundy in bester Manier des alten weißen Mannes vorschlägt, dass sich er und Siouxsie nach der Show treffen, feuert Steve Jones einige Schimpfworte ab, die es so im englischen Fernsehen noch nie zu hören gab. Der Skandal ist riesengroß – und Siouxsie Sioux mittendrin. Der Daily Mirror titelt: „Siouxsie’s a Punk Shocker.“ Über Nacht werden die Sex Pistols berühmt.
Eine der ersten Post-Punk-Platten
Siouxsie Sioux selbst wird das alles zu viel. Sie distanziert sich von den Sex Pistols und konzentriert sich endlich voll auf ihre Band, Siouxsie And The Banshees. Der Name verbreitet sich wie ein Lauffeuer in London: Anfang 1978 tauchen Graffitis auf den Gebäuden gleich mehrerer Plattenfirmen auf. Der unmissverständliche Befehl: „Sign the Banshees, do it now.“ Wer dahinter steckt, weiß bis heute niemand. Dauert dann auch nicht lang, bis Polydor zugreifen. Ihre Debüt-Single Hong-Kong Garden und ihr Erstling The Scream (1978) sind frühe Post-Punk-Manifeste, düster, trist und dissonant. Im Verlauf der späten Siebziger und frühen Achtziger ebnet dieser Sound vielen anderen Bands den Weg, auch Joy Division, The Cure, The Smiths oder Depeche Mode trinken eifrig und gierig von dieser mystischen Quelle.
Robert Smith und die Banshees
Zu Robert Smith von The Cure hat Siouxsie Sioux eine ganz besondere Beziehung: Erst beeinflusst sie ihn, dann nimmt sie ihn als Support mit auf Tour – und später sogar als offiziellen Gitarristen in die Banshees auf. Wie viele andere Konstellationen bei den Banshees und The Cure gehen sie im Streit auseinander. Bis heute ist ihre Beziehung angespannt.
Später in ihrer Karriere wird sich Siouxsie Sioux anderen Genres zuwenden, wird Trip-Hop vorwegnehmen und auch in der Lage sein, lupenreine Popsongs zu schreiben. Bleibenden Eindruck hat sie aber in der Goth-Szene hinterlassen: Stimmlich, klanglich, visuell und inhaltlich. Ihre Position innerhalb der Band und ihre künstlerische Integrität sind ein gewaltiger Einfluss für Generationen von Sängerinnen, angefangen bei PJ Harvey und Shirley Manson und bis heute spürbar in St. Vincent oder Wolf Alice.
Comeback am Horizont?
Siouxsie Sioux ist der Anfang aller düsteren Dinge in der britischen Musikwelt, der erste Moment, in dem der Rock’n’Roll in einen Eimer mit schwarzer Farbe fällt. Heraus steigt eine Todesfee mit durchdringender Stimme und unvergleichlicher Energie – zu neuem Leben erweckt von Jenna Ortegas umwerfender Tanzszene. Heute ist Siouxsie Sioux 65, über ihr Privatleben weiß man immer noch so gut wie nichts. Eines wissen wir aber: Hinter den Kulissen bereitet sie gerade ein Comeback für 2023 vor. Vielleicht erscheint dann ja auch ein neues Album. Mantaray, ihr erstes und bisher einziges Solowerk, ist auch schon 15 Jahre alt.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
-
6 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Keith Moon stammen können
-
Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
-
Herzschmerz, Todesfälle und der Wunsch nach Frieden: 20 Rockballaden für die Ewigkeit
-
„Bohemian Rhapsody“: Die Geschichte des Klassikers, für den Queen alle Regeln brachen