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Popkultur

Die musikalische DNA von B.B. King

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Es gibt den King und die Queen des Pops, den King of Rock und alle müssen sie sich doch vor einem verbeugen: dem King of Blues. B.B. King mag zwar bei weitem nicht der einzige Künstler sein, der dabei war, als der Sound des Mississippi-Deltas die Welt eroberte. Neben Gitarristen wie Albert King und Freddie King sowie als Nachfolger von mystischen Blues-Legenden wie Robert Johnson indes sorgte er dafür, dass der Blues auf die ganz großen Bühnen kam. Sein Handwerk hatte der 2015 im hohen Alter verstorbene King von der Pieke auf gelernt.


Hört euch hier B.B. Kings musikalische DNA als Playlist an und lest weiter:


Was King auszeichnete, war nicht allein sein virtuoses Spiel. Ganz besonders berühmt machte ihn die emotionale Palette, die seine Musik so facettenreich machte. Von einfühlsamen Balladen hin zu rotzigem Rock, King blieb immer authentisch, intim und “true blue”. Sein Handwerk hatte er in Kirchen, im Radio und in abgehalfterten Spelunken gelernt. Er bewies sich als ein Ausnahmetalent, von dem selbst die größten Stars der Neuzeit mit wahrer Ehrfurcht sprechen. Welche Songs, Stile und Künstler ihn selbst beeinflusst haben, erfahren wir mit Blick auf seine musikalische DNA.


1. Harlem Gospel Singers – Precious Lord

Bevor der junge B.B. – eigentlich: Riley B. – King in den Kneipen auf Ochsentour ging, sang er in der Elkhorn Baptist Church im Dörfchen Kilmichael in der Wiege des Blues-Sounds, Mississippi. Tatsächlich kam der Knirps nicht etwa wegen seiner eigenen Gottesfurcht zur Andacht, sondern wegen der Musik. Insbesondere die Gitarre des Pastors hatte es ihm angetan…

Eben jener Pastor brachte dem wissbegierigen Jungen seine ersten Akkorde bei. Dass der Schüler bald darauf dem säkularen Blues-Sound verfallen sollte, konnte er ja noch nicht ahnen. Die Zeit im Kirchenchor vergaß King allerdings auch nie. Gospelstandards wie Precious Lord gehörten Zeit seiner Karriere fest ins Repertoire!


2. Bukka White – The Panama Limited

„Ich hatte diesen Cousin, schätzungsweise der einzige aus meiner Familie, der Berühmtheit erlangt hat: Bukka White“, berichtete B.B. King über einen seiner frühesten Einflüsse. „Ich mochte Bukka und mir gefiel auch sein Spiel. So wie er wollte ich aber nie spielen, mit Ausnahme seines Slide-Spiels. Aber er brachte mir so viele andere Sachen bei! Er sagte zu mir: Wenn du ein Blues-Musiker bist, musst du dich immer so anziehen, als wolltest du zur Bank gehen, um dir Geld zu leihen!“

À propos Leihgaben: Angeblich soll White dem Cousin auch seine erste Gitarre verschafft haben. Anderen Quellen zufolge soll sich B.B. die 15 Dollar für sein erstes Instrument hart erspart haben. Welche der beiden Versionen auch immer stimmt: King nennt White als eine der Personen, ohne die er vermutlich nie Musiker geworden wäre.


3. Robert Johnson – Cross Road Blues

Spätestens mit 16 Jahren war es um King geschehen. In einer Radioshow hörte er den Sound des Mississippi Delta-Blues. Für den jungen Gitarristen stand fest: Er wollte unbedingt ins Radio! Bevor es aber soweit kam, verließ er das beschauliche Kilmichael, um sich im Städtchen Inverness dem Famous St. John’s Quartet anzuschließen und in Kirchen aufzuspielen. Sein Ruf eilte ihm bald voraus und ehe er sich versah, war sein erster Traum Wirklichkeit geworden: B.B. King durfte beim örtlichen Radiosender WGRM den Blues performen.

Damit führte der spätere King of Blues das Erbe des King of the Delta Blues weiter, Robert Johnson. Johnson ist eine der mysteriösesten Figuren der Musikgeschichte. Nur wenige Fotos existieren, so gut wie nichts ist über ihn bekannt und wilde Mythen ranken sich um sein Leben. Was aber fest steht: Er schenkte der Welt einen Sound, an dem auch B. B. King sein Gehör schärfte.


