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Popkultur

Zeitsprung: Am 10.1.1984 gehen Ozzy & Mötley Crüe auf Tour. Auweia.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 10.1.1984.

von Christof Leim

Ozzy Osbourne und Mötley Crüe zusammen auf Tour: Das kann nicht gut gehen. Der „Madman“ und die Chaoten aus L.A. überbieten sich an Dekadenz und Ausschweifung. Los geht der Wahnsinn am 10. Januar 1984. Und ja, auf diesem Trip passiert auch die Sache mit den Ameisen…


Hört hier in Shout At The Devil von Mötley Crüe rein:

Klickt auf „Listen“ für das volle Programm.

Zu Beginn des Jahres 1984 hat Ozzy gerade sein drittes Soloalbum Bark At The Moon draußen. Nach dem Tod seines Wundergitarristen Randy Rhoads und einer Phase der Selbstfindung (und Selbstbetäubung) steht der Sänger wieder ganz oben in der Hard Rock-Welt. (Ein Porträt des Meisters findet ihr hier). Die Tour war schon im November in Europa gestartet, zum Line-up gehören neben Jake E. Lee, dem neuen Sechssaitenvirtuosen an Ozzys Seite, noch die alten Bekannten Bob Daisley (Bass) und Don Airey (Keyboards), außerdem Drum-Veteran Carmine Appice, der schon für Jeff Beck, Rod Stewart und Vanilla Fudge getrommelt hatte.



Bei Mötley Crüe stehen nach der Veröffentlichung von Shout At The Devil (1983) die Zeichen zwar auf Sturm, aber bis zur Weltherrschaft fehlt noch ein Stück. Am 28. Mai 1983 spielen sie vor ganz großer Kulisse beim zweiten US Festival (alles dazu hier) und hinterlassen einen gewaltigen Eindruck, offensichtlich auch bei Ozzy und seiner Frau und Managerin Sharon Osbourne. Die beiden laden die Band ein, die US-Daten der Bark At The Moon-Tour zu eröffnen, was ihnen zum ersten Mal die Möglichkeit gibt, in den ganz großen Hallen aufzutreten. Schlagzeuger Tommy Lee bedankt sich dafür ausdrücklich in seinem Buch Tommyland: „Die Tour war überall ausverkauft und einen Gig in einer pickepackevollen Arena zu spielen, war der verfickte Himmel für eine Band mit unserem Status. Ich stehe auf ewig in ihrer Schuld.“



Nichts für Kinder: die Crüe-Biografie „The Dirt“

Mötley mögen zu diesem Zeitpunkt noch nicht die großen Stars sein, doch in bei Wein, Weib, Gesang stehen sie schon ziemlich weit vorne. Deutlich formuliert: Drogen, Sex und Zerstörung gehören bereits zum Tagesgeschäft. Wie sich allerdings rausstellen sollte, fällt das im Vergleich zu Ozzy alles unter „Amateurkram“. Denn während der Achtziger macht niemand, wirklich niemand dem „Madman“ in Sachen Dekadenz etwas vor. Das weiß Nikki Sixx, Bassist der Kalifornier, allerdings noch nicht. In der berüchtigten Bandbiografie The Dirt von 2001 schreibt er: „Wir hielten uns für die bösesten Geschöpfe auf Gottes Erdboden. Niemand trieb es so oft und so wild wie wir, und niemand kam so unbehelligt mit diesem Benehmen davon. Wir hatten keinerlei Konkurrenz. Aber dann trafen wir Ozzy.“

Die erste gemeinsame Show findet am 10. Januar 1984 in Portland, Maine statt, und von Anfang verstehen sich Headliner und Support blendend. „Er hat uns unter seine Fittiche genommen und dafür gesorgt, dass wir uns wohl dabei fühlen, jeden Abend vor 20.000 Leuten zu stehen“, erklärt Sixx und mutmaßt, ohne diese Tour wären Mötley Crüe eine von vielen typischen L.A.-Bands geblieben: „schon irgendwie Stars, aber nie durchgestartet“.

