Popkultur
Die musikalische DNA von Limp Bizkit
Wenn der Name Limp Bizkit fällt, folgt darauf entweder verächtliches Schnauben oder ein genüsslicher Zungenschnalzer. Kaum eine Band polarisiert dermaßen stark, ob nun in der Rap-Szene oder im Metal-Zirkus. Von Genre-Puristen wurde die Musik von Fred Durst, Wes Borland, Sam Rivers, John Otto und DJ Lethal regelmäßig abgelehnt. Und die komischen, komplett überzeichneten und nicht selten bewusst sinnfreien Texte dieser Band erst! Ja, Limp Bizkit sind ein schwieriger Fall. Insbesondere ihr Frontmann Fred Durst, der sich zwischenzeitlich als glühender Verehrer Vladimir Putins outete und in der Vergangenheit mit homophoben und frauenfeindlichen Aussagen auffiel. It’s his way or the highway…
Hört euch hier einen Vorgeschmack der musikalischen DNA von Limp Bizkit an:
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Doch Limp Bizkit wurden immer ernster genommen, als sie selbst es waren. Allein die Wahl des Namens, die auf eine pubertäre Tradition – sprechen wir es aus: Kekswichsen – bezog, sollte bewusst abschrecken. Wer sich davon nicht beirren ließ, war als Fan willkommen. Doch ungeachtet der manchmal ziemlich bescheuerten Inhalte: Im Kern ist Limp Bizkit eine Band wie fast jede andere. Fast. Denn welche andere Gruppe würde schon die Dave Matthews Band genauso als Einfluss nennen wie Mr. Bungle und Tool? Wo treffen denn sonst eine Leidenschaft für Black Flag und den Wu-Tang Clan aufeinander? George Michael, The Who und Paula Abdul haben Limp Bizkit gecovert. Wie passt das zusammen? Wir versuchen mal, mit Blick auf die musikalische DNA der Band etwas Ordnung ins Chaos zu bringen.
1. Faith No More – Epic
Limp Bizkit haben das Crossover-Genre nicht erfunden. Auch waren Rage Against The Machine, ein früher Einfluss der Bizkits, keineswegs die ersten, die Rap und Rock zusammen dachten. Tatsächlich lassen sich schon sehr früh in der Rap-Geschichte Beispiele für musikalische Ansätze finden, in denen das eine Genre mit dem anderen eine (un-)heilige Allianz einging. Als Wegbereiter dessen, was unter dem Schlagwort Nu Metal bekannt wurde, gelten allerdings Faith No More. Als die 1998 aufgelöste Band nach ihrer Reunion im Jahr 2015 ein neues Album vorlegten, erinnerte sich Billy Gould nicht sonderlich wohlwollend an Limp Bizkit.
„Wir haben uns allein dadurch schuldig gemacht, dass wir sie auf eine Tournee mitgenommen haben“, sagte er gegenüber dem deutschen Metal Hammer. „Was darin gipfelte, dass Fred Durst unser Publikum als ‚Schwuchteln‘ und ‚Tunten‘ beschimpfte und sich dafür persönlich bei uns entschuldigen musste. Aber obwohl sie jeden Abend gnadenlos ausgebuht wurden, haben sie es doch erstaunlich weit gebracht, was genauso merkwürdig ist wie bei uns.“ Nicht nur musikalisch also waren die Crossover-Vorreiter von Faith No More für Limp Bizkit wegweisend. Tatsächlich konnten Durst und seine Mannen die Lücke füllen, die Faith No More nach ihrer Trennung 1998 hinterließen.
2. KoЯn – Blind
Den Startschuss für Limp Bizkits Karriere allerdings gaben, wie hätte es auch anders sein sollen, KoЯn ab. Die waren 1995 kurz nach der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums mit der Hardcore-Band Sick Of It All auf Tour. Durst, der sich bisweilen vergeblich als Manager der Bizkits ausgegeben hatte, um die A&Rs verschiedener Labels auf seine Band aufmerksam zu machen, lud die Gruppe um Jonathan Davis zu einem Bier und ein paar Tattoos ein. Obwohl die Band von seinen Künsten an der Maschine nicht angetan war: Bassist Fieldy ließ sich zumindest ein Demo aufschwatzen.
Der Rest ist Nu Metal-Geschichte: KoЯn luden Limp Bizkit auf gleich zwei Tourneen ein und verschafften ihnen damit bei einem größeren Publikum Gehör. Der Durchbruch war damit vorbereitet und selbst ohne Plattenvertrag konnten Limp Bizkit bald ganze Hallen füllen. 2016 zogen beide Bands erneut um die Welt. „Ihr habt in eurem Leben vielleicht ein paar coole Konzerte erlebt, aber ich kann euch versichern, dass ein Abend mit KoЯn und Limp Bizkit für immer und immer euer liebster sein wird“, prophezeite Durst damals. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Studio trafen beide aufeinander – siehe das bizarre Rap-Battle zwischen Durst und Davis auf All in the Family.