4. T-Bone Walker – Call It Stormy Monday (But Tuesday Is Just As Bad)

Johnson, von dem nur wenige Aufnahmen überliefert sind, war aber noch lange nicht der einzige Gitarrenheld des jungen Musikers. In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren schaute sich King bei T-Bone Walker die wichtigsten Kniffe ab. „T-Bone Walker hatte einfach dieses bestimmte Etwas, das niemals jemand nachahmen konnte“, schwärmte King. „Er hat seine Gitarre auf ganz komische Art und Weise gehalten, sie von sich weg geneigt, anstatt sie flach auf seinem Bauch ruhen zu lassen. Als würde er Steel-Gitarre spielen!“

T-Bone Walker war auch deswegen ein wichtiger Einfluss für King, weil er ihm die Möglichkeiten der elektrischen Gitarre nahe brachte und seinen Blues-Sound mit Jazz-Elementen anreicherte. Die Offenbarung kam über King, als er Call It Stormy Monday (But Tuesday Is Just As Bad) entdeckte. „Als ich das hörte, wusste ich, dass ich mir sofort eine elektrische Gitarre zulegen musste! T-Bone hat auch viele Bläser verwendet – Trompete, Alt, Tenor und Bariton. Das ergab einen wunderschönen Sound. Der beste, den ich je gehört habe.“


5. Django Reinhardt – Django’s Tiger

Es war nicht allein der Blues seiner Heimat, der B.B. King inspirieren sollte. Ebenso sog er den neuen Sound auf, der auf der anderen Seite des großen Teichs angesagt war. „Ein Kumpel von mir hat zur selben Zeit gedient wie ich“, erinnerte er sich. „Er wurde nach Übersee verschifft und hörte von diesem Club namens The Hot Club of France. Er ging hin und hörte dort diesem Gitarristen zu, Django Reinhardt. Mein Kumpel wusste, dass ich auf Gitarre stehe und schickte mir ein paar Platten von diesem Typ. Ich habe mich total verliebt.“

Reinhardt war kein Blues-Gitarrist, sondern spielte eine Art von Jazz, die auf zweierlei Arten besonders war. Einerseits verarbeitete der gebürtige Belgier in seiner Musik seine Sinti-Wurzeln. Andererseits hatte der findige Reinhardt nach einem Unfall, der seine linke Hand stark beschädigte, eine virtuose Spieltechnik entwickelt, für die er lediglich den Zeige- und den Mittelfinger benötigte. Zusammen mit seinem lässigen Auftreten machte das den enigmatischen Gitarristen zu einer absoluten Ausnahmefigur, deren Magie noch in Amerika zu spüren war.


6. Fats Domino – Goin’ Home

Derweil sich B.B. King beim Radio einen Namen machte, mutierte der zwei Jahre jüngere Fats Domino zu einem Star. Die Allüren des Rock’n’Roll-Vorreiters waren denkwürdig: Hunderte von Schuhen und Dutzende von Koffern soll Domino auf seine rund 200 jährlichen Konzerte mitgenommen haben. Vorbereitung ist eben alles. Sein Gebaren sei ihm verziehen: Domino war fast der größte Star der fünfziger Jahre. Fast? Na ja, es gab da noch jemand anderen… „Seien wir doch mal ehrlich: Ich kann nicht so singen wie Fats!“, sagte niemand Geringerer als Elvis Presley über den Kollegen.

Dominos energischer Sound ging auch an King, der mit dem Überflieger manchmal die Bühne teilte, vorüber. Auch King begann zunehmend, seinen Blues mit fetzigen Rock-Elementen aufzumotzen. Im Jahr 2007 fand er sich gemeinsam Ivan Neville und seiner Band Dumpstaphunk im Studio ein, um für die Compilation Goin’ Home: A Tribute to Fats Domino den Titelsong neu zu interpretieren. Und wenn schon nicht Elvis, dann kann zumindest einer dem überragenden Domino das Wasser reichen: B.B. King. Oder seht ihr das anders?


7. Frank Sinatra – Deep In A Dream

Elvis wurde häufig dafür kritisiert, dass er als weißer Künstler schwarze Musik für ein weißes Publikum neu aufbereitet habe und damit Weltruhm erlangte. Anders sieht es bei Frank Sinatra aus, auf den B.B. King kein schlechtes Wort kommen ließ. King, der sich selbst als „Sinatra-Narr“ bezeichnete, wurde von „Ol’ Blue Eyes“ während der sechziger Jahre sogar nach Las Vegas eingeladen. King betonte immer wieder, dass der Ausnahmesänger vielen schwarzen Künstler Tür und Tor geöffnet hätte.

Vor allem der Albumklassiker In The Wee Small Hours hatte es King angetan. Angeblich hörte er es jede Nacht vor dem Einschlafen! „Du konntest all den Schmerz und das Glück in seiner Stimme hören, es war einfach wunderbar, wie er sein ganzes Leben in diese Songs verpackte“, schwärmte King in seiner Autobiografie Blues All Around Me. „Er sang immer die Wahrheit.“ Vom King of Blues ist das mehr als nur ein Kompliment!


