------------

Popkultur

Guitar Gods – Heilige an sechs Saiten

Published on

Seit den Anfangstagen der Rock-Ära gab es immer Gitarristen, die ganze Generationen dazu inspirierten, es ihnen nachzutun. Aber unter den zahlreichen Aposteln, finden sich nur wenige Auserwählte, denen der Status eines Gitarrengottes zukommt. Wer sind sie und was macht sie so besonders?

Der Gitarre wohnt eine ganz eigene Magie inne. Sie ist mit keinem anderen Instrument vergleichbar. Das zeigt sich daran, wie wir uns mit unseren Helden verbunden fühlen und wie wir über sie reden. Da können andere virtuose Musiker meist nicht mithalten. Diese gottgleichen Figuren bringen die Gitarre zum Singen und zum Weinen, und besonders der elektrischen Gitarre entlocken sie dank einer Kombination aus bestimmten Instrumenten, Verstärkern und Signalprozessoren charakteristische Sounds… aber vor allem ist es ihr Talent, das sie von der Masse abhebt.

Zuerst gab es Chuck Berry mit seinen unverwechselbaren Licks, die Gitarristen weltweit beeinflussten. Dann kamen Eric Clapton und Jimi Hendrix – beide stark inspiriert von einer Gruppe von Bluesmusikern. Aber was ist mit den vielen anderen, die die Grenzen von dem, was eine elektrische Gitarre leisten kann, sprengten?

 

Gitarre Guns N RosesWenn man sich einen Gitarrengott backen könnte, hätte der wahrscheinlich große Ähnlichkeit mit Slash: tiefhängende Les Paul-Gitarre, Zigarette im Mundwinkel, Lederhose und sein Markenzeichen, der Zylinder – Slashs Gitarrenspiel trug maßgeblich zum Durchbruch von Guns N’ Roses bei. Zu einer Zeit, als zahllose schlechte Van Halen-Klone auf den Markt schwemmten, schwamm Slash mit seinem gleichzeitig rauhen und melodischen Stil gegen den Strom. Er orientierte sich an klassischen Rockgitarristen wie Hendrix, Keith Richards und Joe Perry von Aerosmith. Vielleicht ist aufgrund seiner englischen Herkunft auch ein wenig von Paul Kossoffs DNA in seinem Stil (der Gitarrist der Band Free, der viel zu früh verstarb und so viele nach ihm beeinflusste). Slashs Einfluss war so groß, dass Gibson ab 1987 einen Anstieg der Nachfrage nach Les Paul-Gitarren verzeichnete. Das ist ironisch, wenn man bedenkt, dass seine ursprüngliche, auf Appetite For Destruction verwendete Gitarre eine Kopie war.

Die Hits von Guns N’ Roses erzählen alles, was man über Slashs Gitarrenspiel wissen muss: das epische Intro von ‘Sweet Child Of Mine’, das Wah Wah-Solo, der unglaublich schnelle Lauf am Ende von ‘Paradise City’, die harten Riffs von ‘Welcome To The Jungle’, das Slide Guitar Solo, und nicht zu vergessen die gigantischen melodischen Bends und Sustains des ‘November Rain’-Solos. Auch auf anderen Tracks auf diversen Alben gibt es großartige Momente; das Talkbox-Solo auf ‘Anything Goes’ auf ihrem Debütalbum und die unterschiedlichen Melodien auf ‘Estranged’, insbesondere das Hauptsolo in der Mitte dieses neunminütigen Werks auf Use Your Illusion II.

Wenn Ihr Extreme nur von ihrer Akustikballade ‘More Than Words’ kennt, dann seid Ihr Euch der beeindruckenden Virtuosität von Nuno Bettencourt womöglich nicht bewusst. Er hat bei Eddie Van Halen gelernt, ist aber so unglaublich gut, dass man ihm nie vorwerfen konnte, er würde ihn nur kopieren. Nuno kann einige fast unwirkliche Dinge auf der Gitarre spielen und ist dabei immer melodisch.