3. George Michael – Faith
Als Live-Act konnten Limp Bizkit ihr Publikum mit geballter Energie und einer abgefahrenen Performance überzeugen. Um die Sache noch etwas spannender zu gestalten, coverten sie zwischendurch unter anderem Faith, einen Song vom ehemaligen Wham!-Mitglied George Michael. Wer hätte gedacht, dass deren groovender Akustik-Funk sich für eine alles umwälzende Metal-Interpretation anbieten würde? Wohl nur Durst, Borland, Otto, Rivers und Lethal, die ihr Cover trotz Protest von Produzenten Ross Robinson auf ihr Debütalbum bringen wollten. Als der eine härtere Version des Stückes hörte, war er Feuer und Flamme.
Und Michael selbst? War nicht ganz so überzeugt. „Was wir aus seinem Umkreis gehört haben ist, dass er es hasst und uns gleich mit, weil wir das gemacht haben“, erklärte Borland gegenüber MTV im Jahr 1999. „Offensichtlich verachtet er unser Cover geradezu.“ Ganz anderes erzählte Durst dem Rolling Stone. „Meines Wissens nach liebt er den Song“, brüstete er sich. „Ich bin mit seinem Kram aufgewachsen, von den Wham!-Zeiten an. Er sah immer klasse aus, hatte Supermodels in seinen Videos. Ich wusste nicht, dass er schwul war – das war mir egal.“ Ähm, okay!?
4. Puscifer – Momma Sed
Wichtiger als die Anerkennung George Michaels war den fünf Mitglieder die einer anderen Band: Tool. Die 1990 gegründete Gruppe gehört zu den kauzigsten im gesamten Business. Ihre Musik ist extrem komplex und hat bisweilen völlig rätselhafte Texte, die nicht selten voller anzüglicher Anspielungen waren. Derweil Mastermind Maynard James Keenan mit seinem Alternative Rock-Projekt A Perfect Circle auch mal eine sanftere und eingängigere Seite von sich zeigte, stachen Tool wie auch Keenans späteres Nebenprojekt Puscifer heraus wie der Mittelfinger aus der Faust.
Mit dem Song Nobody Loves Me von ihrem Debütalbum Three Dollar Bill, Y’all $ zollte die Band den Kollegen mehr als explizit Tribut: Im Breakdown des Stücks imitiert Durst eindeutig den verhallten Gesang des Eigenbrötlers, der über die Blumen so gar nicht begeistert war. „Wenn die Kantinenfrau aus der High School dich angräbt, dann nimmst du das zwar als Kompliment auf“, erklärte er süffisant in einem Interview. „Aber du gehst dann doch nicht gleich mit ihr aus, oder?“ Autsch!
5. Elvin Jones – „Tune Up“: Elvin Jones’ Solo (Live)
Aber so war das schon immer mit Limp Bizkit: So viel die Band auch austeilte, so viel mussten sie im selben Zug einstecken. Oftmals wurde über die ganzen Querelen vergessen, dass es sich bei Limp Bizkit um eine Band handelte – eine Band wohlgemerkt, bei der durchaus talentierte Musiker zugange waren. Am ehesten ein Schattendasein führte stets Schlagzeuger John Otto, obwohl sein druckvolles, groovendes Schlagzeug doch erst das Fundament des Bizkit-Sounds ausmacht.
Hättet ihr gedacht, dass Otto ein echter Jazz-Nerd ist und sich für brasilianische sowie afro-kubanische Musik interessiert? Nein? Wärt ihr je drauf gekommen, nachzufragen? Auch nicht? Klarer Fehler! Otto ist ein vielschichtiger Charakter, der voll für die Musik lebt. Jazz ist seine Hauptreferenz. „Als ich anfing, Jazz zu hören, habe ich die Musik nicht verstanden“, gab er in einem seinen seltenen Solo-Interviews zu. „Aber ich dachte mir: ‚Diese Typen hätten kein Problem, irgendeine Art von Musik zu spielen.‘“ So flexibel wollte er hinter dem Kit ebenfalls sein und studierte die Soli großer Jazz-Drummer wie Elvin Jones ebenso wie das, was Rock-Helden wie John Bonham hinter der Schießbude leisteten.