Nikki erzählt weiter, dass Ozzy kaum einen Abend in seinem eigenen Tourbus verbringt, in dem gelegentlich auch seine erst wenige Monate alte Tochter Aimee samt Mutter Sharon mitreist. Stattdessen hängt unser Mann lieber bei der Crüe rum, um mit ihnen nächtelang durch intensives Tischriechen ein ungesundes südamerikanisches Exportprodukt aus der Welt zu schaffen. Dabei will jede Partei die krasseste sein: Auf der einen Seite die vier Wilden aus Los Angeles, auf der anderen Seite der „Madman“ aus England, der es schon zu Zeiten von Black Sabbath hat krachen lassen wie kein Zweiter (und daran fast zugrunde gegangen wäre). „Diese Tour wird noch jemanden das Leben kosten“, kommentiert Ozzy damals laut seiner Autobiografie I Am Ozzy (2010) die anstehende Konzertreise. Der damalige Mötley-Manager Doc McGhee sieht sogar richtig schwarz: „Jemand? Ich glaube, wir werden alle dabei draufgehen.“



Ebenfalls nichts für Moralapostel: Ozzys Autobiografie

In seinem Buch schreibt Osbourne: „Das Problem war Mötley Crüe. Sie waren vollkommen verrückt, und das empfand ich natürlich als Herausforderung. Genau wie bei John Bonham hatte ich das Gefühl, ich müsste ihren Irrsinn noch übertreffen, sonst hätte ich meinen Job nicht erledigt. Aber das empfanden wiederum sie als Herausforderung, also hatten wir jeden Tag rund um die Uhr Action, Action, Action. Die Konzerte waren dabei der leichteste Part. Schwierig war, die Pausen dazwischen zu überleben.“ Einmal wacht Ozzy nach einer Tankladung voll Sake auf dem Mittelstreifen einer zwölfspurigen Autobahn auf. Er kann sich retten und muss mal, also pinkelt er gegen ein Auto – das sich prompt als ziviles Polizeifahrzeug entpuppt. So geht es weiter. Wir empfehlen als kurzweilige Lektüre der Kategorie „Nicht zu Hause ausprobieren“ ausdrücklich die entsprechenden Kapitel von The Dirt und Am Ozzy. Hier ein kleiner Überblick über die weiteren „Erfolge“: In Memphis klauen Ozzy und Crüe-Sänger Vince Neil ein Auto und fahren es zu Schrott, in New Orleans gerät die Reisegruppe in eine Messerstecherei, und in Nashville macht Ozzy eine ganz besondere Sauerei in der Toilette von Tommys Lees Hotelzimmer, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen. Ein Wahnsinn. Laut Nikki Sixx tut das alles Ozzy in lichten Momenten immer wieder leid, die Mötley-Jungs selbst sind von solchen unvermeidlichen Einsichten allerdings noch ein paar Jahre entfernt (was darin gipfelt, dass Sixx an Weihnachten 1987 für zwei Minuten an einer Überdosis stirbt).

Einen fast schon traurigen Höhepunkt erreicht das Ganze in Lakeland, Florida, als die Tour bereits über einen Monat durch Nordamerika marodiert: Wie in The Dirt zu lesen steht, fallen die Musiker am Mittag des 23. Februar aus dem Bus und stolpern ins Hotel, wo sie sich ohne Umschweife zur Bar begeben. Nach den Worten von Sixx trägt sich dann folgendes Begebenheit zu: „Ozzy zog seine Hose aus und steckte sich einen Dollar in die Arschritze. Den hat er dann allen Anwesenden angeboten. Als eine ältere Dame ihn ausschimpft, greift er ihre Tasche und rennt weg. Später taucht er am Pool auf – und trägt das Kleid der Dame, das er in ihren Sachen gefunden hat.“ Und dann passiert es: Der drogensüchtige Ozzy braucht Nachschub, aber es gibt kein weißes Pulver mehr. Trotzdem lässt er sich von Nikki einen Strohhalm reichen. Mit dem geht er zu einem Riss im Betonboden, aus dem sich eine Ameisenstraße schlängelt. Nikki denkt sich noch „Das wird er nicht tun“ – als Ozzy genau das tut: Er zieht die Ameisen wie eine Linie Koks in die Nase.


