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Popkultur

Behind the Song: “Helter Skelter” von den Beatles.

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Als Paul McCartney sich eines Abends im Studio Two in der Abbey Road darauf vorbereitete, den Song Blackbird aufzunehmen, wärmte er sich und seine Stimmbänder mit einer frühen Version von Helter Skelter auf. Es war ein leichtes und gleichzeitig funky Akustikstück mit Falsettgesang und befand sich damit genau am entgegengesetzten Ende des Spektrums zu dem kreischenden Rocksong, zu dem es sich entwickelt hat und als der es schließlich auf Seite 3 des White Album der Beatles erschienen ist.

von Paul McGuinness

Paul versuchte, den bis dahin härtesten Beatles-Track zu kreieren und so durchlief Helter Skelter mehrere Phasen. In einem Interview mit Radio Luxembourg im November 1968 erinnerte er sich an die Ursprünge des Songs: “Ich las eine Plattenkritik und da stand ‘und die Gruppe…’ ich weiß gar nicht mehr, um wen es ging, also ‘diese Gruppe dreht völlig durch. Sie haben alles mit Echo-Effekten aufgenommen und schreien, was die Lungen hergeben.’ Und ich dachte nur, es wäre toll, mal sowas zu machen. Schade, dass sie es schon gemacht haben. Es muss großartig sein, ein Song zu schreien. Und dann hörte ich den Song und der war irgendwie ganz normal, und hübsch, gar nicht hart und kreischend, mit Echo, usw. Also dachte ich, super, dann machen wir das jetzt. Und ich hatte diesen Song, Helter Skelter, was sowieso ein alberner Song war. Also haben wir den so aufgenommen, weil ich Krach mag.”


Hört hier in die krachenden Beatles rein:

Für den ganzen Song klickt auf “Listen”.

“Hell for leather”

Der erste Versuch, den Song richtig aufzunehmen, fand am 18. Juli 1968 statt. Die Fassungen, die die Beatles an diesem Abend aufnahmen, haben mit der fertigen Version fast nichts gemeinsam. John spielt den Bass und wird von Ringos strenger Snare Drum quasi auf einen tighten, bluesigen Groove festgenagelt, über den Paul und George ihre elektrischen Gitarren spielen. Zu diesem Zeitpunkt war der Text noch nicht fertig und Paul singt im Refrain abwechselnd Helter Skelter und Hell for leather. Im Laufe des Abends entstanden mehrere Versionen, die längste war ein ausufernder Jam, der es auf 27 Minuten und 11 Sekunden brachte.

Aber keine dieser Aufnahmen erreichte die Lautstärke und Energie, die Paul suchte. Am 9. und 10. September wandten sich die Beatles dem Song wieder zu, drehten alle Regler nach oben und verlangten ihren Instrumenten alles ab, um einen wilden Sound zu erschaffen, über welchen Paul dann flankiert von John und George auf die von ihm gewollte Art und Weise sang bzw. schrie. Um diesem Getöse noch eins draufzusetzen, quietschte John gegen Ende mit Saxophon und Piano und der Roadie Mal Evans steuerte die Trompete bei.

Als Ringo später über diese Helter Skelter-Session sprach, beschrieb er den Song als “einen Track, den wir im Zustand absoluten Wahnsinns und totaler Hysterie aufnahmen”. In seinen 1994 erschienen Memoiren Many Years From Now erinnerte sich Paul: “Wir sagten den Engineers und [dem Produzenten], dass sie den Drum-Sound richtig hochziehen und so laut und fies wie möglich klingen lassen sollten und dann spielten wir es und fanden es immer noch zu unaufregend und zu vorsichtig. Es musste noch lauter und dreckiger sein. Wir versuchten unser Möglichstes, um das hinzukriegen und am Ende hört man Ringo sagen, ‘Ich glaube, ich habe Blasen an den Fingern!’ Und das war kein Scherz: Als wir fertig waren, bluteten seine Hände wirklich, so heftig hatte er gespielt. Wir haben an dem Track wirklich hart gearbeitet.”



Wer die Monoversion von The White Album gekauft hat, wird Ringos Bemerkung über seine Wunden übrigens nicht gehört haben. Es war das letzte Beatles-Album, für das komplett unterschiedliche Mono- und Stereomixe gemacht wurden und es ist auch das Album, auf dem es am meisten auffällt. Die Monoversion von Helter Skelter endet bei 3:39 mit einem Fade-out. Auf der Stereoversion setzt die Kakophonie nach dem Fade-out wieder ein, Johns quietschendes Saxophon klingt wie eine Schar Möwen. Dann kracht schließlich alles auf sein Ende zu und Ringo macht seine legendäre Bemerkung.

“Aufregender und reifer als je zuvor”

Die Arbeit hört man dieser Aufnahme an, die zweifellos eine ihrer härtesten ist und oft als erster Heavy Metal-Song der Welt bezeichnet wird. Der hämmernde Rhythmus, die rifflastigen, übersteuerten Gitarren und der jaulende Gesang passen alle zu dem Genre, welches, genau wie Helter Skelter, Yer Blues und andere Songs auf The White Album, seine Entstehung zu einem großen Teil dem Heavy Bluesrock verdankt, der zu der Zeit in Mode war. Die Heavy Metal Ikonen Mötley Crüe coverten den Song 1983 und die Punkrocker von Siouxsie And The Banshees legten 1978 nach.



Aber keine dieser Versionen konnte es mit der schieren Kraft des Originals aufnehmen: Es ist ein zügelloser, phänomenaler Lärm, über den Jann Wenner in seiner Review des White Album im Rolling Stone Magazin schrieb: “Der Aspekt ‘Hard Rock’ wird bei den Beatles gerne übersehen oder vernachlässigt – oftmals sogar mit Absicht, damit man sie zu etwas erklären kann, was sie nicht sind. Immerhin sind sie eine Rock’n’Roll Band und sie haben das drauf. Dieser Rocksound gehört zu ihrem bisher aufregendsten und reifsten Material.”


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