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Popkultur

„A Different Kind Of Truth“: Van Halens Abschied mit David Lee Roth

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Titelfoto: Rick Kern/WireImage/Getty Images

Schlechte Verkaufszahlen, Besetzungswechsel, verlorene Alben: Für Van Halen war es ab der Jahrtausendwende nicht immer leicht. 2012 bäumten sich die Achtziger-Giganten noch einmal auf und veröffentlichten mit A Different Kind Of Truth ihr allerletztes Studiowerk. Wir haben die Platte für euch unter die Lupe genommen.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch A Different Kind Of Truth von Van Halen anhören:

Die Geschichte von Van Halen lässt sich im Wesentlichen in zwei Epochen einteilen: die David-Lee-Roth-Ära und die Sammy-Hagar-Ära. Mit Gary Cherone hatte die Gruppe von 1996 bis 1999 allerdings noch einen dritten Sänger, mit dem sie sogar ein Album veröffentlichte. Eine weitere Platte war geplant, verschwand aber unveröffentlicht in der Versenkung. 2004 kam Hagar zurück. Er blieb nur wenige Monate, bevor sich Van Halen im Jahr 2007 noch einmal mit ihrem ersten Sänger Roth zusammentaten. Mit ihm veröffentlichte die Band 2012 ihr allerletztes Album. Beleuchten wir, wie es dazu gekommen ist.

1996 haben Van Halen bereits alle möglichen Erfolge auf dem Buckel. Nummer-eins-Hits, ausverkaufte Tourneen, Platin ohne Ende: Die Gruppe gehört zweifelsohne zu den erfolgreichsten Rockbands der Achtziger. Das liegt nicht nur an den ausgeprägten Instrumentalkünsten der Van-Halen-Brüder Eddie und Alex oder am Bassspiel von Michael Anthony, sondern auch maßgeblich an Frontmann David Lee Roth, mit dem die Band von von 1978 bis 1984 sechs Alben veröffentlicht. 1985 übernimmt Sammy Hagar, mit ihm erscheinen weitere vier Erfolgsplatten.

Ein Misserfolg und ein unveröffentlichtes Album

Hagar bleibt Van Halen bis 1996 erhalten. Nach einer kurzen Mini-Reunion mit Roth steigt Extreme-Sänger Gary Cherone ein, zwei Jahre später erscheint das Album Van Halen III. Die elfte Van-Halen-Platte bleibt weit hinter den kommerziellen Erwartungen zurück, doch trotzdem soll ein Nachfolger namens Van Halen IV erscheinen. Die Aufnahmen laufen super, doch es treten Probleme zutage: „Eddie fing ein bisschen an zu trinken“, erzählt Cherone im Interview mit dem Rolling Stone. „Es war nicht schlimm, aber das ging in die falsche Richtung. Mir selbst ging es mental auch nicht gut, in meinem Privatleben waren ein paar Sachen los, die mich ziemlich mitgenommen haben.“ Im November 1999 verkünden Van Halen, dass Cherone gegangen wurde, wenn auch friedlich. „Gary ist wie ein Bruder“, erklärt Gitarrist Eddie Van Halen später. „Wir verstehen uns weiterhin privat und musikalisch gut.“ Van Halen IV bleibt allerdings bis heute verloren.

Eine lang erwartete Reunion

Als Ersatz für Cherone kehrt 2004 Sammy Hagar zurück, noch im selben Jahr spielen Van Halen eine Nordamerika-Tour mit 80 Stopps. Hagars Gastspiel gestaltet sich kurz, wenige Monate später nimmt er wieder seinen Hut. Damit macht er Platz für eine Reunion, auf die Van-Halen-Fans seit vielen Jahren warten. Erste Gerüchte um eine Wiedervereinigung mit David Lee Roth keimen Anfang 2006 auf. Im Mai desselben Jahres bestätigt der im Interview mit billboard.com: „Die beiden Lager stehen in Kontakt.“ Bis zur Bestätigung der Reunion vergehen noch weitere acht Monate, doch im Januar 2007 ist es endlich soweit: Van Halen und Roth sind wieder da.