Damit nicht genug: Agent Doppel-O rafft laut der Schilderung in The Dirt das Kleid, pinkelt vor aller Augen los, kniet nieder und leckt die Plörre auf. Sein Kommentar: „Mach mir das erstmal nach, Sixx!“ Der kann das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und begibt sich – wenngleich widerstrebend – ebenfalls ans „Werk“ und denkt sich: „Naja, es kommt ja aus meinem Körper…“ Doch Ozzy legt noch einen drauf – und hilft mit. Woah! Mötley Crüe müssen einsehen, dass sie bei aller Verdorbenheit nicht mithalten können: „Von dem Moment wussten wir, dass es jemanden gibt, der – egal was wir gerade anstellen – krasser und ekliger drauf ist als wir.“ Ozzy selbst allerdings gibt in seinem Buch zu Protokoll: „Wenn mir heute jemand Storys über diese Tour erzählt, weiß ich nicht, ob sie stimmen oder nicht. ‚Ozzy, hast du wirklich eine Ameisenstraße geschnieft?‘, und ich habe keine Ahnung. Möglich ist es.“



Kein Wunder also, dass Ozzys Frau Sharon wieder zur Tour stößt, um Kraft ihrer natürlichen Autorität für Ordnung zu sorgen. Eine gute Idee, denn Ozzy geht fortan früh ins Bett, hält seine Nase sauber und Händchen mit der Gemahlin. Wenn die allerdings für eine Weile abreist, lässt der Sänger das dünne Mäntelchen der Zivilisation wieder fahren und haut auf die Sahne, dass es nur so eine Art hat. Als unbestrittene Chefin der ganzen Operation verfügt Frau Osbourne auch, dass die Supportbands sich ebenfalls zurückhalten mögen. „Sie hat uns überhaupt keinen Spaß zugestanden“, findet Nikki. Mötley lassen sogar Shirts drucken mit der Aufschrift: „No Fun Tour: ’83-’84“. Der Mötley Crüe-Bassist erzählt, dass er Mama Sharon sogar um Erlaubnis bitten muss, auf den Shows „Damenbekanntschaften“ machen zu dürfen für, sagen wir, weiterführende Gespräche nach der Show im privaten Rahmen.

Das Drama auf diesem Kriegszug beschränkt sich nicht mal auf Feierei: Der damalige Ozzy-Drummer Carmine Appice gilt in der Rockszene selbst als Star und will deshalb eigene Shirts verkaufen. Sharon und Ozzy erlauben es ihm sogar. Allerdings muss der Mann irgendwann feststellen, dass aus jedem seiner Shirts sein Gesicht fein säuberlich rausgeschnitten wurde. Am 3. März 1984, knapp zwei Wochen nach dem „Ameisenvorfall“, übernimmt Tommy Aldridge das Schlagzeug.

Mit einigen Unterbrechungen sind Ozzy und Mötley Crüe alleine in den USA an die drei Monate zusammen unterwegs. Bei der letzten Show überschüttet Ozzys Band die Vorgruppe mit Mehl und Senf, wie in Tommyland zu lesen steht. Die Crüe-Musiker revanchieren sich, in dem sie in Mönchsroben auf der Bühne auftauchen, die ablegen und mit „blanken Waffen“ zwischen den Musikern herumlaufen. Keine Frage: Musikalisch geben die beiden Truppen ein tolles Hard Rock-Paket ab, doch nach dem letzten Ton des Abends bedeutet diese Kombination regelmäßig Chaos und Dekadenz. Es mag nur die Hälfte dieser Geschichten stimmen, aber ein Kern an Wahrheit reicht hier schon. Die Achtziger haben ihren Ruf sicher nicht aus Versehen bekommen…


Credit Header-Foto: Ron Galella/WireImage

Zeitsprung: Am 23.12.1987 stirbt Nikki Sixx von Mötley Crüe – für zwei Minuten.

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Zeitsprung: Am 26.3.1990 hat Gary Moore immer noch den Blues.

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Gary Moore Still Got The Blues Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.3.1990.

von Christof Leim

Ein Rocker entdeckt den Blues: Den guten Namen hat Gary Moore sich mit knackigem Hard Rock und sogar Jazz Fusion erspielt. Seinen größten Hit landet er jedoch am 26. März 1990 mit  Still Got The Blues, einem geschmackvollen Blues-Album. Für die prägnanteste Stelle fängt er sich allerdings eine Plagiatsklage ein…

Hier könnt ihr Gary und seine alte Liebe hören:

Alte Liebe rostet nicht: Auf dem Cover von Still Got The Blues sehen wir einen kleinen Jungen in seinem Zimmer, die viel zu große Les Paul auf den Knien, einen Übungsverstärker vor sich und Jimi Hendrix‘ Konterfei an der Wand. Die Rückseite der Platte zeigt die gleiche Szenerie – nur diesmal mit einem erwachsenen irischen Gitarrenhelden, irgendwo in einem Hotelzimmer, mit einer Dose Bier und einem angebissenen Hamburger vom Zimmerservice. Auf seinem Schoß eine Les Paul, vor ihm der gleiche Marshall-Combo, und auf dem Boden liegt wieder ein Album von John Mayall