6. Pearl Jam – Alive
Ohne Otto würden Limp Bizkit völlig anders klingen. Mehr noch: Vielleicht hätte es die Band ohne ihn nie gegeben. Denn er erst führte seinen Cousin an die Musik, einen gewissen Sam Rivers – besser bekannt als der Bassist der Bizkits! Rivers spielte zuerst im Schulorchester die Tuba, bevor er Metal und Rock für sich entdeckte. Black Sabbath und Megadeth nennt er als große Einflüsse, am meisten aber hat ihn wohl Jeff Ament von der Band Pearl Jam inspiriert. Ob er dafür verantwortlich ist, dass die Bizkits gerne mal deren Superhit Alive covern? Möglich ist es.
Rivers wurde unversehens zum Musiker, lebt seinen Beruf aber mit voller Leidenschaft aus. So sehr, dass er sich dabei schon mal selbst Verletzungen zugezogen hat: Bei einer Tour mit Kid Rock ärgerte er sich so sehr über den schlechten Sound, dass er seinen Bass in Einzelteile zerlegte und sich dabei die Hand verletzte. Autsch! Seine Leidenschaft mit dem Rock-Sound der frühen und mittleren neunziger Jahre – Nirvana, Soundgarden und eben Pearl Jam – teilt er übrigens mit Fred Durst. Wenig überraschend, schon klar.
7. Anthrax – Bring The Noise
Aber für Überraschungen ist bei Limp Bizkit nun mal jemand anderes verantwortlich: Wes Borland. Der Gitarrist mit den schrägen Bühnenoutfits hat über die Jahre einen Stil entwickelt, der unverwechselbar ist. Wer auch immer von Limp Bizkits Inhalten abgeschreckt wird, dürfte in der bisweilen extrem experimentellen Gitarrenarbeit der Band sein Heil finden. Von Songs wie Stuck angefangen hin zu den elaborierten Licks auf dem Album Gold Cobra oder natürlich seinen zahlreichen Nebenprojekten: Borland ist ein Genie, Punkt.
Aber wie landet so einer eigentlich bei einer Rap-Metal-Truppe? Ganz einfach: Nachdem sich Borland als Teenager vor allem für Punk, Hardcore und Metal interessierte, brachte ihn das Anthrax-Cover von Public Enemys Bring the Noise auf einen anderen Pfad – genau jenen Pfad, den später auch Limp Bizkit auch betreten sollten. Dazu gesellte sich der Einfluss seiner Gitarrenlehrer: Der erste brachte ihm bei, auf die Kraft seines Gehörs zu vertrauen, während der andere ihm ein paar Lektionen in Sachen Jazz mitgab. Selbst John Zorn oder Aphex Twin gibt er als Einflüsse an. Das Ergebnis klingt nach wie vor einzigartig. Wes Borland ist eben unnachahmlich!
8. Rage Against The Machine – Killing in the Name
Von Anthrax hin zu Rage Against the Machine war es nur ein kleiner Schritt. Und ohne RATM wären Limp Bizkit wohl dennoch nicht möglich gewesen. Durst gab im Laufe seiner Karriere einige Rapper als Inspiration an, mit Genre-Größen wie Raekwon oder Method Man hatten sie einige ihrer Helden sogar bei sich zu Gast im Studio. Schwieriger ist da schon das Verhältnis der Band – insbesondere Durst und dem ehemaligen House of Pain-Mitglied Lethal – zu Eminem, obwohl sie doch eigentlich im selben Boot sitzen sollten. Doch Ems Beef mit Everlast weitete sich auch auf die befreundeten Bizkits aus…
Aber zurück zu Rage Against the Machine: Die mögen Limp Bizkit auch nicht. „Ich entschuldige mich für Limp Bizkit“, sagte deren Bassist Tim Commerford 2015 in einem Interview. „Wirklich. Ich fühle mich gräßlich, weil wir die Inspiration für so einen Bullshit geliefert haben.“ Auweia! Der Diss hat aber eine lange Vorgeschichte: Schon 2000 störte Commerford die Dankesrede von Durst und Co. bei den MTV Music Awards. Der grinste schon damals entspannt: „Der Typ ist Rock’n‘Roll, er sollte den Award bekommen!“ Bis heute covern die Bizkits gerne Killing In The Name und widmen ihre Version „der Rap-Rock-Band, mit der alles angefangen hat“, so Durst. „Als ich das Stück zum ersten Mal hörte, traf es mich mitten ins Herz!“
9. Ice-T – New Jack Hustler (Nino’s Theme)
Die zarten Gefühle Dursts für Rage Against the Machine, sie wurden und werden wohl nie erwidert. Selbst mit seinen eigenen Kollegen überwarf er sich mehr als einmal. Borland führte eine kleine On-Off-Beziehung mit der Band und selbst DJ Lethal war für einige Jahre nicht an Bord. Dabei bringt der gebürtige Lette, der zuerst mit House of Pain seine Erfolge feierte, doch das gewisse Etwas in den Sound der Band mit ein. Leor Dimant, wie er eigentlich heißt, versteht sich weniger als DJ, der ein paar Scratches für eine Rock-Band beisteuert, sondern vielmehr als Sounddesigner.
