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Popkultur

Der historische Verriss: „Back In Black“ (1980) von AC/DC

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AC/DC "Back In Black" Cover

Auch Expert*innen liegen manchmal mächtig daneben. In dieser Reihe stellen wir vernichtende Plattenkritiken von großen Alben der Musikgeschichte vor, fatale Fehlurteile, die aus heutiger Sicht mindestens merkwürdig wirken. Oder handelte es sich doch um berechtigte Kritik, die der allgemeinen Meinung widersprach? Zeit für eine erneute Analyse.

von Michael Döringer

Überzeugt euch hier selbst von der Qualität von Back In Black:

40 Jahre Adrenalinrausch

Dieses Mal geht es um Back In Black von AC/DC, das jetzt im Jahr 2020 sein 40-jähriges Jubiläum feiert. In diesen 40 Jahren hat diese Platte kein bisschen an Kraft und Kante verloren. Ein Adrenalinrausch zwischen Riffs und Rockklischees, eine einzige wilde Party mit allem, was dazugehört. Es war das erste Album mit Brian Johnson am Mikrofon, der Bon Scott nicht vergessen machte, sich aber mit seinem kreischenden Organ und durchaus eigenem Stil als würdiger Nachfolger erwies. Back In Black ist definitiv das beste Album der Australier in der Ära nach Highway To Hell (1979), und für viele sogar die stärkste AC/DC-Platte überhaupt.

Anderen wiederum ist sie so egal wie jedes andere AC/DC-Album – weil man diese Band entweder liebt oder todlangweilig findet. Die Young-Brüder sind eben alles andere als berühmt dafür, sich ständig neu zu erfinden. Beständig führen sie stattdessen bis heute ihre markante Linie fort beziehungsweise spielen ihren unverwechselbaren Stiefel runter. Man kann da irgendwann durchaus das Interesse verlieren. Manch ein*e Beobachter*in hatte schon 1980 genug vom gut gemachten und effizienten AC/DC-Einheitsbrei. Die Renaissance von Back In Black war für den Kritiker Red Starr nichts mehr als eine leider erfolgreiche Geschmacklosigkeit. Seine Rezension im britischen Magazin Smash Hits war so kurzweilig wie eben jedes gute AC/DC-Album:

Historischer Verriss AC/DC "Back In Black"Man kann da nur schwer widersprechen. Im Prinzip hat der Mann ja recht, denn alle Stärken von AC/DC kann man durchaus auch negativ interpretieren und andersherum. Diese Band hat ihre Formel längst gefunden und fand damit Anklang bei einem breiten Publikum und Rock-Expert*innen gleichermaßen. Selbst wenn man eigentlich auf abenteuerlichen Sound, abwechslungsreiches Songwriting und intellektuell herausfordernde Texte steht, kann man zwischendurch knackige 45 Minuten AC/DC-Halligalli bestens goutieren.

AC/DC haben sich darauf spezialisiert, die Zwischenzone zwischen Hard Rock und Heavy Metal mit möglichst schlankem und explizitem Inhalt auszufüllen: keine Mittelalter-Mythen oder übertriebene Antichrist-Ideologie, Kostümshow oder Gewaltfantasien gibt es nicht. Stattdessen geht es um Sex, Drogen, Frauen, eben die schönen Dinge im Leben aus der Sicht dieser Down-Under-Dudes. Und was soll man sagen? Die Party auf Back In Black macht Spaß, die Songs ballern. Nur der Rezensent hier hat leider nicht so viel Bock:

Historischer Verriss AC/DC "Back In Black"Fair enough, das alles. Aber man sollte einen so zwingenden Hit wie You Shook Me All Night Long auch nicht einfach so unter den Tisch kehren. Es ist paradox: Der Autor versucht, zynisch die Durchschaubarkeit von AC/DC bloßzustellen, das funktioniert auf den ersten Blick und wirkt witzig. Alle Songs klingen gleich – wie immer! Im Prinzip definiert er aber auch die DNA dieser Band und zeigt, was sie so effizient macht, was ihre perfekt geölte Rock’n’Roll-Maschinerie ausmacht. Die Dampfmaschine AC/DC rollt verlässlich. Auf dem Papier klingen die Zutaten von Back In Black vielleicht profan. Aber es geht ja schließlich vor allem um die elektrisierende, lüsterne Wirkung, die diese Songs am Ende haben. Ja, sie klingen gleich, aber dann muss man eben auch sagen: alle gleich geil.

Historischer Verriss AC/DC "Back In Black"Wie zu erwarten, fällt das Fazit hart und hämisch aus. Aber hey: Wer Back In Black fürchterlich findet, hat vermutlich auch vorher nie etwas für AC/DC übrig gehabt. Das mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner mag stimmen, denn eins ist sicher: AC/DC sind nicht die kreativsten Künstler in der Rockwelt.

Doch was heißt „vorhersehbar“? Die allergrößte Leistung unterschlägt diese gehässige Review natürlich komplett: Direkt im Anschluss an die allergrößte Tragödie, die einer Band passieren kann, nämlich einen so markanten Lead-Sänger wie Bon Scott zu verlieren, haben AC/DC einfach weitergemacht, nahtlos an Highway To Hell angeknüpft, und sich dabei selbst übertroffen. Was für eine Antwort auf das eigentlich sichere Ende! Das liegt an der perfekten Besetzung Brian Johnsons. Vor allem aber an der unbeirrbaren Vision von Angus und Malcom Young. Diese Maschine war nicht zu stoppen, nicht mal durch den Tod.

Hier könnt ihr noch mehr historische Verrisse der größten Alben der Rockgeschichte lesen.

Der historische Verriss: „Destroyer“ von Kiss

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