Wenig später startet eine große Reunion-Tour mit 74 Terminen. Der langjährige Van-Halen-Bassist Michael Anthony muss vorher seinen Hut nehmen, an seine Stelle rückt Eddie Van Halens Sohn Wolfgang. Die Konzertreise entwickelt sich zur erfolgreichsten in der Van-Halen-Geschichte, ganze 93 Millionen US-Dollar nehmen die Musiker ein. An ein neues Album denkt Gitarrengott Eddie zunächst nicht, doch dann zeigt sich sein Sohn Feuer und Flamme für eine eventuelle Studioveröffentlichung. Deshalb erklärt Eddie Van Halen später: „Wir machen dieses Album für uns.“ — und gibt damit den Startschuss für die Produktion.

A Different Kind Of Truth: Das letzte Album von Van Halen

Wolfgang Van Halen wühlt sich durch die Archive der Band seines Vaters und stößt dabei auf jede Menge brauchbares Material. So stammt der Song She’s The Woman eigentlich aus den Siebzigern, doch erst jetzt überarbeiten Van Halen das Stück für ihre nächste Platte. Als Roth die neue Version des Songs und zwei weitere Lieder hört, sagt auch er der Reunion zu. „Je tiefer wir gegraben haben, desto mehr haben wir gefunden“, erinnert sich Eddie Van Halen in einem Interview. „Zur gleichen Zeit habe ich neue Songs geschrieben. Dave war davon sehr begeistert. Das waren wir alle. Am Ende haben wir Demos für 35 Songs aufgenommen.“

Roth bezeichnet die Arbeit an A Different Kind Of Truth später als „eine Art Kollaboration mit unserer Vergangenheit“. Viele der Songs stammen aus den Siebzigern, einige sogar aus der High-School-Zeit von Eddie Van Halen. Während der Aufnahmen verbringen Van Halen zwölf Stunden pro Tag im Studio, seine Gesangsspuren nimmt Roth nachts auf. Gerade einmal drei Wochen benötigen die Musiker, um die Instrumentalspuren einzuspielen. Trotzdem zieht sich die Arbeit an der Platte: Zwischen den ersten und den letzten Aufnahmen vergehen 14 Monate.

Als A Different Kind Of Truth am 7. Februar 2012 erscheint, feiern Van Halen mit dem Album ein fulminantes Comeback. Die Kritiker*innen äußern sich vor allem positiv, in den USA gehen schon in der ersten Woche mehr als 180.000 Exemplare über die Ladentheke. Die anschließende Tour mit 46 Konzerten spielt mehr als 54 Millionen US-Dollar ein, über eine halbe Million Menschen möchten Van Halen live sehen und zahlen dafür um die 150 US-Dollar pro Ticket. 2015 folgt noch eine erfolgreiche Tour mit Frontmann Roth, Eddie Van Halen spricht von einer weiteren Platte: „Wir werden uns wohl nach der Tour zusammenhocken und noch ein Studioalbum aufnehmen.“ Doch dazu kommt es nicht.

Eddie Van Halens Tod

Bereits 2019 erklärt Roth: „Ich denke, Van Halen sind durch.“ Sammy Hagar sieht das anders und sagt im Mai 2020: „Sie sind nicht fertig bis Ed oder Alex gestorben sind.“ Leider passiert im Oktober 2020 genau das: Am 6. Oktober 2020 verkündet Wolfgang Van Halen, dass sein Vater an Krebs gestorben ist. In einem Interview erklärt Wolfgang die Geschichte der Band einen Monat später für beendet: „Es gibt kein Van Halen ohne Eddie Van Halen.“ Da hat er vermutlich Recht. Über das letzte Album der Band freuen wir uns deshalb umso mehr.

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Zeitsprung: Am 31.10.1983 startet Brian Mays „Star Fleet Project“ mit Eddie Van Halen.

