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Popkultur

Zehn Jazz-Empfehlungen für den Einstieg

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Foto: William Gottlieb/Redferns/Getty Images

Für viele ist er ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest einige größere Hits dringen über die Jahrzehnte in den Mainstream durch. Doch wer genau hat den Jazz eigentlich geprägt, welche Stilrichtungen gibt es und wie lauten die Titel der wichtigsten Songs und Alben? Wir wagen eine kleine Einführung in die komplexe Musikrichtung.

von Timon Menge

Der Ursprung des Jazz lässt sich bis ins New Orleans des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurückverfolgen; den Grundstock bilden der Blues und der direkte Jazz-Vorläufer Ragtime. Von vielen als „die klassische Musik der USA“ bezeichnet, entwickelt sich das afroamerikanische Genre von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter und treibt viele Blüten. Zum Verständnis: Wenn wir von „Jazz“ sprechen, meint das einen ähnlichen stilistischen Umfang wie der Begriff „Rock“. Schauen wir uns mal an, welche Musiker*innen daran beteiligt waren.

1. Louis Armstrong

Ob sein magisches Trompetenspiel, sein Kompositionstalent oder seine unvergleichliche, umfangreiche Stimme: Louis Armstrong gehört zu den zentralen Figuren der Jazz-Welt. So trägt er maßgeblich dazu bei, dass das Improvisieren der Band in den Hintergrund rückt, und hebt stattdessen das Solospiel hervor. Ganze fünf Jahrzehnte lang bleibt er aktiv, und zwar von den Zwanzigern bis Anfang der Siebziger. Diese Ausdauer kostet ihn allerdings auch das Leben: Obwohl sein Arzt ihm davon abrät, spielt er im März 1971 noch einmal zwei Wochen am Stück im Waldorf-Astoria in New York City. Gegen Ende des Engagements erleidet er einen Herzinfarkt und landet bis Mai im Krankenhaus. Anschließend widmet er sich sofort wieder seiner Trompete und hofft, dass er schnell wieder touren kann. Am 6. Juli 1971 folgt ein zweiter Herzinfarkt, der ihn einen Monat vor seinem 70. Geburtstag das Leben kostet.

Anspieltipps: What A Wonderful World, Dream A Little Dream Of Me, La Vie En Rose, Cheek To Cheek, Summertime

2. Duke Ellington

Eigentlich mochte es Duke Ellington nicht, wenn man ihn dem Jazz zuschrieb. Vielmehr bezeichnete er sein Schaffen als „amerikanische Musik“. Egal, wie man es nennt: Er hat einiges geleistet. Mehr als sechs Jahrzehnte lang leitet er sein Orchester, ob im Cotton Club in Harlem oder beim Newport Jazz Festival. In dieser Zeit komponiert er mehr als 1.000 Stücke, viele davon wurden zu Standards. Dabei handelt es sich um einen Rekord: Kein Jazzkünstler hat mehr Material hinterlassen. Am 24. Mai 1974 stirbt Ellington im Alter von 75 Jahren an Komplikationen nach einer Lungenentzündung und Lungenkrebs.

Anspieltipps: In A Sentimental Mood, My Little Brown Book, Haupe, Take The „A“ Train, Satin Doll

3. Benny Goodman

Heute nennt man ihn den „King Of Swing“. Kein Wunder: Während der Vorkriegszeit revolutioniert Benny Goodman das Genre und rückt den afroamerikanischen Jazz mithilfe des Swing in den Fokus der rassistischen US-Gesellschaft. Zu jener Zeit wird meist nach Hautfarbe getrennt, doch nicht in Goodmans Big-Band. Menschen, die sich in seiner Gegenwart rassistisch geäußert haben, soll er körperlich bedroht haben. Einen der Höhepunkte der Karriere seines Orchesters markiert der Auftritt in der Carnegie Hall in New York City am 16. Januar 1938. Musikkritiker Bruce Eder schreibt über die Veranstaltung: „…das wichtigste Konzert des Jazz oder der Popmusik in der ganzen Geschichte: die ‘Coming-Out’-Party des Jazz in der Welt der ‘respektablen’ Musik.“ Bis zu seinem Tod steht Goodman auf der Bühne, am 13. Juni 1986 erleidet er einen Herzinfarkt.

Anspieltipps: Sing, Sing, Sing, Stompin At The Savoy, Chicago, Don’t Be That Way, Winter Weather

4. Coleman Hawkins

Coleman Hawkins verdanken wir es maßgeblich, dass das Tenorsaxofon heute so fest mit dem Jazz verknüpft ist. So schreibt der deutsche Jazz-Journalist Joachim E. Berendt über ihn: „Es gab schon vor ihm Tenorsaxofonisten, aber das Instrument war da noch kein anerkanntes Jazz-Horn.“ Als erster Musiker versteht Hawkins es, auf dem Saxofon nicht bloß das wiederzugeben, was bis dato auf der Klarinette gespielt wurde. Mit seiner Big Band feiert er große Erfolge, außerdem trägt er zur Grundsteinlegung des Bebop bei, einer Spielart des Jazz, die sich durch hohe Geschwindigkeiten, anspruchsvolle Techniken und fortschrittliche Harmonien auszeichnet.