Sein Handwerk hat er von Grund auf gelernt und war schon mit 16 Jahren gemeinsam mit Everlast auf Europa-Tour – mit Muttizettel im Gepäck! Die beiden waren damals mit Ice-T und dem Rhyme Syndicate unterwegs. „Ich traf Ice-T und dachte mir, ‚Oh mein Gott, ich sitze hier in Ice-Ts Haus und Darlene [Ortiz, Ice-Ts damalige Frau] macht mir ein Sandwich. Es kann gar nicht besser werden!‘ Aber dann wurde es besser“, lachte er. Dass er eines Tages bei einer Metal-Band hinter den Decks stehen würde, war aber noch nicht abzusehen.
10. Richard Cheese – Nookie/Break Stuff
Aber wer hätte schon Limp Bizkit voraussagen können? Der kometenhafte Aufstieg der Band kam wie aus dem Nichts. Trotz oder gerade weil sie so ziemlich jedes Fettnäpfchen mitnahmen. Wirklich verstanden haben den Humor dieser Band jedoch nur wenige – selbst ihre eigene Fanbase nahm die Texte der Gruppe bisweilen ernster als diese selbst. Doch was passiert eigentlich, wenn ein augenzwinkernder Song persifliert wird? Das ist einerseits in „Weird Al“ Yankovics Angry White Boy Polka zu hören und andererseits in den Big Band-Versionen von Nookie und Break Stuff, die Richard Cheese aufnahm.
Mit seiner Band Lounge Against the Machine nahm der Komiker Mark Jonathan Davis – ja, wirklich, wie der KoЯn-Sänger! – allein dem Namen nach die Tradition des Rap-Rocks auf die Schippe. Niemand war vor ihm sicher. Radiohead, The Prodigy, die Beastie Boys und Nirvana veräppelte er im Frank Sinatra-Stil auf dem Debütalbum Lounge Against the Machine, das 2000 erschien. Ein alberner Spaß, der Lyrics wie „You better watch your back / ‘cause I’m fucking up your program / And then you’re stuck up / You just lucked up / Next in line to get fucked up / Your best bet is to stay away motherfucker“ als das entlarvte, was sie im Kern schon immer waren: wunderbarer Blödsinn.
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Interview mit Mike Rutherford: „Die letzte Genesis-Show war bizarr“
Kaum hat er die eine Band zu Grabe getragen, führt er die nächste spazieren: Im Interview vor der anstehenden Deutschlandtour von Mike And The Mechanics spricht Mike Rutherford über das Touren, seine zweite Heimat Kapstadt und die allerletzte Show von Genesis.
von Björn Springorum
Ab dem 31. Mai 2023 gastiert Mike Rutherford mit seinen Mechanics in Deutschland. Für die Konzerte verspricht er alle Hits von Mike And The Mechanics und einen „Tropfen“ Genesis. Sechs Auftritte sind in Deutschland geplant – natürlich auch in seiner deutschen Lieblingsstadt Berlin.
„Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs, ohne das Alte aufgeben zu müssen.“
Mike, du hast Mike And The Mechanics 1984 gegründet, als Genesis eine Pause einlegten. Die Jahre davor waren ja ein einziger Wirbelwind, wäre da nicht ein längerer Urlaub auch eine gute Idee gewesen?
Aus heutiger Sicht ist das eine wirklich gute Frage. Ja, ich glaube, das wäre eine wirklich gute Option gewesen. (lacht) Genesis sind aber eben anders als andere Bands. Früher oder später starten andere Musiker ihre Soloprojekte und distanzieren sich von ihrer Hauptband. Bei uns war das anders. Wir liebten es, zusammen zu spielen. Unser Geheimnis war wohl immer die Vielfalt: Wir hatten Genesis, und wenn es bei Genesis mal etwas ruhiger wurde, hatten wir alle unsere anderen Spielplätze, auf denen wir uns eine Weile verlustieren konnten. Irgendwann kamen wir wieder mit frischen Ideen zu Genesis zurück und freuten uns darauf, weiterzumachen. Das sorgte dafür, dass wir uns und unsere Band noch mehr zu schätzen wussten.
