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Popkultur

Ein Leben „in the pocket“: Ein Nachruf auf Charlie Watts

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Charlie Watts
Foto: Richard Ecclestone/Redferns/Getty Images

Am 24. August 2021 verstarb Rolling-Stones-Drummer Charlie Watts im Alter von 80 Jahren. Wir erinnern uns an einen der größten Schlagzeuger aller Zeiten.

 von Markus Brandstetter

Wenn der Beat so richtig sitzt, bezeichnen das Musiker*innen gerne als „in the pocket“ oder nur als „pocket“. Charlie Watts lebte „in the pocket“ — und die Rolling Stones und die gesamte Rockgeschichte sind ihm dafür auf ewig dankbar.

Watts kam nicht vom Rock’n’Roll, er kam vom Jazz. Das resultierte in diesem Swing, der in seinem Spiel stets präsent war. Mehr noch: Dieser Swing war jenes Element, das die Rolling Stones einerseits zusammenhielt und andererseits zu etwas besonderem machte, ihrem Rock’n’Roll einen unverkennbaren Groove gab. Watts hatte Spaß dabei. Er genoss das Spielen mit seiner Band und den Umstand, dass er für seine Passion sehr, sehr gut bezahlt wurde.

Das andere, das damit mit einherging – der Superstar-Status, das ewige Reisen – all das war Watts eher lästig, daraus machte er nie einen Hehl. Das Musikmachen an sich, das liebte er. In den USA konnte man Watts schon mal in kleinen Jazz-Clubs im Publikum antreffen. Seine anderen musikalischen Seiten lebte er auch in anderen Projekten aus – zum Beispiel im Boogie-Woogie-Trio mit dem Pianisten Axel Zwingenberger und Dave Green oder mit seiner Zusammenarbeit mit The Danish Radio Big Band.

Watts, der Stoiker

Charlie Watts ließ sich durch wenig aus der Fassung bringen — musikalisch wie menschlich. Das war offensichtlich und das dürfte ihm bei einer Kollegenschaft wie der seinen auch bestimmt geholfen haben, beruflich wie privat. Den ganz großen Ausschweifungen blieb Watts die meiste Zeit seines Lebens fern — außer einer im Rückblick biographisch etwas überraschenden Heroin-Phase.

Natürlich gibt es viele Dinge, die jetzt nach seinem Tod überall über ihn geschrieben werden – auch, weil man nicht umhin kommt, sie zu erwähnen. Da wäre sein charakteristischer Kleidungsstil: Anzüge, dezent, nie underdressed, nie overstated. Das ergab stets einen wunderbaren Kontrast zu den doch oft flamboyant gekleideten Radaubrüdern Jagger/Richards. Oder die Geschichte, wie er Jagger mit den Worten „Nenn mich nie wieder deinen Schlagzeuger, du bist verdammt nochmal mein Sänger“ scheltet, als dieser ihn spätnachts betrunken mit den Worten „Wo ist mein Drummer?” im Hotelzimmer angerufen hatte. Neben einer verbalen Schelte gab’s der Legende nach auch noch eine gestreckte Faust für den Frontmann.

Bescheidene Anfänge

Charlie Watts wurde am 2. Juni 1941 in Bloomsbury in eine Arbeiterklasse-Familie geboren. Sein Vater Charles Richard Watts war LKW-Fahrer, seine Mutter Lilian Charlotte Eaves war Hausfrau. Seine Leidenschaft für Jazz entdeckte Watts mit zehn Jahren, besonders Charlie Parker hatte es ihm angetan. Weil er kein Schlagzeug zu Hause hatte, bastelte er aus einem Banjo eine Trommel und begann zu spielen, bald darauf bekam er von seinen Eltern ein richtiges Instrument. Er begann, seine ersten Auftritte zu spielen — entschied sich dann aber für eine Ausbildung zum Grafikdesigner. Daneben spielte er weiterhin Schlagzeug, zunächst in einer Jazzband namens Blues By Five, später in einer geschichtsträchtigen Kombo namens Blues Incorporated. Mit dieser Band lernte er Brian Jones und Mick Jagger kennen, die 1962 die Rolling Stones gründeten, zunächst mit Tony Chapman am Schlagzeug. Als dieser ausgestiegen war, versuchte man Watts an Bord zu holen. Der zögerte zunächst, willigte aber schließlich ein. Der Rest, um eine alte Floskel zu bemühen, ist Geschichte.

Anfang August gab die Band bekannt, dass Watts bei den kommenden Konzerten nicht dabei sein könne — ein medizinischer Eingriff sei der Grund dafür, Watts müsse sich erholen, stattdessen würde mit Steve Jordan ein alter Weggefährte an den Drums sitzen. Das letzte Mal hatte Watts am 30. August 2019 mit den Stones auf der Bühne gestanden. Ein nicht als letztes Mal geplantes (I Can’t Get No) Satisfaction, Pyro, Jubel, Verbeugung, Ende. Weitere Shows waren geplant, dann kam erstmal Corona. Es sollte die letzte Show der Rolling Stones mit Charlie Watts werden, das ist jetzt traurige Gewissheit.

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