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Popkultur

Zeitsprung: Am 19.8.1939 kommt Ginger Baker zur Welt.

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Zoran Veselinovic/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 19.8.1939.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander, kaum einer beweist das so eindrucksvoll wie „Ginger“ Baker. Als Jahrhunderttalent revolutioniert er bei Cream und Blind Faith das Schlagzeugspiel und terrorisiert den Rock. Unterhaltsam ist das allemal, also werfen wir zum Geburtstag des trommelnden Derwisch einen Blick auf sein bewegtes Leben!

Hört hier das Debüt von Cream: 

Starten wir ganz am Anfang, denn geboren wird Peter Edward „Ginger“ Baker in Londons Arbeitermilieu. In seiner Jugend interessiert ihn die Musik zunächst in Form des Klavier- und Trompetenspiels, zudem sieht er sich mit Freunden gern Jazz-Shows an. Der eigentliche Karriere-Traum: Radrennfahrer. Als er im Teenageralter einen Unfall baut, zerlegt es den heißgeliebten Drahtesel. Um an Geld zu kommen, schlägt ein Freund ihm vor, er solle sich doch hinter ein Schlagzeug setzen. Da zählt Ginger 15 Jahre. Baker merkt hierzu später amüsiert an, dass wohl alle vor ihm wussten, dass ein Drummer in ihm steckt. Da es ihm immer noch an Budget fehlt, arbeitet er zunächst mit einem Kinderschlagzeug und moduliert es mit Zeltplanen und Keksdosen, um beim Vorspiel überhaupt ein Instrument vorweisen zu können. Er bekommt den Job.

Anfang der Sechziger folgt dann Unterricht beim legendären britischen Jazzer Phil Seamen, der ihm die erste Dosis Heroin spritzt, aber auch die Grundlage für den Part des jungen Schlagwerkers in der Graham Bond Organisation schafft. Dort ist er ab 1963 aktiv, mit dabei sind der Namensgeber, Dick Heckstall-Smith am Saxophon, John McLaughlin an der Gitarre und Jack Bruce am Bass. Er trägt Stücke wie Camels and Elephants bei, die Band tritt außerdem zwei Jahre nach ihrer Gründung im Film Gonks Go Beat auf, welcher katastrophale Kritiken erhält. 

Innerhalb der Gruppe gerät Baker immer wieder mit Bruce aneinander, den er schließlich feuert und mit einem Messer bedroht, um seiner Entscheidung Nachdruck zu verleihen. Ausgerechnet Bonds Drogenproblem geht ihm jedoch so sehr auf den Nerv, dass er sich nach neuen Möglichkeiten umsieht. Als „Ginger“ 1966 nach einem Konzert seinen geschätzten Musikerkollegen Eric Clapton heimfährt, erzählt er ihm von seiner Suche; Clapton, der sich an der Gitarre bei John Mayall & The Bluesbreakers kreativ unterfordert fühlt, schlägt ohne langes Zögern ein. Einzige Bedingung: Baker soll ausgerechnet Jack Bruce für den Bass anfordern. Der Rotschopf steuert laut Clapton beinahe das Auto in den Graben. Da die drei Musiker als „Crème de la Crème“ der Blues-Szene bekannt sind, nennt sich das Trio kurzerhand Cream und das Debütalbum Fresh Cream. Baker entwickelt auf dem Track Toad Elemente aus Camels And Elephants weiter und nimmt damit eines der ersten Drum-Soli überhaupt auf.

Nach drei weiteren Alben macht Cream jedoch schon 1969 wieder Schluss, die Spannungen zwischen Bruce und Baker sind unüberwindbar. Zwei Abschlusskonzerte in der Royal Albert Hall in London sind zwar kommerziell erfolgreich, bilden jedoch qualitativ keinen würdigen Abgang für die Ausnahmemusiker, die mehr gegeneinander als miteinander arbeiten. Mit Clapton versucht sich Baker noch einmal an einer Supergroup, gründet mit ihm, Steve Winwood von Traffic und Richard Grech Blind Faith. Erneut lässt die Begeisterung schnell nach, ein Muster, das sich bei Baker auch in Bezug auf seine diversen Ehen und Kinder durchzieht.

In den Siebzigern treibt es den Mann dann nach Nigeria, wo er mit viel Mühe ein Aufnahmestudio einrichtet, das unter anderem Paul McCartney und seinen Wings als Arbeitsplatz dient. Baker nimmt Material mit dem afrikanischen Multiinstrumentalisten und Menschenrechtler Fela Kuti auf und gründet die Baker Gurvitz Army, die drei Alben lang durchhält. 1980 zieht sich der Schlagzeugpionier zurück, um endlich seine Heroinsucht zu überwinden, spielt dann bei Hawkwind und geht Ende der Dekade nach Los Angeles, um auch noch Hollywood zu bezwingen. Stattdessen gibt’s in den Neunzigern doch wieder mehr Musik; zunächst mit Masters of Reality, dann wider besseres Wissen mit Jack Bruce bei BBM und im eigenen Projekt The Ginger Baker Trio. 

Eines verliert Baker bei den regelmäßigen Ortswechseln nicht: seinen Ruf als Dämon des Rock’n’Roll. Ob es nun an langjährigen Drogen- und Alkoholproblemen oder schlicht der Persönlichkeit liegt: Der Drummer macht Kollegen, Presse und Publikum gleichermaßen Angst, und zwar so sehr, dass seine Übellaunigkeit 2012 in der Dokumentation Beware Of Mr. Baker festgehalten wird, die auf einem Rolling Stone-Artikel basiert. Ob man’s glaubt oder nicht: Baker haut selbst während der Dreharbeiten einem Crewmitglied auf die Nase. 

Nicht gerade zimperlich: Das deutsche Cover zur Dokumentation „Beware Of Mr. Baker“.

Beim Polo bemüht er sich um einen Ausgleich, mit Cream findet er seinen Frieden allerdings nicht. Eine Reunion schrammt 2005 laut Clapton nur knapp an einem blutigen Ende vorbei. Seit 1999 treibt er in Südafrika sein Unwesen, leidet aber zusehends an starken gesundheitlichen Problemen. Baker verstirbt schließlich am 6. Oktober 2019 mit 80 Jahren im englischen Canterbury. Sein musikalisches Vermächtnis bleibt: Baker gilt als einer der einflussreichsten Schlagzeuger aller Zeiten, als Vorbild sämtlicher Heavy-Metal-Drummer und Pionier des Rock.

Zeitsprung: Am 26.11.1968 spielen Cream ein enttäuschendes Abschiedskonzert.

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