Du hast ja schon vor Mike And The Mechanics Soloplatten veröffentlicht. Wieso brauchtest du eigentlich noch eine weitere Band?
Es ging mir nicht zwangsläufig darum, etwas ganz anderes zu machen. Es ging mir auch nicht darum, Dinge zu verwirklichen, die vielleicht keinen Platz bei Genesis gefunden hätten; es ging mir einfach darum, auch mit anderen Menschen Musik zu machen. Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs ohne das Alte aufgeben zu müssen. Klingt verwöhnt, ich weiß.
„Ich glaube weiterhin an das Albumformat.“
Die letzte Mechanics-Platte Out Of The Blue ist über vier Jahre alt. Ist das was Neues in Planung? Oder glaubst du etwa nicht mehr an das Albumformat?
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr so genau, was ich von all diesen Entwicklungen halten soll. Ich glaube aber weiterhin an das Albumformat und halte nichts davon, einfach nur einzelne Songs zu veröffentlichen. Aber ich bin eben ein Dinosaurier, ich komme aus einer Zeit, in der das Albumformat große Relevanz hatte, in der man sich eine absurd lange Zeit mit der richtigen Reihenfolge der einzelnen Songs befasste. Das kriegt man nicht mehr raus aus mir. Auf einem Album zählt jeder Song, alles muss an seinem Platz sein. Das gefällt mir. Die letzte Platte ist wirklich schon eine Weile her, aber es war ja erst Corona und dann die Genesis-Tour. Wird wohl mal wieder Zeit, was?
Wie funktionieren Mike And The Mechanics? Wie planst du neue Platten oder Tourneen?
Früher haben Genesis natürlich in gewisser Weise das Tempo von Mike And The Mechanics vorgegeben. Seither haben wir natürlich mehr Freiheiten und können agieren, wie wir es möchten. Natürlich gibt es uns auch schon seit 1984, also bald 40 Jahre, und es gab auch in unserer Karriere große Einschnitte: Der Tod von Paul Young oder der Ausstieg von Paul Carrack etwa. Doch Mike And The Mechanics blieben davon unberührt immer Mike And The Mechanics. Wenn ich etwas schreibe, das nach dieser Band klingt, dann kommt auch der Name dieser Band darauf. So einfach ist das.
Du bist gerade auf deiner ersten Mechanics-Tour seit 2019. Seither hat sich die Welt des Tourens radikal verändert. Wie ist es, wieder unterwegs zu sein?
Es ist schon richtig, seither ist eine Menge passiert. Nichts ist mehr so wie es war, habe ich manchmal den Eindruck. Natürlich freue ich mich unheimlich, wieder auf der Bühne zu stehen, aber ein wenig Unsicherheit bleibt nach all dem, was passiert ist, durchaus zurück. Zum Glück sind die Besucherzahlen soweit sehr in Ordnung. Das ist ja auch nicht mehr garantiert.
Auf der Tour spielst du neben Mechanics-Hits auch Genesis-Klassiker wie Jesus He Knows Me, Invisible Touch oder I Can’t Dance. Fühlt sich das auf der Bühne eigentlich unterschiedlich an?
Natürlich fühlen sich die Mechanics-Songs für uns als Band natürlicher an. Die Genesis-Stücke sind mir aber mindestens ebenso nah und teuer. Die beiden Welten klingen vielleicht ein wenig anders, aber ich spüre da keine großen Unterschiede.
„Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen.“
Wie ist das Touren mit Mike And The Mechanics im Vergleich zu Genesis?
Ich habe zwei Persönlichkeiten, wenn ich toure: Mit Genesis zu touren ist die wohl wundervollste Art und Weise, die Welt zu bereisen: Privatjet, Limousinen, die schönsten Hotels, das feinste Essen, reichlich Zeit zwischen den Auftritten. Bequemer und schöner geht es nicht. Bei den Mechanics geht es noch ein bisschen handfester zu: Kleinere Hallen, weniger Glamour. Beides macht Spaß, keine Frage, ist aber sehr unterschiedlich. Viele Menschen in meinem Alter beschweren sich über die langen Tourneen, aber zu denen sage ich dann nur: Dann hört doch einfach auf damit! Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen. Ich für meinen Teil liebe es. Ich liebe es, die Welt zu sehen, herumzureisen, all die verschiedenen Spezialitäten zu essen…
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Wenn du nicht tourst, so heißt es, teilst du deine Zeit auf England und Südafrika auf…
… das stimmt so nicht ganz. Ich lebe seit 43 Jahren in Loxwood im Süden Englands. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich habe zwar ein Haus in Kapstadt, in dem wir regelmäßig sind, aber ich würde Kapstadt nie als Zuhause bezeichnen. Eher als Möglichkeit, dem englischen Wetter zu entkommen, wenn ich es mal nicht mehr aushalte. Aber so oft passiert das nun auch nicht, ich bin schließlich Engländer. Ich war so viel unterwegs, da reicht es mir mittlerweile eigentlich, an einem Ort zu sein. Aber dann und wann ein wenig Urlaub kann ja auch nicht schaden.
