------------

Popkultur

25 Jahre „Foo Fighters“: Warum Dave Grohls Solo-Debüt seine wichtigste Platte ist

Published on

Dave Grohl
Foto: Gie Knaeps/Getty Images

Groß wurde er mit Nevermind. Doch der Grund, weshalb Dave Grohl heute der verdammt noch mal coolste Rockstar unserer Zeit ist, ist das Debüt seiner Band Foo Fighters. Ohne dieses Album wäre alles ganz anders gekommen.

von Björn Springorum

Hört hier das Foo-Fighters-Debüt:

Kurt Cobains Selbstmord im April 1994 ändert alles. Die Galionsfigur des Grunge ist tot, die Musikwelt verfällt in Schockstarre. Wenige trifft der Tod des Nirvana-Frontmanns härter als Dave Grohl. Der Drummer verfällt in Depressionen, kann weder Musik spielen noch hören. Für einen wie ihn ist das in etwa so, als würde man ihm die Luft zum Atmen nehmen. Grohl, damals 25, ist paralysiert. Er bekommt viele Angebote, soll als Schlagzeuger bei Tom Petty And The Heartbreakers, Pearl Jam und Danzig einsteigen, lehnt aber alles rasch und bestimmt, fast schon panisch ab. „Es würde mich nur die ganze Zeit an Nirvana erinnern“, sagt er dazu.

45 Minuten pro Song

Im Oktober 1994 kann er sich endlich aufraffen. Er bucht sich ein paar Tage in den Robert Lang Studios außerhalb Seattles ein und stellt sich den Geistern seiner Vergangenheit. Erst wenige Monate zuvor, im Januar 1994, findet hier die allerletzte Nirvana-Aufnahme statt – You Know You’re Right. Entfesselt nimmt Grohl in den nächsten Tagen 15 der 40 Songs auf, die er mittlerweile geschrieben hat. Mit Ausnahme eines einzigen Gitarrenparts in X-Static, den Greg Dulli von den Afghan Whigs übernimmt, als er seinen Kumpel im Studio besucht, spielt Grohl jedes Instrument alleine ein und singt jede Textzeile selbst. Für ihn ist das einerseits Katharsis und Wiedergeburt, andererseits Trauerbewältigung. Zudem tritt er im Oktober 1994 erstmals aus dem langen Schatten von Kurt Cobain. Dem hat Grohl seine Songs nie gezeigt. Zu sehr war er eingeschüchtert vom Talent seines verstorbenen Freundes.

„Dave’s True Stories“: Dave Grohl teilt auf Instagram Skurriles aus seinem Leben

Grohl wohnt um die Ecke, kommt am späten Vormittag ins Studio. Von Mittags bis nachts rennt er von Raum zu Raum, drischt auf die Drums ein, hetzt weiter, schnappt sich die Gitarre, legt los. 45 Minuten für jeden Song, dann geht’s schon zum nächsten. Eine gehörige Tour de force, die Grohl alles abverlangt. Und das tut gut: Er kann kaum Trübsal blasen, kann viel von dem rauslassen, was sich seit April in ihm angestaut hat, singt und spielt sich ins Leben zurück, wenn man es pathetisch ausdrücken will. Dazu gehört auch, dass einige der Textzeilen ganz bewusst nur aus sinnfreien Wortfetzen und Gebrabbel bestehen. Nach Cobains Tod gab es „einfach zu viel zu sagen“, so Grohl.

Die Sache mit den UFOs

Mit dem hehren (aber natürlich vollkommen unrealistischen) Ziel, seine Identität geheimzuhalten, gibt sich Grohl den Namen Foo Fighters. So bezeichneten Piloten der Airforce im Zweiten Weltkrieg UFO-Sichtungen und andere außerirdische Phänomene. Grohl, damals schwer UFO-begeistert, wird wenig später auch noch sein Label Roswell Records nach dem angeblichen Absturzort eines UFOs in New Mexico benennen. Auf dem erscheint – Trommelwirbel – am 4. Juli 1995 das schlicht Foo Fighters betitelte Debüt. „Ich dachte, es wäre besser, wenn ich mache, was niemand von mir erwartet“, sagte er einmal dazu. „Ich liebe es, Musik zu schreiben, und ich liebe es, das Singen zu versuchen. Davon kann mich niemand abhalten.“

Dieses Credo hat er sich bis heute beibehalten. Und ihn auch ohne das allergrößte Talent an Gitarre oder Gesang zu einem der größten und sympathischsten Rockstars unserer Zeit gemacht. Damit das passieren kann, muss er aber natürlich live spielen. Bald nach den Aufnahmen schart er eine Band um sich. Die gerade erst aufgelöste Band Sunny Day Real Estate fungiert für ihn als eine Art Ersatzteillager, das mit Basser Nate Mendel und Drummer William Goldsmith zwei Mitglieder springen lässt. Nirvanas Live-Gitarrist Pat Smear komplettiert das erste Line-Up. Da hat sich Grohl schon gegen Krist Novoselic am Bass entschieden. Es wäre für alle anderen außer ihnen beiden einfach zu komisch gewesen, sagt er. Weise Entscheidung: Im Grunde wären die Foo Fighters dann Nirvana gewesen. Nur eben ohne Kurt Cobain.

Abschied von den Dämonen

Aus einem Experiment, einer kathartischen Form der Trauerbewältigung wird im Handumdrehen eine erfolgreiche Rock-Band von Weltruhm. Schon Ende des Jahres hat sich Foo Fighters weltweit zwei Millionen Mal verkauft. Das erstaunt niemanden mehr als Dave Grohl selbst. „Das erste Foo-Fighters-Album sollte ja nicht mal eines werden“, erzählt er 2011 dem englischen Classic Rock. „Es war nur ein Experiment, ich lärmte nur herum.“ Schon der Nachfolger The Colour And The Shape verdeutlicht, was Grohl mit diesen Worten meint: Wo sein Erstling roh, bewusst improvisiert, direkt und ziemlich kratzig klingt, hat sich die Band schon auf dem zweiten Album gefunden, tönt deutlich sauberer, professioneller.

Foo Fighters muss sich jedoch genau so anfühlen, wie es sich anfühlt. Nach einem Menschen, dessen Leben auf den Kopf gestellt wurde. Denn auch wenn die meisten Songs auf diesem Erstling teilweise sogar vor Grohls Zeit bei Nirvana geschrieben wurden, spricht vor allem die enthemmte, fiebrige Aufnahme von Schmerz, Wut und dem Verlangen nach Heilung. Wer weiß, was mit Dave Grohls Dämonen passiert wäre, wenn er wirklich als Schlagzeuger bei Tom Petty eingestiegen wäre. Gut möglich, dass sie immer noch unter seinem Bett hocken und auf den Anbruch der Dunkelheit warten würden.

Dave Grohl erklärt, warum sich die Foo Fighters nie auflösen werden

Don't Miss