Ihr erster großer Hit (in Großbritannien, nicht zu Hause in den USA) war ‘Get The Funk Out’ von ihrem zweiten Album Pornograffitti. Das Solo auf diesem Song zeigt so gut wie alles, was Nuno zu bieten hat – superschnelles Picking und die zweihändige Tappingtechnik, die durch Van Halen bekannt geworden war. Das verblüffende Timing seines Phrasings zeigt, dass er wirklich die komplette Kontrolle hat. Sogar die atemberaubend schnellen und komplexen Funkrhythmen von Extremes Musik gaben Nuno eine wunderbare Plattform, auf der er sich musikalisch austoben konnte. Wenn Ihr mal etwas Anderes hören wollt, dann versucht es mal mit dem Acoustic-Instrumental ‘Midnight Express’ von ihrem vierten Album Waiting For The Punchline.

 

Progrock-Fans feiern ihre Virtuosen. Oftmals sind das Keyboarder wie Rick Wakeman. Aber kaum einer wurde so bewundert wie der Gitarrist Alex Lifeson von der kanadischen Band Rush. Er war besonders bekannt für seinen effektreichen Sound, den er extrem effizient einsetzte und so satte Klanglandschaften und den vollen Sound für das Trio schuf. Ein anschauliches Beispiel dafür ist ‘Kid Gloves’ von Grace Under Pressure: Die Kombination spitzer rhythmischer Akkorde mit synkopierten Arpeggios (Akkorde, die in einzeln gespielte Noten aufgebrochen werden) und Chorus- und Delay-Effekte ergibt den Sound von Rush. Das Solo ist eine Erweiterung davon. Es beginnt mit einem kantigen, rhythmischen Phrasing, das den Song weiterführt, zu einem Höhepunkt aufbaut und dann nahtlos wieder in das Riff übergeht. ‘Closer To The Heart’ von A Farewell To Kings demonstriert seine melodischere Seite im Solo. Es knüpft dort an, wo der Gesang aufhört, und die Harmonie-Gitarre wirkt geplant und komponiert.

GitarreAndy Summers ist stilistisch nicht allzuweit entfernt und bewegt sich ebenfalls in dem klanglichen Rahmen eines Trios. Seinen Beitrag zu The Police kann man kaum hoch genug einschätzen. Die Songklassiker wie ‘Message In A Bottle’ und ‘Every Breath You Take’ stammten zwar von Sting, aber erst durch Summers Gitarre, wurden sie prägend für die Karriere der Band. Auch wenn man sich die Gitarren ohne den Gesang anhört, weiß man immer noch ganz genau, um welchen Song es sich handelt. Ein Gitarrengott, der nicht für seine Solos, sondern die Rhythmusgitarre bekannt ist, ist eine Seltenheit, aber Andy Summers unverwechselbarer musikalischer Fingerabdruck erklärt sich durch seine Kenntnisse im Jazzbereich und seine Fähigkeit, diese im Pop anzuwenden und einen interessanten Sound zu kreieren, der die Zuhörer nicht gleich verschreckt. Das rhythmische Wechselspiel zwischen Gitarre, Bass und Drums ist bei The Police der Schlüssel: Auf Songs wie ‘Roxanne’ und ‘Walking On The Moon’ kann man hören, wie Sting, Andy und Stuart zusammen und umeinander herum spielten und dabei Raum für Experimente ließen, wie auf dem Titeltrack von Reggatta De Blanc, aber sie zögerten auch nicht, mal richtig zu rocken (‘Synchronicity I’ und ‘II’ auf dem gleichnamigen Album).

Soviel rhythmische Vielfalt wird man auf einem U2-Album nicht finden, aber was man findet, ist die ultimative Plattform für eine weitere Art von Guitar Hero. Edge steckt hinter einigen der unverwechselbarsten Klänge, die je auf einem Album zu hören waren: gewaltige Rockriffs wie ‘Vertigo’, ‘Beautiful Day’, ‘The Fly’, wunderschöne Akkorde auf ‘One’, ‘Stuck In A Moment You Can’t Get Out Of’ und natürlich die monumentalen Wall of Sounds, die mit wiederholten Delay-Effekten und Reverb entstanden, so z. B. auf ‘I Will Follow’, ‘New Years Day’, ‘Pride (in the name of love)’ und ‘I Still Haven’t Found What I’m Looking For’.