Wie kam es zu diesem Haus in Kapstadt?
Meine Großmutter war aus den Niederlanden und hatte Kontakte nach Südafrika. Ich habe dort unten auch Verwandte, hatte sie aber nie besucht. Dann zeichneten wir mit den Mechanics eine Fernsehsendung in Kapstadt auf, das war irgendwann in den Achtzigern. Seither komme ich wieder und genieße es sehr: Keine Zeitverschiebung, das ganze Leben findet draußen statt, überall ist was los.
„Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte.“
Genesis gründeten sich vor 55 Jahren und spielten 2022 ihr letztes Konzert. Hättest du eine lebenslange Karriere wie diese damals überhaupt für möglich gehalten?
Ach was! Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte, noch dazu eine derart lange. Ich meine, die Beatles gab es gerade mal vier, fünf Jahre, als wir Genesis gründeten, und das war für die damalige Zeit schon eine Ewigkeit. (lacht) Wir dachten alle, das hört irgendwann einfach automatisch wieder auf. Hörte es aber nicht.
Gewisse Dinge hören aber eben doch auf: Genesis gibt es ganz offiziell nicht mehr. Wie war die letzte Show?
Nostalgisch natürlich. Zumindest ein wenig. Aber so ist das eben: Dinge enden. Und nach 53 Jahren kann man sich auch damit abfinden. Insbesondere als Band wie Genesis, die so viel getourt ist. Das Schönste war, als wir nach der Show mit Peter Gabriel und unserem alten Tourmanager Richard McPhail in der Garderobe waren. Die Show an sich war bizarr. Alles war okay, bis ich auf die Setlist blickte und sah, dass es nur noch vier Songs waren. Das schwarz auf weiß zu sehen, machte mich durchaus emotional.
Das Ende von Genesis ist aber eben nicht das Ende der Karriere von Mike Rutherford. Du bist 72 – was lässt dich weitermachen?
Der englische Arbeitsethos natürlich. Zudem habe ich einen Job, in dem man auch mal etwas kürzer treten kann, wenn man das denn will.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.5.1948 kommt John Bonham von Led Zeppelin zur Welt.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.5.1948.
von Christof Leim
Am 31. Mai würde John Bonham seinen Geburtstag feiern. Doch leider starb der legendäre und ungemein einflussreiche Schlagzeuger von Led Zeppelin 1980 mit nur 32 Jahren. Blicken wir zurück auf ein ziemlich lautes Werk voller Kraft, Finesse und Groove.
Hört hier in die besten Songs von Led Zeppelin rein:
John „Bonzo“ Bonham gehört immer noch zu den ganz Großen: Dekaden nach seinem Tod steht der Drummer von Led Zeppelin regelmäßig an der Spitze diverser Ranglisten. So wählten die Leser des Rolling Stone den Briten gleich mehrfach zum „Besten Drummer aller Zeiten“. Als die Metal-Newsseite Blabbermouth 2008 fragte, welchen verstorbenen musikalischen Star die Fans gerne wieder zum Leben erwecken würden, nannten sie vor allem Bonham, noch vor Freddie Mercury und Elvis Presley. Bonham genießt weiterhin hohes Ansehen wegen seines besonderen Gespürs für den Groove eines Stückes, wegen seines eigenständigen Sounds, seiner Vielseitigkeit und nicht zuletzt wegen seiner Wucht und Geschwindigkeit, wenn es mal ordentlich zur Sache gehen musste.