Popkultur

Als Led Zeppelin facettenreicher wurden: „Houses Of The Holy“

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Titelfoto: Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images

Vier durchnummerierte Platten brauchten Led Zeppelin, um die Spitze des Rockolymp zu erklimmen. Auf ihrer fünften Veröffentlichung Houses Of The Holy schlugen die Briten experimentierfreudigere Pfade ein — mit großem Erfolg. Den Titeltrack mussten sie allerdings auf das nächste Album verschieben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Houses Of The Holy von Led Zeppelin anhören:

Pause? Für Led Zeppelin ist das zu Beginn ihrer Karriere ein Fremdwort. In gerade einmal drei Jahren veröffentlichen die Briten vier legendäre Alben, touren mehrfach um den Globus und spielen weltweit vor ausverkauften Häusern. Großbritannien, Nordamerika, Japan, Australien — und wieder von vorn. Ein wenig zur Ruhe kommen Led Zeppelin erst 1972, als sie mit der Aufnahme ihres fünften Albums Houses Of The Holy beginnen. Die Gruppe schlägt darauf experimentellere Wege ein und setzt auf aufwändige Arrangements und neue Einflüsse statt auf schnodderigen Hardrock-Sound. Doch wie genau kam es zu dieser Typveränderung — und hatten auch die Fans Freude an den neuen Led Zeppelin?

Houses Of The Holy: Ein Album unter anderen Umständen

Anfang der Siebziger ist das Bankkonto von Led Zeppelin bereits gut gefüllt — so gut, dass sich Gitarrist Jimmy Page und Bassist John Paul Jones ihre eigenen Heimstudios einrichten. Zum ersten Mal können die beiden Musiker ihre Ideen in aller Ruhe aufnehmen, noch einmal hören, bearbeiten und ergänzen. Dadurch werden die Songs ausgeklügelter als sonst — weg vom Bluesrock, hin zum AOR, wenn man so möchte. Als Led Zeppelin mit den offiziellen Aufnahmen von Houses Of The Holy beginnen, sind die vier Musiker deutlich besser vorbereitet als bei ihren vorherigen vier Alben. Zu gut, wie es scheint, denn die Band spielt mehr Songs ein als auf die Platte passen.

Während der Sessions zu Houses Of The Holy sammeln Led Zeppelin so viel Material, dass sie ein paar ihrer neuen Kompositionen für später aufbewahren müssen. Das betrifft zum Beispiel den Song Walter’s Walk, der erst 1982 auf der Zusammenstellung Coda erscheint. The Rover und Black Country Woman packen die Briten auf ihr sechstes Album Physical Graffiti (1975). Besonders kurios: Sogar den Titeltrack verschieben Led Zeppelin auf später, sodass der Song Houses Of The Holy nun nicht auf dem Album Houses Of The Holy zu finden ist, sondern ebenfalls auf dem Nachfolger Physical Graffiti. Trotzdem klingt Houses Of The Holy stimmig — auch wenn „Led Zep“ darauf einige Experimente wagen.

Da wäre zum Beispiel die Funk-lastige Nummer The Crunge, die man den Briten vorher wohl nicht unbedingt zugetraut hätte. Auch das Reggae-beeinflusste Stück D’yer Mak’er klingt nicht wie ein typischer Led-Zeppelin-Song. Genau das war das Ziel, wie Gitarrist Jimmy Page in dem Buch Light & Shade: Conversations With Jimmy Page erklärt: „Auch wenn alle ein zweites Led Zeppelin IV wollten: Es ist sehr gefährlich, sich selbst zu kopieren. Ich werde keine Namen nennen, aber jeder kennt Bands, die sich ewig wiederholen. Nach vier oder fünf Alben sind sie ausgebrannt. Bei uns hingegen wusste man nie, was als nächstes kommt.“

Eine Tour der Superlative — und der anschließende Burnout

Das gilt auch für die Tour zu Houses Of The Holy, mit der Led Zeppelin einmal mehr neue Live-Show-Maßstäbe setzen. Laser, Discokugeln, aufwändige Outfits, Pyrotechnik: Die britischen Rocker lassen sich nicht lumpen und feuern auf ihrer insgesamt dreimonatigen Tour aus allen Rohren. 55 Konzerte geben Led Zeppelin, darunter auch in Nürnberg, München, West-Berlin, Hamburg, Essen und Offenburg. Überall feiert wird die Band gefeiert; später ist sogar die Rede davon, dass die Tour der technische Höhepunkt der Gruppe gewesen sein muss. Doch der Preis ist hoch: Nach der Konzertreise sind Led Zeppelin so fertig, dass sie eine fast zweijährige Pause einlegen.

