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Popkultur

Gitarrengott: Bo Diddley

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Der Mann, der später in seiner Karriere als der „500-Prozent-Mann“ bezeichnet wurde, war berühmt für seinen unvergleichlichen Gitarrensound, der die Rolling Stones zu Beginn ihrer Musiklaufbahn inspirierte. Dieser besondere Gitarrensound wurde begleitet von dem sogenannten ‘Bo Diddley Beat’: „Shave ‘n’ a Haircut, Two Bits”. Der Crawdaddy Club in Richmond, der die spirituelle Heimat der Stones zu Beginn des Jahres 1963 war und auch der Ort, an dem die Beatles und Decca Records sie sahen, war nach einem Bo Diddley Song benannt worden. Aber abgesehen davon, dass Bo Diddley solch einen Einfluss auf andere ausübte, war er auch einer der echten Persönlichkeiten, der Einflüsse von überall her aufnahm und daraus etwas Einzigartiges erschuf.

 

„Er ist der einzige weiße Musiker, der wirklich Rhythmus im Blut hat.” – Bo Diddley über den Rolling Stone Brian Jones 1963

 

Bo Diddley, wie auch sein ebenfalls berühmter Musikerkollege vom Chess-Label Chuck Berry, spielte in der Entwicklung der Popmusik eine zentrale Rolle. Der Bo Diddley Beat findet sich auf unterschiedlichen frühen Beatband-Alben und legte die Grundlage für eine musikalische Ära, die seither als Rockmusik bezeichnet wird. Von den Rolling Stones über The Quicksilver Messenger Service, George Michael, Guns N’ Roses und U2, haben alle den Bo Diddley Beat verwendet.
 

Digging deeper…

 
bo diddleyEr wurde als Ellas Bates McDaniels auf einer Farm im Mississippi-Delta gebohren. Nachdem er von der Cousine seiner Mutter adoptiert worden war, verbrachte er seine Kindheit in Chicago und sein Hauptinteresse galt dem Boxsport, wodurch er auch seinen Spitznamen erhielt. Wie die meisten schwarzen Kinder seiner Zeit, verfügte er über ein großes Repertoire an Gospel- und Kirchenmusik; es war jedoch außergewöhnlich, dass er auch noch Geigenunterricht nahm und klassische Musik studierte.
Diddley änderte seine musikalische Laufbahn als er John Lee Hooker hörte. In den frühen 50er Jahren begann er mit seinem langjährigen, musikalischen Partner, dem Maraca-Spieler Jerome Green zusammenzuarbeiten, um das zu erreichen, was Bo als „diesen Güterzugsound” bezeichnete. Billy Boy Arnold, selbst ein ausgezeichneter Blues-Harmonika-Spieler und -Sänger, spielte ebenfalls mit Diddley als der Gitarrist Mitte der 50er Jahre einen Vertrag mit Checker, der Tochterfirma des Chess-Labels, landete (nachdem er von der rivalisierenden Chicagoer Plattenfirma Vee-Jay abgelehnt worden war). Seine allererste Single „Bo Diddley”/„I’m a Man” (1955), war ein doppelseitiges Monster. Die A-Seite war von den futuristischen Wellen eines Gitarrentremolos durchsetzt, die sich zum Text eines zeitlosen Kinderreims fügten; die Rückseite war ein auf der Harmonika gespielter Shuffle im Bump-and-Grind-Rhythmus, der von einem umwerfenden Blues-Riff unterstützt wurde. Aber das Ergebnis war nicht wirklich Blues, nicht einmal ein reiner R&B, sondern eine neuer, gitarrenlastiger Rock ‘n‘ Roll, der im Blues und R&B verankert war, jedoch an keinen der beiden Stile Zugeständnisse machte.
Die Single schaffte es bis an die Spitze der R&B-Charts, was wegweisend für seine Karriere war. Diddley blieb noch den Rest der 50er Jahre und frühen 60er Jahre bei Checker und hatte eine Reihe von R&B-Chart-Hits. Er nahm während dieser Zeit weitere „klassische“ Stücke auf und dazu gehörten „Who Do You Love“ (1956), „Hey Bo Diddley“ (1957) und „Mona (I Need You Baby)“ (1957). 1958 schaffte es „Say Man“ auf den 20. Platz in den US Hot 100 Charts, 1962 folgte eine Version von Willie Dixons „You Can’t Judge a Book by Its Cover“ auf dem 48. Platz der Hot 100.

Um 1958 herum war Diddley nach Washington gezogen und ging mit Rock ‘n’ Roll Pauschalreisen auf Tournee. Seine Platten wurden stärker vom Blues beeinflusst, er war jedoch genau wie Chuck Berry eine explosive Mischung aus Blues, Rock und R&B. Seine Popularität liess nach 1962 in Amerika nach, aber in Grossbritannien hatte er 1963 einen Hit mit „Pretty Thing“ (die Inspiration für den Namen der gleichnamigen Süd-Londoner Band) und 1965 mit „Hey Good Lookin“. Die Rolling Stones spielten zu Beginn ihrer Laufbahn viele der Bo Diddley Songs, u.a. „Crawdaddy“, „Nursery Rhyme“, „Road Runner“, „Mona“ und „Bo Diddley“.