Zurück zu den Ursprüngen

Der Blues ist eben immer noch da für Gary Moore, als er 1990 eine neue Phase seiner Karriere einläutet. Vorher hatte sich der irische Sänger und Gitarrist in härteren Rock-Gefilden herumgetrieben: So spielt er nach Skid Row (der irischen Variante), einigen Soloalben und sogar einem mehrjährigen Jazz-Fusion-Ausflug mit Colosseum II etliche Jahre bei den immergrünen Thin Lizzy, bevor er 1979 endgültig unter eigenem Namen durchstartet. Mit Alben wie Run For Cover (1985), dem keltisch gefärbten Wild Frontier (1987) und After The War (1989) etabliert er sich als Hard-Rock-Flitzefinger, der zeitgemäß schreddern kann und mitunter die Haare so hübsch hochtoupiert trägt wie die sonstigen Helden der Zeit. Immerhin: Moore kriegt in der Regel noch ein kleines bisschen mehr Geschmack in seinen Ton als die meisten anderen.

Mit 38 Jahren besinnt er sich auf seine Wurzeln, den guten alten Blues, die Ursuppe allen Rockens. „Ich liebe den Blues seit den Sechzigern“, erklärt er in einem Radiointerview mit SWR3. „Mit der 13 oder 14 habe ich zum ersten Mal John Mayall & The Blues Breakers gehört, mit Eric Clapton an der Leadgitarre. Schon der erste Song All My Love hat mein Leben auf einen Schlag verändert. Ich habe noch eine Gitarre so klingen hören.“

Rock-Sound im Zwölftakter

Dabei deckt der damals in Großbritannien lebende Ire das ganze Spektrum des Genres ab, von getragen bis flott, aber immer in zeitgemäßer Produktion – und bei Gelegenheit durchaus noch ziemlich rockend. Er selbst gibt dazu gegenüber SWR3 zu Protokoll: „Damals spürte man den Einfluss der letzten zehn Jahre in meinem Gitarrensound und meiner Spielweise.“ Das Ergebnis sind vor allem in den rockigen Songs feurige Gitarreneinsätze, die bei aller Authentizität und Werktreue das entscheidende Quäntchen an zusätzlicher Energie rüberbringen.

Der Höhepunkt der Platte liegt zweifelsohne im Titelstück Still Got The Blues (For You), einem getragenen Schmachtfetzen im 6/8-Takt und einer wundervoll einprägsamen Gitarrenmelodie. Damit erinnert die über sechs Minuten lange Nummer an Parisienne Walkways, der Kollaboration mit Phil Lynott (Thin Lizzy) von 1978, und beschränkt sich nicht auf das grundlegende Zwölf-Takt-Schema des Blues. Das Stück wurde zum Welthit und Moores größtem Erfolg. Auch Jahrzehnte später funktioniert der Song noch hervorragend und läuft regelmäßig im Radio, sogar Eric Clapton höchstselbst hat ihn 2013 auf seinem Album Old Sock als Tribut an den 2011 verstorbenen Moore aufgenommen.

Versehentlich geklaut

Besagte Hookline allerdings erweist sich als Problem: 1974 hatte eine deutsche Progressive-Rock-Band namens Jud‘s Gallery ein Instrumental mit dem Titel Nordrach geschrieben, in dem exakt die Akkordfolge und Anfangsmelodie von Still Got The Blues (For You) zu hören sind. Das Münchner Landgericht gibt deshalb 2008 nach acht Jahren der Auseinandersetzung der Plagiatsklage von Jürgen Winter Recht, dem Chef von Jud‘s Gallery. Das Mysteriöse dabei: Nordrach war bis zum Zeitpunkt der Entstehung von Still Got The Blues nie veröffentlicht worden, sondern wurde nur live gespielt, darunter bei einer Aufzeichnung im SWF-Studio in Baden-Baden im März 1974. Kurz gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Klampfer aus Irland solch obskure Werke kennt, scheint gering. Das Gericht jedoch geht davon aus, dass Moore den Song im Radio oder auf der Bühne gehört haben könnte. Ein Radiobeitrag von SWR3 berichtet sogar, Moore habe in den Siebzigern in Deutschland gelebt und sei auf Konzerten von Jud‘s Gallery gesehen worden. Ob das stimmt, bleibt juristisch jedoch unerheblich, denn der Plagiatsvorwurf hängt nicht davon ab, ob die Passage tatsächlich bewusst kopiert wurde.

