------------

Popkultur

Zeitsprung: Am 4.11.1963 wird John Lennon frech gegenüber der Queen Mum.

Published on

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.11.1963.

von Christof Leim

Als die Beatles am 4. November 1963 bei einer piekfeinen Gala spielen, die sogar vom Königshaus besucht wird, kann sich John Lennon einen Spruch nicht verkneifen…


Hört hier in die besten Songs der frühen Beatles rein:

Klickt auf „Listen“ für das volle Programm.


Spätestens seit der Veröffentlichung ihres Debüts Please Please Me im März 1963 gehören die Beatles zu den erfolgreichsten Gruppen Großbritanniens, Beatlemania inklusive. Deshalb werden die „Fab Four“ zur Royal Variety Performance in London eingeladen, einer sehr renommierten Wohltätigskeitsgala, die zudem im Fernsehen übertragen wird. Sogar das Königshaus wohnt der Veranstaltung bei: Aus der royalen Loge schauen (natürlich huldvoll) Queen Mum, Princess Margret und Lord Snowdon zu; Queen Elizabeth II. bleibt zu Hause, weil sie gerade mit Prince Edward schwanger ist.



An diesem Abend treten unter anderem Marlene Dietrich und Dickie Henderson auf, als siebter von 19 Programmpunkten sind die Beatles dran. Sie spielen vier Stücke: ihre Hitsingles From Me To You und She Loves You, das Meredith-Willson-Cover Till There Was You sowie den Gassenhauer Twist And Shout. Weil an diesem Abend keine kreischenden Teenager die Darbietung hysterisch übertönen, können sich die vier Musiker tatsächlich mal richtig hören. Sie singen und spielen großartig; der kleine Auftritt gilt vielen Beobachtern heute noch als guter Einblick in die Live-Qualitäten des Quartetts. Bei der Ansage zu Twist And Shout setzt John Lennon dann ein diebisches Grinsen auf…

“For our next song, I’d like to ask for your help. For the people in the cheaper seats, clap your hands … and the rest of you, if you’ll just rattle your jewellery.“

Auf Deutsch: „Für das nächste Stück möchte ich um ihre Hilfe bitten: Die Leute auf den billigeren Plätzen klatschen bitte in die Hände. Alle anderen mögen einfach mit ihrem Juwelenschmuck klappern.“



Nun könnte man annehmen, dass solcherlei beim distinguierten britischen Adel und der königlichen Familie womöglich gar nicht so gut ankommt. Doch Queen Mum winkt (natürlich huldvoll) und amüsiert sich sichtbar über den Spruch. Dem leichtfüßigen Charakter der Show entsprechend lacht das Publikum sowieso. Lennon hebt verschmitzt den Daumen, täuscht ein Wegducken an und zählt Twist And Shout ein (das zeigt, dass in den Beatles immer eine coole Rock’n’Roll-Band gesteckt hat).



Damals herrschte in der britischen Kulturwelt, in Film, Theater und Musik die Ära der „Wütenden jungen Männer“, die sich gegen die anmaßende Oberschicht auflehnen. Deshalb hatte Lennon explizit darüber nachgedacht, was er bei der Show sagen könne: „Ich war wahnsinnig nervös“, erzählt er später. „Ein bisschen wollte ich ja schon rebellieren. Und das ist das Beste, was mir eingefallen ist.“ Man sieht ihm diese Nervosität sogar an, sie wirkt durchaus charmant. Angeblich hatte unser Mann sogar vor, eine „F-Bombe“, nämlich das Wörtchen „fucking“, in seiner Ansage unterzubringen, was Manager Brian Epstein natürlich nah an den Herzklappenabriss brachte. Zusammen mit Paul McCartney kann er seinem Frontmann diesen Plan ausreden. Vielleicht war das aber gar nicht so schwer, denn Vulgärsprache vor dem Königshaus hat realistisch betrachtet nicht mal von Lennon jemand ernsthaft erwartet.

Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass John Lennon sich mit einem wohlgesetzten Spruch beim Establishment unbeliebt – und bei seinen Fans ein bisschen mehr zur Legende – macht. Das gilt vor allem für seine folgenreiche Sentenz „Wir sind populärer als Jesus“ von 1968, die vor allem bei konservativen Gruppen in den USA (mal wieder) gar nicht gut ankommt. Aber das ist eine andere Geschichte. Auch ist John durchaus Spaßmacher auf der Bühne bekannt, was damals vor allem für Gekreische sorgt:



Lennons Spruch bei der Royal Variety Performance 1963 scheint nicht wirklich schlimm gewesen zu sein: Nach dem Auftritt unterhält sich die Band kurz mit Queen Mum, die später angeblich Folgendes zu Protokoll gibt: „Das war eine der besten Shows, die ich gesehen habe. Die Beatles sind sehr faszinierend.“ Auch erhalten die Musiker nur zwei Jahre später eine hohe Ehrung des Königshauses und werden zu „Members of the Order of the British Empire (MBE)“ ernannt. (Bei der Verleihung im Buckingham Palace sollen die Buben sogar gekifft haben.) Zur Royal Variety Performance werden sie erneut eingeladen, sagen aber immer ab: „Jeder ist da nur nervös und angespannt, keiner spielt gut“, erklärt Lennon 1970.

Natürlich stürzen sich die Medien am nächsten Morgen auf diesen kleinen Vorfall und titeln „Beatles rock the Royals” und “Night of triumph for four young men”. Es folgen unzählige Titelgeschichten alleine in der folgenden Woche, mehr noch: Die Einlage an diesem 5. November 1963 bringt den Beatles Presse in den USA. So schreibt das Time Magazine einen Artikel mit der Überschrift “The New Madness”, der explizit den „Juwelenwitz“ als Ausgangspunkt nimmt. Man könnte also sagen: John Lennons Spruch hat durchaus etwas gebracht.

Zeitsprung: Am 3.3.2009 werden die Beatles Studienfach an der Universität Liverpool.

Don't Miss