Was die Verkaufszahlen und den Erfolg von Houses Of The Holy betrifft, geht die Platte im Vergleich zum direkten Vorgänger Led Zeppelin IV beinahe unter. „Nur“ elffaches Platin gelingt den Briten bis heute mit dem Album; bei Led Zeppelin IV ist es mehr als doppelt so viel und auch der Houses Of The Holy-Nachfolger Physical Graffiti kann insgesamt 16 US-Platinveredelungen abräumen. Dennoch: Led Zeppelin zeigen sich auf Houses Of The Holy von ihrer erwachsenen Seite und das kommt an. Drei Alben bringen die Briten anschließend noch raus, bis der Tod von Schlagzeuger John Bonham die Karriere der Gruppe im Jahr 1980 beendet. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 28.3.1985 tritt Alicia Keys zum ersten Mal im TV auf. Sie ist 4.

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Alicia Keys
Paola Kudacki/Sony Music

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.3.1985.

von Timon Menge und Christof Leim

Mehr als 150 Preise gewinnt Alicia Keys im Lauf ihrer Karriere, darunter 15 Grammys. Ihre Premiere im Showgeschäft feiert sie allerdings am 28. März 1985 in einer TV-Serie – mit vier Jahren.

Hier könnt ihr euch Here anhören:

Übernachtungsparty! Die kleine Tochter der Familie hat ihre Freunde und Freundinnen eingeladen, alle sind bestens gelaunt, vor allem als sie reihum mit dem Herrn Papa Rodeo spielen. Die Regeln: Wer sitzen bleibt, gewinnt. Ein Mädchen mit Lockenkopf kann sich trotz wildester Bewegungen halten und geht als Siegerin hervor. Vier Jahre alt ist die junge Schauspielerin in dieser Szene der Bill Cosby Show, ihr Name lautet Alicia Cook. Damals kennt sie niemand, heute schon…

In den Achtzigern kann man sich ein Fernsehprogramm ohne die Familie Huxtable kaum vorstellen. In acht Staffeln thematisiert die Sitcom das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der Mittelschicht, die sich mit alltäglichen Situationen und Problemen auseinandersetzt. Dass dieses Format auch bei der weißen Bevölkerung gut ankommt, ist zu jener Zeit noch nicht selbstverständlich. Den Familienvater Dr. Heathcliff Huxtable gibt Schauspieler Bill Cosby, nach dem die Sendung auch benannt ist. (Heute ist Cosby weltweit und zurecht in Ungnade gefallen, weil er wegen dreifachen sexuellen Missbrauchs zu mehreren Jahren Haft verurteilt wird. Aber das ist eine andere, unschöne Geschichte.)

Wer ist Alicia Cook?

Diese kleine Alicia Cook, die da einen Gast der Übernachtungsparty der kleinsten Huxtable-Tochter Rudy spielt, lernen wir Jahrzehnte später unter einem anderen Namen kennen: Alicia Keys. Mit dem Auftritt in der Show feiert sie sozusagen ihren Einstand im Showgeschäft. Hier könnt ihr euch den Ausschnitt mit ihr angucken:

In einem späteren Interview mit der Teleschau erzählt Keys: „Ich erinnere mich vor allem daran, dass es ein wahnsinnig langer Tag war. Bis das alles abgedreht war, war es später Abend – und ich und die anderen Kinder waren so müde, dass wir irgendwann einfach auf dem Sofa eingeschlafen sind. Aber ich erinnere mich auch daran, dass es extrem witzig war. Bill Cosby war super. Und hey, immerhin habe ich beim Reite-Spiel auf seinem Knie gewonnen.“

Nur der Anfang

Gewinnen wird Keys nachher noch so einiges, nämlich mehr als 150 Auszeichnungen und 14 Platinschallplatten (allein in den USA). Mit Alben wie Songs In A Minor (2001), The Diary Of Alicia Keys (2003), As I Am (2007) und The Element Of Freedom (2009) räumt sie in den 2000er Jahren wirklich alles ab. Wer hätte 1985 gedacht, dass aus der kleinen Alicia Cook einer der größten Popstars des 21. Jahrhunderts wird?

Zeitsprung: Am 7.9.1984 sind die Jacksons auf Tour und Janet brennt durch.

 

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Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.

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Alice Cooper Easy Action Cover

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.

von Bolle Selke und Christof Leim

Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.

Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:

Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.

Psychedelische Scheißmusik

1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.

Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.

Unisex, roh und gewalttätig

Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.

Easy, Action!

Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“

Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…

Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.

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