Allerdings erweist sich eben jene Akkordfolge als Standard, der in der Musikgeschichte schon unzählige Male vorgekommen ist (ein so genannter „Quint-Fall“), während die Melodie sich schlicht an Grundtönen orientiert. Sogar im Jazz-Standard Autumn Leaves oder Lionel Richies Hello wäre sie zu finden, schrieb die Süddeutsche seinerzeit. Ob Moore nun absichtlich geklaut hat (unwahrscheinlich), ein phänomenales, wenngleich unterbewusstes Melodiegedächtnis besitzt (denkbar) oder schlicht über die gleichen Akkorde stolperte (vermutlich) – ohne seinen Ton wäre Still Got The Blues (For You) nie so gelungen. Beide Parteien einigen sich schließlich außergerichtlich: Moore zahlt Winter eine nicht veröffentlichte Summe an Schadenersatz und darf dafür weiter die Urheberschaft von Still Got The Blues (For You) für sich beanspruchen.

Neues und Altes in blau

Als Gast beim A.C. Williams-Klassiker Oh Pretty Woman spielt Blues-Legende Albert King mit. Seine coolen, cleanen Licks stehen in einem interessanten Gegensatz zu den sportlichen Hard-Rock-Soli von Gary Moore mit wesentlich mehr Verzerrung und Flitzefingerei. Die beiden Herren haben jedoch Spaß zusammen, wie der Videoclip zu dem als Single ausgekoppelten Song zeigt: Der Ire schmeißt sich in 1a-Gitarrenhelden-Posen, der Amerikaner raucht entspannt Zigarre – und beide lachen.

Bei Too Tired darf die Bläsersektion mit swingenden Einwürfen ran, dazu liefert sich Moore nette Wechselspiele mit einem weiteren Veteran: Albert Collins. Geschrieben hat das Stück einst Johnny Guitar Watson, den genau das Schicksal ereilte, welches Lemmy von Motörhead dieser Tage für sich quasi ankündigt: Er verstarb 1996 auf der Bühne. Aber das ist eine andere Geschichte (die ihr hier lesen könnt).

Beeindruckende Gästeliste

Ein Höhepunkt der Platte findet sich in King Of The Blues, einer klassisch strukturierten Moore-Komposition mit vielen netten Licks des Meisters und herrlichen Bläsern. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Albert King, der auch namentlich im Text genannt wird, aber ausgerechnet bei der Nummer nicht mitspielt. Dafür zeigt Thin-Lizzy-Mann Brian Downey, dass er den Swing besitzt, den man für Blues braucht, der aber auch jede gute Hard-Rock-Band besser macht.

Sogar ein echter Beatle mischt mit: That Kind Of Woman stammt aus der Feder von George Harrison, der zu diesem netten Nümmerchen Slide- und Rhythmusgitarren beisteuert. Mit dem Urheber von Stop Messin‘ Around schließlich verbindet Gary Moore eine Menge: Peter Green von Fleetwood Mac nahm dereinst in Dublin den jungen Hoffnungsträger ein wenig unter seine Fittiche und beeinflusste ihn nicht unwesentlich.

Lohnender Stilwechsel

Die stilistische Umorientierung lohnt sich jedenfalls: Was ein einmaliger Ausflug sein sollte, avanciert zum größten Erfolg in der Karriere von Gary Moore und verkauft in den USA mehr als alle anderen seiner Werke. 1995 erhält er dafür eine Gold-Auszeichnung, ebenso erreicht die Single Still Got The Blues (For You) erreicht hohe Positionen und zum ersten Mal die Top 100 in den USA. Hierzulande geht die Scheibe fast eine halbe Million mal über die Tresen.