 
„Bo Diddley ist die Rolle, die ich auf der Bühne spiele. Privat bin ich immer noch Ellas, ein lockerer Typ. Aber wenn man auf der Bühne nicht ausflippt, sagen die Leute, man strenge sich nicht genügend an.” – Bo Diddley
 

Er mag nur einige grosse Hits gehabt haben, aber wie Bo Diddley sang „You Can’t Judge a Book by Its Cover” so kann man einen Künstler nicht nur an seinen Charterfolgen messen und Diddley produzierte bessere und einflussreichere Musik als die meisten der frühen Rockmusiker. Der Bo Diddley Beat – bomp, ba-bomp-bomp, bomp-bomp – ist einer der Hauptrhythmen des Rock ‘n‘ Roll, der sich in der Musik von Buddy Holly, der Rolling Stones und sogar in Hits wie „I Want Candy” der Pop-Garage-Band The Strangeloves aus dem Jahre 1965 wiederfindet. Diddley hatte eine hypnotisch-rhythmische Art, die Songs zu attackieren, eine ausdrucksstarke, eindrucksvolle Stimme und er orientierte sich für seine Kompositionen sowohl an seinen afrikanischen Wurzeln als auch am Rap der Zukunft. Sein Markenzeichen, ein geisterhafter, vibrierender, verzerrter Gitarrenstil hat viel dazu beigetragen, die Kraft und den Tonumfang des Instruments zu erweitern. Noch wichtiger war jedoch, dass Bo einen lebhaften Schwung hatte, der unwiderstehlich rockig war, mit einem witzelnden, swingenden Unterton, der den absolut humorvollen, fremdartig klingenden und freien Rock ‘n‘ Roll verkörperte.

Diddley war nie ein Topkünstler vergleichbar mit Chuck Berry, seinem Rivalen beim Chess-Label, aber während der nächsten sechs Jahre produzierte er einen Katalog von Klassikern, die qualitativ denen von Berry in nichts nachstehen. „You Don’t Love Me”, „Diddley Daddy”, „Pretty Thing”, „Diddy Wah Diddy”, „Who Do You Love?”, „Mona”, „Road Runner” und „You Can’t Judge a Book by Its Cover” – dies sind alles Musikklassiker des frühen, sehr verrückten, gitarrenlastigen Rock ‘n’ Roll. Erstaunlicherweise war sein einziger Top-20-Hit „Say Man” ein atypischer, absurder, abwechselnder Rap zwischen ihm und Jerome Green, der beinahe zufällig entstand als die beiden im Studio herumprobierten.

Diddley lieferte immer eine packende Liveshow ab, wobei er sein Markenzeichen, die viereckigen Gitarren, und verzerrte Verstärker verwendete, um neue Klänge entstehen zu lassen, die bereits die Innovationen der Gitarristen der 60er Jahre, wie Jimi Hendrix, vorausahnen ließen. In Großbritannien wurde er ähnlich verehrt wie Chuck Berry und Muddy Waters. Besonders die Rolling Stones ließen sich am Anfang stark von Bo’s Rhythmen und Lebensgefühl beeinflussen, obwohl sie offiziell nur einige Songs, „Mona” und „I’m Alright”, als Cover herausbrachten. Andere britische R&B-Gruppen wie The Yardbirds, The Animals und The Pretty Things coverten ebenfalls zu Beginn ihrer musikalischen Laufbahn Diddley Standards. Buddy Holly brachte ein Cover von „Bo Diddley” heraus und verwendete einen abgeänderten Bo Diddley Beat auf „Not Fade Away”; als die Stones den Song genau im Stil von Bo aufnahmen (inklusive rasselnder Maracas), landeten sie damit ihren ersten, größeren Hit in Grossbritannien. 

Durch die „britische Invasion” gewann Diddley in der Öffentlichkeit an Anerkennung und war seither ein beliebter Live-Künstler. Leider war seine Karriere als Aufnahme-Künstler, sowohl kommerziell als auch kreativ, jedoch zu der Zeit als die Beatles und Rolling Stones Amerika eroberten bereits vorbei. Er nahm weiterhin Songs auf, jedoch immer weniger und nach 1963 komponierte er nie wieder Material, das mit seinen frühen Klassikern vergleichbar gewesen wäre. Es ist schwer zu sagen, ob es ihm an Inspiration fehlte oder ob er dachte, er könne sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Er bleibt jedoch ein wichtiger Teil des kollektiven Rock ‘n‘ Roll-Bewusstseins und erreichte manchmal doch noch einen höheren Bekanntheitsgrad, beispielsweise durch eine Tournee mit The Clash im Jahre 1979, eine Statistenrolle im Film „Trading Places“ („Die Glücksritter“), eine Tournee mit Ronnie Wood in den späten 80er Jahren und 1989 durch einen TV-Werbespot für Sportschuhe mit dem amerikanischen Spitzensportler Bo Jackson.

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