Telegramm in die Kneipe
Das Gehämmer startet schon früh und ganz klassisch: Der am 31. Mai 1948 geborene John Henry Bonham setzt sich schon mit fünf Jahren vor Töpfe und Kaffeedosen, um seinen Vorbildern Gene Krupa und Buddy Rich nachzueifern. Als Zehnjähriger bekommt er von seiner Mutter eine Snare-Drum, mit 15 schenkt ihm sein Vater ein richtiges Drumkit. Unterricht nimmt John nie, doch er lernt von anderen Schlagzeugern aus seinem Heimatort Redditch in der Nähe von Birmingham. Mit 16 verlässt der Junge die Schule, der Schulleiter notiert: „Er wird entweder Müllmann oder Millionär.“ Von der Tischlerlehre bei seinem Vater hält er nichts, er schließt sich lieber seiner ersten semiprofessionellen Band an: Terry Webb & The Spiders. 1966 stößt er zu der Blues-Combo Crawling King Snakes. Ihr Sänger: Robert Plant. Die beiden starten die Band Of Joy, bis 1968 der erfolgreiche Sessiongitarrist Jimmy Page eine neue Gruppe gründet: Led Zeppelin. Er rekrutiert Plant, der wiederum schlägt seinen trommelnden Kumpel vor. Bonham lässt sich zunächst bitten, schließlich hat er auch Angebote von Joe Cocker und Chris Farlowe in der Tasche. Doch Page und Manager Peter Grant bleiben dran, sie schicken fast 50 Telegramme an Bonhams Stammkneipe. Es ist bezeichnend, dass man den Schlagzeuger anscheinend schon damals am ehesten dort antreffen konnte.
Damit sind Led Zeppelin geboren, eine der größten, wichtigsten, tollsten Bands in der Geschichte des Rock. Bassist John Paul Jones kommentiert später gegenüber dem Bonham-Biografen Chris Welch: „Schon als ich John Bonham das erste Mal spielen gehört habe, war mir klar, dass das großartig werden würde. Er wusste, was er tut, und er hatte einen verdammten Swing. Wir haben von Anfang an hervorragend zusammengepasst.“ 1969 erscheint das Debüt Led Zeppelin, der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. (Das Wichtigste zur Entstehung dieser ersten Platte könnt ihr hier nachlesen.).
Kunstvolles Geknüppel
Mit 21 Jahren gehört Bonzo zu einer der aufregendsten Bands der Welt. An deren Erfolg trägt er einen großen Anteil, denn bei Led Zeppelin liefert das Schlagzeug nicht nur einen netten Beat aus dem Hintergrund, sondern treibt und formt die Songs. Das hört man natürlich insbesondere bei den lauten Stücken, und laut kann er: In seinen Anfängen fliegt Bonzo mehr als einmal aus Clubs raus, weil er schlicht zu viel Lärm macht. Er benutzt die längsten und dicksten Schlagzeugstöcke, die er selbst „Bäume“ nennt, und nicht selten wird er – neben Cozy Powell und Keith Moon – als Inspiration für das kultige Trommelmonster Animal aus der Muppet-Show genannt.
Led Zeppelin 1975 in Chicago. Credits: more19562003
Aber Bonham kann nicht nur „feste“: Seine Fähigkeit zur Dynamik, zum Wechsel zwischen lauten und leisen Passagen, zeichnet Stücke wie No Quarter und das majestätische Stairway To Heaven aus. Zudem musiziert er höchst agil: Bei den ersten Aufnahmen des Songs Communication Breakdown lässt Kapitän Jimmy Page seinen Drummer einmal ein Kit mit zwei Bass-Drums benutzen, doch vergisst diese Idee schnell wieder, weil der Trommler einfach zu viel spielt. Auch Improvisation liegt Bonzo im Blut: Sein Drumsolo Pat’s Delight, aus dem später Moby Dick wird, dauert nicht selten über 20 Minuten.
Man hat es oder auch nicht
Dabei benutzt er sogar seine bloßen Hände, um andere Sounds zu ermöglichen. In späteren Werken wie Royal Orleans und Fool In The Rain lässt er sogar Latin- und Funk-Einflüsse hören. Bonham spielt nicht nur “Bumm-Tschak”, sondern variantenreich und melodisch (ja, das gibt es auch am Schlagzeug). Vor allem aber hat der Mann einen Groove am Leib, dass es nur so eine Art hat. Gemeint ist diese seltene und schwer zu fassende Qualität, einen Rhythmus besonders mitreißend klingen zu lassen. Wir empfehlen als Referenzen an dieser Stelle insbesondere den mächtigen Wumms von When The Levee Breaks, die Schubkraft von Rock’n’Roll sowie die Kopfnickerqualitäten und Experimentierfreudigkeit von Bonzo’s Montreux.
Natürlich zieht großer Erfolg einen gewissen Lebenswandel nach sich: Nicht nur verdienen Led Zeppelin eine gewaltige Menge an Geld und reisen mit einem hochgepimpten Luxusflugzeug durch die Gegend. Sämtliche Versuchungen und Erfrischungen stehen und liegen für die vier Musiker bereit. Bonhams Laster? Er trinkt gerne und viel. Als die vier Mitglieder sich für das Album Led Zeppelin IV (1971) jeweils ein Symbol ausdenken, wählt Bonzo ein Muster aus drei sich überschneidenden Kreisen. Das sieht mystisch aus und verspricht eine versteckte Bedeutung, doch laut Rolling Stone erinnert es vor allem aus wie das Logo einer Biermarke, die unserem Helden schmeckt.