Anspieltipps: Greensleeves, Rosita, Body And Soul, Out Of Nowhere, Cocktails For Two

5. Charlie Parker

Mit Charlie Parker wird die ganze Angelegenheit noch experimenteller, auch er bringt den Bebop maßgeblich voran. So stellt er zum Beispiel bisher dagewesene Harmonien auf den Kopf und entwickelt Akkordvariationen, die es vorher noch nicht gab. Sein Spitzname „Bird“ inspiriert Songs wie Yardbird Suite, Ornithology, Bird Of Paradise oder Bird Gets The Worm. Durch seinen künstlerischen und avantgardistischen Ansatz entwickelt er sich zu einer der Galionsfiguren der Hipster-Kultur der Vierziger und später auch der Beat-Generation. Am 12. März 1955 stirbt er im Alter von nur 34 Jahren. Woran, ist nicht ganz klar. Offiziell werden eine Lungenentzündung und ein Magendurchbruch als Todesursache genannt. Parker hatte allerdings auch eine Leberzirrhose sowie einen Herzinfarkt.

Anspieltipps: All The Things You Are, Summertime, Scrapple From The Apple, Ornithology, Just Friends

6. Dizzy Gillespie

Wo wir gerade beim Bebop sind, machen wir auch dort weiter: Dizzy Gillespie gehört ebenfalls zu den Gründervätern und außerdem zu den wichtigsten Trompetern des Genres. Ob vielschichtige Harmonien oder komplexe Rhythmen: Auf vielen Ebenen bringt er den Jazz voran. Auch mit seiner Stimme und seinem Scat-Gesang wusste er zu überzeugen. Auf der Bühne begeistert sein Showtalent und seine offene, freundliche Art. Nicht zuletzt dadurch entwickelt er sich zu einem wichtigen öffentlichen Aushängeschild des Bebop. Am 6. Januar 1993 stirbt er im Alter von 75 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Anspieltipps: All The Things You Are, On The Sunny Side Of The Street, Groovin’ High, Con Alma, Bang Bang

7. Miles Davis

Auch Miles Davis widmet sich der Trompete, allerdings etwas umfangreicher: Von 1944 bis 1948 spielt er in Charlie Parkers Bebop-Quintett, später trägt er zur Entwicklung des Cool Jazz bei. Wie der Name dieser Spielart verrät, geht es hier um eher moderate Geschwindigkeiten. Zu Beginn der Fünfziger gehört Davis zu den ersten Vertretern des Hard Bop, einer Variante des Bebop mit Einflüssen aus Blues, Soul, R&B und Gospel. Ihm macht allerdings auch seine Heroinsucht zu Schaffen. Er verschwindet in der Versenkung, 1955 feiert er ein großes Comeback beim Newport Jazz Festival. Zwei Jahre später veröffentlicht er ‘Round About Midnight, sein erstes Album mit Saxofonist John Coltrane (siehe unten). Sein wohl größter Meilenstein Kind Of Blue erscheint 1959. Davis bleibt ebenfalls bis kurz vor seinem Tod aktiv. Am 28. September 1991 stirbt er im Alter von 65 Jahren an einer Hirnblutung.

Anspieltipps: Blue In Green, So What, Flamenco Sketches, ‘Round Midnight, Freddie Freeloader

8. Thelonious Monk

Etwa zur gleichen Zeit wie Miles Davis, trägt auch Pianist Thelonious Monk seinen Teil zur Jazzgeschichte bei. Nach Duke Ellington ist er der am zweithäufigsten aufgenommene Jazzmusiker. Der große Unterschied: Ellington hat, wie oben erwähnt, mehr als 1.000 Stücke geschrieben; Monk nur etwa 70. Sein fortschrittlicher Stil am Klavier gefällt nicht jedem. So arbeitet er mit wilden Rhythmusparts sowie plötzlichen Pausen und Verzögerungen. Jazzkritiker Philip Larkin nennt ihn sogar „den Elefanten auf dem Keyboard“. Seine Bühnenauftritte unterbricht Monk gerne mit spontanen Tanzeinlagen. Am 17. Februar 1982 erliegt er einem Schlaganfall.

Anspieltipps: ‘Round Midnight, Monk’s Dream, Ruby, My Dear, Body And Soul, I’m Confessin’ (That I Love You)

9. John Coltrane

Saxofonist John Coltrane spielt in jungen Jahren sowohl mit Miles Davis als auch mit Thelonious Monk, nabelt sich im Verlauf seiner Karriere aber zusehends ab und entwickelt sich zu einem der Gründerväter des Free Jazz. (Genau, das ist die Spielart, die für manche Ohren unerträglich klingt.) 1957 überwindet er seine Heroin- und Alkoholsucht und entwickelt daraufhin eine ausgeprägte Spiritualität. Mit gerade einmal 40 Jahren stirbt er am 17. Juli 1967 an Leberkrebs.

Anspieltipps: In A Sentimental Mood, Naima, My Little Brown Book, My One And Only Love, Time After Time

10. Nat King Cole

Mehr als 100 Hit-Songs hat Nat King Cole im Lauf seiner Karriere aufgenommen. Mit seinem Trio legt er den Grundstein für viele spätere Jazz-Gruppen. Im Fernsehen nimmt er eine ganz besondere Rolle ein und moderiert als erster Afroamerikaner eine TV-Sendung. Auch in Filmen und am Broadway tritt er auf. Am 15. Februar 1965 stirbt der starke Raucher an Lungenkrebs. Seine Tochter Natalie Cole entwickelt sich ebenfalls zu einer erfolgreichen Sängerin, auch wenn sie zu oftmals damit kämpft, im Schatten ihres Vaters zu stehen. Am 31. Dezember 2015 erliegt sie einer Herzinsuffizienz.

Anspieltipps: Unforgettable, L-O-V-E, Smile, When I Fall In Love, Orange Colored Sky

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