Gary Moore

Geschmack, Stil und feurige Gitarre: Gary Moore 1990. Foto: George Bodnar

Man könnte sogar argumentieren, dass Gary Moore sich mit diesem stilistischen Wandel dem Untergang entzogen hat, dem viele Hard-Rocker und Sportgitarristen der Achtziger angesichts der Grunge-Welle entgegen sahen. Moore bleibt dem Blues fortan von wenigen Ausnahmen abgesehen treu und spielt weitere Platten in diesem Stil ein. Denn alte Liebe rostet nun mal nicht: „Durch dieses Album und den Song habe ich viele neue Fans gewonnen“, gibt er später zu Protokoll. „Aber deswegen habe ich sie nicht aufgenommen, es war die Musik selbst, die mich dorthin geleitet hat. Da fühle ich mich zu Hause.“

Zeitsprung: Am 30.9.1978 veröffentlicht Gary Moore „Back On The Streets“.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 25.3.2015 fährt James Corden Mariah Carey zur Arbeit

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Foto: Emma McIntyre/Getty Images for Apple

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.03.2015

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

„Danke dir, dass du mir mit dem Weg zur Arbeit hilfst. Der Verkehr ist echt übel“, murmelt James Corden da beiläufig Richtung Beifahrersitz. „Ich weiß, es ist unerträglich“, erwidert keine Geringere als Mariah Carey. Am 25. März 2015 startet mit diesem Dialog Carpool Karaoke, die Kultsequenz aus Cordens Late Late Show. Sehen wir uns die Höhepunkte des Formats an.

Schaut euch hier alle Folgen von Carpool Karaoke an

Als James Corden am 23. März 2015 die Late Late Show von Brit-Kollege Craig Ferguson übernimmt, kennt ihn in Amerika kaum jemand. Der Schauspieler und Komödiant hatte sich zwar in Großbritannien einen Namen machen können, doch das Scheinwerferlicht in Kalifornien wirft größere Schatten. Corden weiß, dass er sich beweisen muss. So zieht er zwei Tage nach Amtsantritt ein Ass aus dem Ärmel.

Fahrgemeinschaft 2.0

Der junge Brite importiert ein Format, dass er erstmals für die britische Wohltätigkeitsveranstaltung Red Nose Day 2011 umgesetzt hatte: Da beorderte er George Michael in ein Auto, kurvte mit ihm durch London und trällerte gemeinsam mit dem Sänger dessen Hits. Michael entpuppte sich dabei als charmanter Partner, Corden als kompetenter Gastgeber. Zum Auftakt der US-Show muss also ein ähnlich hochkarätiger Gast her.

So kommt es, dass zwei Tage nach der „British Invasion“ des Abendprogramms Weltstar Mariah Carey in einen LA-typischen SUV steigt. Zunächst kokettiert sie noch, sie könne nach einer durchzechten Nacht nicht mitsingen, aber dann sprengt plötzlich ihr Schmettergesang die Autoscheiben. Dass Corden eine absolut passable zweite Stimme hinbekommt, sorgt bei Stücken wie Always Be My Baby, Fantasy, Thirsty und Vision Of Love mitunter für Ansätze von Gänsehaut. 

Erfolgsformel Menschlichkeit

Der Sympath erklärt den durchschlagenden Erfolg des Segments (und demzufolge auch der gesamten Show) recht einleuchtend: „Da schwingt eine Einfachheit und Intimität mit. Einen Star solchen Kalibers in der gleichen Umgebung zu sehen, in der du und ich sonst auf dem Weg zur Arbeit singen, macht ihn menschlich.“ 

Logisch, dass danach nicht nur Musiktreibende auf Promotour, sondern ganze Musical-Besetzungen mit Corden „zur Arbeit fahren“ möchten. Die Videos, die im Netz häufig viral gehen, bringen so ungewöhnliche Partnerschaften wie Rod Stewart und Rapper ASAP Rocky oder Michelle Obama und Missy Elliott hervor. Ob oberkörperfreie Red Hot Chili Peppers, die Foo Fighters, Paul McCartney oder den gefiederten Elton John: Auch die großen Namen des Rock holt sich Corden gern dazu. 

Bei so viel Prominenz lassen die Starallüren nicht zu wünschen übrig: Berufsprovokateur Kanye West sagt gleich mehrfach hintereinander kurzfristig ab und macht aus dem SUV mal eben eine Boeing; zwischen Corden und Dave Grohl gibt es nach der Ausstrahlung ein kleines Missverständnis. Immerhin rettet Anthony Kiedis laut eigenen Angaben während der Dreharbeiten einem Säugling das Leben. Das ist dann doch etwas mehr Aufruhr, als wir morgens auf dem Weg zur Arbeit ertragen könnten.