Harley im Hotel
An seinem 25. Geburtstag befindet sich die Band gerade auf Tour in den USA, im Gepäck das brandneue Album Houses Of The Holy. Seine Bandkollegen schenken ihrem Drummer zur Feier des Tages eine brandneue Harley-Davidson. Wie man es halt so macht unter Kumpels auf dem Rockolymp. Bev Bevan, Schlagzeuger bei The Move und ELO, erzählt: „Damit ist er später ein paar Hotelflure rauf und runter gefahren und hat anscheinend eine ziemliche Verwüstung hinterlassen. Aber er ist am nächsten Tag für alle Schäden aufgekommen und hat sogar das Motorrad dagelassen. Unglaublich, aber so war er.“ Daneben liebt John Bonham historische Sportwagen, die er auf seiner Farm namens The Old Hyde in England sammelt. Dort lebt er mit seiner Frau Pat und den Kindern Zoë und Jason.
Doch die Tragödie naht schon: Am 24. September 1980 sammelt ein Assistent der Band, den Schlagzeuger ein, um ihn zu einer Probe für die anstehende Nordamerika-Tour zu bringen. Noch während der Fahrt gelüstet es Bonham nach einer Stärkung zum Frühstück: Bei einem Stopp kippt er vier Screwdriver, also Wodka-Orange, und zwar jeweils in vierfacher Stärke, „doppelte Doppelte“, wenn man so will. Während der Probe trinkt er weiter, weswegen sie manchen Quellen zu Folge auch abgebrochen wird. Die ganze Mannschaft zieht sich in das Haus von Jimmy Page zurück. Dort schläft Bonham nach Mitternacht ein und wird in ein Gästebett gelegt. Als am darauffolgenden Nachmittag Tourmanager Benji LeFevre und Bassist John Paul Jones nach ihm schauen, reagiert er nicht mehr. John Bonham ist tot. Er wurde nur 32 Jahre alt.
Zu viel ist zu viel
Eine Untersuchung ergibt, dass der Drummer innerhalb von 24 Stunden etwa 40 „shots“ Wodka in sich hinein gekippt hat, was etwa 1 bis 1,4 Liter entspricht. Das kann nicht gut gehen: Bonham muss sich während der Nacht erbrechen und erstickt daran. Weitere Drogen werden in seiner Blutbahn nicht nachgewiesen, auch kein Heroin, von dem er erst kurze Zeit vorher losgesagt hatte. Allerdings nahm er das Psychopharmakum Motival, um Anspannung und Angstzustände zu bekämpfen. Ob dieses Mittel mit dem Alkohol interagierte, ist unklar. John Bonham wird eingeäschert und am 12. Oktober 1980 bestattet. Seine Tochter Zoë ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, später wird sie erfolgreiche Sängerin. Sein Sohn Jason war damals 14, er lernt ebenfalls das Schlagzeugspielen und trommelt in der Folge unter anderem bei UFO, Foreigner, Black Country Communion und seiner eigenen Band Bonham. Er trommelt auch beim letzten Reunionkonzert der überlebenden Led Zeppelin-Mitglieder 2007 in London.
Der Schock sitzt tief. Zu wichtig ist Bonzos Einfluss für die Band, als dass sie ihn ersetzen könnte. Am 4. Dezember veröffentlichen Led Zeppelin eine Erklärung: „Wir möchten bekannt geben, dass der Verlust unseres geliebten Freundes und der tiefe Respekt gegenüber seiner Familie in Verbindung mit dem Gefühl von unteilbarer Harmonie uns zu der Entscheidung gebracht haben, nicht weiter zu machen.“
Doch Bonzos Vermächtnis lebt in Tausenden Rocksongs weiter. Dave Grohl von den Foo Fighters formuliert es so: „John Bonham spielte Schlagzeug, als wüsste er nicht, was als nächstes passiert. Als würde er am Rand einer Klippe herumtaumeln. Niemand konnte ihm seitdem das Wasser reichen, und ich glaube, das wird auch nicht passieren. Er wird für immer der beste Drummer aller Zeiten bleiben.“
John Bonhams Grab. Credits: Ebbskihare
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Zeitsprung: Am 25.10.1968 heißen Led Zeppelin zum ersten Mal Led Zeppelin.
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Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt
Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:
Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“
Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.
Marie Fredrikssons musikalische Anfänge
Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.
Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.
Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette
Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.
Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.
Marie Fredrikssons viel zu früher Tod
Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.
Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.
Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.
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