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Popkultur

Zeitsprung: Am 7.4.1985 versuchen Wham!, China zu erobern.

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Foto: Dave Hogan/Hulton Archive/Getty Image

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.4.1985.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Am 7. April 1985 dürfen Wham! als erste westliche Künstler in China auftreten. Dieser PR-Coup ist nicht einfach Teil ihrer Welttournee, sondern das Resultat eines beinahe teuflischen Plans von Manager Simon Napier-Bell. Mitsingen soll aber niemand. Schauen wir uns die Geschichte der absurden Unternehmung an.

Hört hier in Make It Big rein, für das Wham! 1985 um die Welt reisten: 

Eigentlich will sich Simon Napier-Bell in den Frühruhestand verabschieden, als er auf George Michael und Andrew Ridgeley trifft. Napier-Bell, ehemaliger Manager von Japan und den Yardbirds, sieht sich als Branchenveteran und hat schlicht genug von der Musikwelt. Doch dann stehen Wham! vor ihm: Die jungen Männer legen einen schamlosen Ehrgeiz an den Tag, der auch Napier-Bell nicht kalt lässt. Innerhalb von zwei Jahren wollen sie als die größte Popband der Welt gelten. Gesagt, getan; gemeinsam mit Kollege Jazz Summers macht sich der Brite an die Umsetzung des Plans.

 

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WHAM! In China

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Zeitgleich beginnt die Volksrepublik China, ihre kommunistischen Grenzen zu öffnen. Nicht vollständig, aber gerade so weit, dass sich Summers vorstellen kann, Wham! als erste westliche Band im Fernen Osten auftreten zu lassen. Napier-Bell wittert eine nie dagewesene Chance. Doch eine Gruppe schickt sich an, ihnen den Posten streitig zu machen.

Wham! vs. Queen

Die Glam-Granaten von Queen, vorneweg Frontmann Freddie Mercury, bieten sich für ein solch geschichtsträchtiges Konzert ebenfalls an. Doch der Wham!-Manager lässt nichts unversucht, um die chinesischen Behörden von der Qualifikation seiner Schützlinge zu überzeugen. Mehr als 18 Monate lang fliegt er zwischen Peking und der englischen Hauptstadt hin und her. Sein erstes Opfer: Der Energieminister, mit dem er sich ein Mittagessen erschleichen kann. „Das waren zwei Jahre voller Mittagessen“, gibt Napier-Bell später zu Protokoll. „Ich habe die ganze Regierung durchgefüttert. 143 Leute, und jeden dreimal.“

Mit dem Versprechen westlicher Investitionen bringt er triftige Argumente für die Gäste von außerhalb. Die englische Konkurrenz ist jedoch immer noch im Gespräch, sodass sich der erfahrene Branchenprofi zu außergewöhnlichen Tricks hinreißen lässt. Zwei Broschüren bereitet er vor: Die eine zeigt die Fans von Wham! als behütete Jugendliche aus der Mittelklasse, die andere bildet Mercury in typisch-exaltierten Posen ab. Als er die Pamphlete im März 1985 präsentiert, entscheidet sich die Regierung für Michael und Ridgeley.

Schmutzige Tricks, großer Erfolg

Innerhalb von zwei Wochen bugsiert der Impresario seine Schutzbefohlenen in die Volksrepublik und am 7. April 1985 endlich auf die dortige Bühne. Von einer bahnbrechenden Show kann jedoch nicht die Rede sein: Viele Karten verteilt man an Regierungsmitglieder, um die damalige Kulturrevolution nicht noch mehr anzuheizen. Das übrige Publikum hält die anwesenden Kamerateams für spitzelnde Staatspolizei, und aufstehen darf nach einer von Napier-Bell organisierten Breakdance-Einlage dann auch niemand mehr. 

So geht das Konzert zwar in die Geschichte ein und erhält jede Menge mediale Aufmerksamkeit, bleibt aber ein merkwürdiges Erlebnis für alle Anwesenden. Den dazugehörigen Dokumentarfilm krempelt man auf den letzten Metern noch einmal vollständig um; Wham! in China: Foreign Skies feiert erst über ein Jahr später beim Wham!-Abschiedskonzert im Wembley Stadion Premiere. Napier-Bell schreibt später ein Buch über die Zeit, das er I’m Coming To Take Your Lunch nennt. Sicher eine Anspielung auf die zahlreichen Geschäftsessen, die er erdulden durfte, allerdings kann man den Titel durchaus auch übersetzen mit „Ich komme, um dir dein Pausenbrot zu klauen“. Passend.

Zeitsprung: Am 3.12.1984 erscheint „Last Christmas“.

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