8. The Rolling Stones – Sympathy For The Devil (Live)

Als schwarzer Musiker hatte es King trotz der Hilfe eines Schwergewichts wie Sinatra nicht immer leicht. In den sechziger Jahren verhalf ihm Eric Clapton, der zuvor mit den Yardbirds und Cream dem Blues Rock einen neuen Anstrich gegeben hatte, zu neuer Anerkennung beim überwiegend weißen Publikum. Blues war endlich wieder angesagt und auch King durfte als einer der Pioniere davon profitieren. Dass er bei einer Amerika-Tour der Rolling Stones aber lediglich im Vorprogramm und nicht selbst als Headliner spielte, scheint eher wie eine Ironie der Geschichte.

Doch die Konzerte, die King als Support der Stones im New Yorker Madison Square Garden gab und die zu Teilen auf deren unvergessenen Get Yer Ya-Ya’s Out!-Live-Album festgehalten wurden, verschafften ihm immerhin neue Aufmerksamkeit im Showgeschäft. Derweil King im Laufe seiner Karriere mehrmals mit Clapton zusammen fand, so nahm er mit den Stones lediglich 1997 einen Song auf, eine gemeinsame Version seines Klassikers Paying The Cost To Be The Boss. Nach Kings Tod im Mai 2015 zeigten sich Mick Jagger und Keith Richards in einem Fanfragerunde auf Twitter bestürzt von dessen Ableben. „B.B. war ein toller Typ“, so Richards. „Ein echter Gentleman. Ich werde ihn sehr vermissen.“


9. U2 – Where The Streets Have No Name

Nicht nur die Rolling Stones, sondern ebenfalls U2 zeigten ihre Trauer über den Verlust des King of Blues öffentlich. Auch sie durften gemeinsam mit ihm einen Song aufnehmen, auch sie lenkten damit wieder Aufmerksamkeit auf den Ende der achtziger Jahre beinahe in Vergessenheit geratenen Musiker. When Love Comes To Town schrieben die Iren gemeinsam mit der Blues-Legende für ihr Album Rattle and Hum, sogar Little Richard war auf einem alternativen Mix des Stücks mit einer funkigen Rap-Einlage zu hören.

King war nicht der einzige Künstler, dem die Band auf der während der Joshua Tree-Tour entstandenen Sammlung aus Live-Stücke, neuen Songs und Coverversionen Tribut zollten. In der Doku BB King: The Life of Riley erinnerte sich Bono an die Aufnahmen. „Wir zeigten ihm die Akkorde und er sagte nur: ‚Gentlemen… Akkorde spiel‘ ich nicht! Ich mach nur das‘“, lachte Bono und ahmte mit den Händen nach, wie der King den jüngeren Kollegen den Blues vorspielte. „Ich liebe den Song“, sagte King im selben Film gegenüber Bono. „Ich denke, diese Lyrics sind echt heavy.“ Obwohl er keine falsche Scheu hatte: der Respekt vor Bono und seiner Truppe war ihm anzumerken.


10. Kendrick Lamar – m.A.A.d city

Was früher der Blues war, das ist heute Rap. Noch immer bringen in der Musik schwarze KünstlerInnen eine dezidiert schwarze Perspektive zum Ausdruck. Im Unterschied zu den segregierten fünfziger Jahren allerdings hat es ein schwarzer Künstler wie Kendrick Lamar heutzutage zum Glück einfacher als ein B.B. King damals. Ein Zufall wird es allerdings wohl kaum sein, dass ein Track von Lamars Durchbruchsalbum good kid, m.A.A.d city ausgerechnet auf ein King-Stück anspielt.

Der inoffizielle Titeltrack m.A.A.d city, den Kendrick gemeinsam mit MC Eiht einrappte, bricht in der Mitte des Stücks unvermutet ab und geht in einen schweren Oldschool-Rhythmus über. Das markante Streichermotiv im Hintergrund haben sich Lamar und Eiht von B.B. King aus dessen 1970 erschienenem Song Chains and Things geliehen. Lamar ist indes nicht der einzige Rapper, der auf die Musik des King of Blues schwört: MF Doom, Ice Cube, 50 Cent und sogar A$AP Rocky haben auf seine Musik zurückgegriffen. Mit der Neunziger-Ikone Heavy D nahm B.B. King sogar seine ganz eigene Version eines Hip Hop-Tracks auf. Wohin er sich umschaute, B.B. King konnte überall den Blues aufspüren!


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