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Popkultur

Zeitsprung: Am 25.1.1994 erscheint „Jar Of Flies“ von Alice In Chains: Unplugged statt Dröhnung.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.1.1994.

von Christof Leim

Am 25. Januar 1994 überraschen Alice In Chains mit einer brillanten Akustik-EP: Jar Of Flies bietet ruhige Musik aus dem Halbdunkel, denn eigentlich wollte die Band nur entspannt ein bisschen im Studio herummusizieren. Mussten sie allerdings auch, weil sie gerade aus ihrer Wohnung geflogen waren…

Hört euch Jar Of Flies hier an und lest weiter:

Vielleicht wollen Alice In Chains 1993 einfach nur ihre Ruhe: Gerade hat die Band die World Tour für das großartige Dirt beendet, ihr ebenso grandioses wie düsteres Zweitwerk. Ihren Bassisten Mike Starr haben sie zu dem Zeitpunkt schon verloren, genauer: während der Konzertreise feuern müssen, weil sein Drogenkonsum aus dem Ruder gelaufen war. Bei einer Kapelle, die gerade ein Quasi-Konzeptwerk über Heroin abgeliefert hat, ist das schon eine Ansage. Als Nachfolger war Mike Inez zur Band gestoßen, der zu Zeiten von No More Tears in der Band von Ozzy gespielt hatte.

Leben im Studio

Anfang September 1993 schließen sich die vier Musiker mit Produzent Toby Wright in den London Bridge Studios in ihrer Heimatstadt Seattle ein. Viel anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, weil sie während der Tour aus ihrer gemeinsamen Wohnung geflogen sind. In einer Bio auf der offiziellen Website stand zu lesen, Jerry Cantrell habe gedacht, Layne Staley würde die Miete bezahlen, der habe gedacht, Sean Kinney würde sich kümmern, der wiederum sei fest davon ausgegangen… und so weiter und immer so rum. Ja, als junger Rockstar hat man anderes zu tun, als Daueraufträge einzurichten.

Neue Songs gibt es noch nicht, als die Band ihre Akustikgitarren auspackt. Sänger Layne Staley erklärt damals im Magazin Hit Parader: „Wir wollten einfach ein paar Tage ins Studio und gucken, was passiert. Wir hatten gar nicht geplant, die Musik zu veröffentlichen. Für uns ging es nur darum, dass wir vier Typen zusammen Musik machen.“ Die Verantwortlichen der Plattenfirma sehen das anders und werfen sofort die CD-Pressen an, als sie das Material hören, das die Musiker in nur einer Woche (!) geschrieben und aufgenommen haben.

Zartbitterer Hoffnungsschimmer

Denn Jar Of Flies zeigt eine ungeahnte musikalische Tiefe und bietet ein herrliches Spiel mit Licht und Schatten in luftigen Arrangements mit zurückhaltenden Sounds. Nach netter Popmusik und „shiny happy people“ klingt das immer noch nicht, aber die EP verströmt nach dem lebensmüden Dirt von 1992 zumindest zartbittere Hoffnung. In den sieben Songs dominieren stromlose Instrumente und die großartigen, gespenstischen Gesangsharmonien von Layne Staley und Jerry Cantrell. Auch neue Klangfarben wie eine Mundharmonika, Streicher und Country-Licks sowie ein melancholisches Instrumental erweitern die musikalische Palette. Vor allem aber bietet Jar Of Flies tolle Songs, die zeigen: So wie Cantrell komponiert niemand.

Das zeigt Wirkung: Jar Of Flies schießt aus dem Stand auf Platz eins der US-Charts, was vorher noch keiner EP (also einem „Kurzalbum“) gelungen ist. In Deutschland reicht es für Platz 25. No Excuses und I Stay Away werden als Singles ausgekoppelt, letzteres erhält 1995 sogar eine Grammy-Nominierung. Aber auch Nutshell und Rotten Apple gehören zu den besten Songs im Katalog von Alice In Chains.

Hinter dem Plattentitel steckt laut Staley ein Experiment, dass Cantrell in der dritten Klasse machen musste: „Sie haben ihm zwei Gläser voll mit Fliegen gegeben. In einem werden die Fliegen überfüttert, im anderen bekommen sie zuwenig. Den überfütterten Fliegen geht es eine Weile gut, dann sterben sie wegen Überpopulation. Im zweiten Glas überleben fast alle. Darin steckt irgendwo wohl eine Botschaft. Auf Jerry hatte das jedenfalls eine nachhaltige Wirkung.“

Immer mal wieder unplugged

So sehr die ruhigen Töne auch überraschen, ist Jar Of Flies nicht der erste Ausflug von Alice In Chains in Unplugged-Gefilde. Schon nach dem Debüt Facelift (1989) hatten sie fünf Akustiksongs für eine EP namens Sap eingespielt, die im Februar 1992 ohne viel Aufhebens in die Läden gestellt worden war. Schon ein Jahr nach Jar Of Flies ist dann wieder Schluss mit den ruhigen Tönen: Auf der dritten „richtigen“ Platte Alice In Chains von 1995 (die mit dem dreibeinigen Hund auf dem Cover) regieren wieder die finsteren Riffs. Leider aber auch die persönlichen Dämonen der Musiker, die zusehends die Überhand gewinnen…

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