Zeitsprung: Am 2.3.2014 knipst eine YouTuberin David Gilmour – ohne es zu wissen.

 

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Review: „Das ist los“ von Herbert Grönemeyer ist genau das Album, das wir jetzt brauchen

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Herbert Grönemeyer
Foto: Victor Pattyn

Herbert Grönemeyer schenkt uns auf Das ist los sinnstiftende Lieder über die Liebe und den Zusammenhalt. Ob er die Gesellschaft damit kitten kann, ist fraglich. Doch alleine der Versuch verdient Hochachtung.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Das ist los hören:

Herbert Grönemeyer veröffentlicht keine Alben. Herbert Grönemeyer veröffentlicht Bestandsaufnahmen. Seines Lebens, aber auch von unser aller Leben. Immer wenn eine neue Platte von Deutschlands größtem und erfolgreichsten Künstler erscheint, so wirkt es, kommt sie genau zur rechten Zeit. Seine Lieder sind Salben für die Wunden, die wir uns seit seinem letzten Album zugezogen haben, zumeist stille und zurückhaltende Gebäude, in denen wir Schutz suchen können.

„Hoffnung ist gerade so schwer zu finden“ lautet dann auch der erste Satz des Albums. Er stammt natürlich aus der Lead-Single Deine Hand, mit der Grönemeyer schon vor einigen Monaten begeistern konnte. Eine einfühlsame Ode an Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt – wie viele seiner Songs sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos zu sehen. Es geht um tatsächliche Partnerschaft, aber auch um den universellen Zusammenhalt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir das als Gesellschaft dringend nötig haben.

Nur ein Gutmensch?

Fünf Jahre nach Tumult ist die Welt noch viel tumultartiger geworden. Da braucht es große Künstler, die mit Ruhe, Reflexion und Besonnenheit aufarbeiten, was da eigentlich mit uns und der Welt passiert ist in diesen irren letzten Jahren. Sicher kann man das abtun, verunglimpfen als onkelnde Ratschläge vom alten weißen Mann, als Motivationscoach mit nasaler Stimme. Damit macht man es sich aber zu einfach. Grönemeyer polarisiert, und das schon sehr lange. Die einen echauffieren sich darüber, dass er ja gar nicht singen (geschweige denn tanzen) kann, die anderen halten ihn für einen aufdringlichen Gutmenschen mit Moralkomplex und biederen Thesen. Gutmensch – wie so ein Wort überhaupt zu einer Beleidigung werden konnte, sagt ja auch sehr viel.

Manchmal spielt er seinen Kritiker*innen in die Karten auf diesem Album. Der Titelsong zum Beispiel erinnert eher an Bierzelt oder Schlagerfestival – trotz seines cleveren, defragmentierten Textes, der den Informations-Overkill der heutigen Zeit versinnbildlichen soll. Doch die großen Momente gehören eh den Balladen, das ist bei Grönemeyer schon lange so. Tau zum Beispiel, ein Lied, umrankt von Trauerflor. Der Rest ist mal flott und tanzbar, mal umgarnt von Vintage-Elekronik, mal elegisch mit Streichern.

Songs, die Mut zuflüstern

Um Tod, Verlust und Trauer geht es auch auf Das ist los. Aber nicht als Fixpunkt, sondern als Unausweichlichkeiten des Lebens. Überwiegend möchte Grönemeyer uns stärken, uns Mut zuflüstern, uns als Ganzes wieder zusammenbringen. Man darf sich fragen, wieso ihm das so wichtig ist, warum er denkt, dass ausgerechnet er als Messias zu uns singt. Man darf sich aber auch fragen, warum es sonst niemand tut. Das ist los zeigt uns, dass wir nicht aufgeben sollten, nicht verzagen sollten, nicht den Ist-Zustand beibehalten sollten. Stattdessen sollen wir „Raus in den Sturm“, wie es im dringlichen Genie heißt, rein ins Leben, in die Verantwortung.

Diejenigen, die ihn bisher schon als Gutmenschen abkanzelten, werden sich darauf stürzen und ihn in der Luft zerreißen. Dabei sind es gerade diejenigen, die hier mal genau hinhören sollten. Das ist los ist nicht das beste Grönemeyer-Album, wahrscheinlich nicht mal Top fünf. Es ist aber mal wieder mal genau das Album, was wir jetzt brauchen. Und allein dafür gebührt im Hochachtung.

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