U2 GitarreEdge kreierte gewissermaßen einen neuen Gitarrenstil und viele der Songs wurden um die Sounds herum gebaut, anstatt die Effekte im Nachhinein einzufügen. Die vielschichtigen Strukturen sind weiterhin ein Markenzeichen des Sounds von U2, aber Edge hat auch keine Angst vor Experimenten. Falls Ihr Euch gefragt habt, was er in der Hand hat, wenn er ‘With Or Without’ live spielt: Das ist ein sogenannter Ebow, ein elektronisches Gerät, dass die Saiten zum Vibrieren bringt, damit diese ewig langen Töne entstehen, die wir alle kennen. Weitere tolle Beispiele für seine Vielseitigkeit sind z. B. der rauhe, kratzige Klang auf ‘Get On Your Boots’, der verzerrte Wah-Sound auf ‘Discotheque’ und der regelrecht dreckige Sound auf ‘Numb’ vom Album Zooropa – ein Track auf dem Edge auch die Leadvocals singt.

 

Wenn der Gitarrist auch der Sänger der Band ist, gibt es keine Kämpfe um das Spotlight. Diese beiden Funktionen miteinander zu verbinden, verdient allerhöchsten Respekt. Nur Musiker können wirklich verstehen, wie schwierig das sein kann – es geht definitiv über das gleichzeitige Reiben des Bauches und Klopfen auf den Kopf hinaus. Mark Knopfler ist einer der Musiker, bei dem es für das ungeübte Auge total einfach aussieht, wenn er zwischen Gesang und scharfen Gitarrenparts wechselt. Am augenscheinlichsten ist das Zusammenspiel in Dire Straits-Tracks wie ‘Your Latest Trick’ und ‘Brothers In Arms’, wo die Lücke zwischen den Textzeilen fast wie bei einem Call-and-Response Spiel mit einem kurzen Notenwirbel gefüllt wird.

Knopfler hat einen ganz anderen Stil, stark beeinflusst von Rock’n’Roll- und Countrymusikern wie James Burton, Scotty Moore und Chet Atkins. Mit Letzterem hat er auf dem Album Neck And Neck kollaboriert. Nicht nur, dass er mit den Fingern statt Plektrum spielt; er ist außerdem Linkshänder, spielt aber rechtshändig, worauf viele den einzigartigen Sound zumindest zum Teil zurückführten. Den Country-Einfluss hört man ganz deutlich auf Dire Straits-Hits wie ‘Sultans Of Swing’, ‘Calling Elvis’, sowie während seiner kompletten Solokarriere; ‘No Can Do’ von Golden Heart und ‘Do America’ von Sailing To Philadelphia sind gute Beispiele für die Kombination aus Country-Rhythmen und –Strukturen mit einem rauhen, verzerrten Gitarrensound.

Er ist ein äußerst gefühlvoller Gitarrist und so ist es nicht überraschend, dass seine Musik in der Filmwelt sehr gefragt ist. So entstanden erinnerungswürdige Stücke wie die spätere Hymne des Newcastle FC ‘Going Home: Theme Of The Local Hero’. Nicht alle seine Beiträge zu Filmen sind Gitarrentracks, aber auf dem Soundtrack zu Wag The Dog und auf dem weniger bekannten A Shot At Glory sind ein paar besonders geschmackvolle Stücke.

4 Gary Moore Guitar GodsAuch Gary Moore war ein Linkshänder, der mit rechtshändiger Technik spielte, und auch er war zusätzlich Sänger; obwohl seine Karriere ganz anders begann. Zunächst zog er von Dublin nach Belfast, um sich der Band Skid Row als Sessionmusiker mit außerordentlichen Fähigkeiten anzuschließen. Die Zusammenarbeit hielt nicht lange und 1973 hören wir ihn auf seinem ersten Soloalbum Grinding Stone zum ersten Mal Blues singen. Danach spielte er dreimal für einige Zeit in Thin Lizzy – hauptsächlich als Tourgitarrist, aber mit einigen Performancesschaffte er es auch auf Platte: die Ballade ‘Still In Love With You’ vom Album Nightlife (1974) und ‘Roisin Dubh (Black Rose): A Rock Legend’ auf Black Rose (an diesem Song hatte Moore auch mitgeschrieben). Letztere zeigt auch die keltischen Wurzeln, die immer wieder ihren Weg in sein Gitarrenspiel fanden und besonders deutlich auf dem Album Wild Frontier von 1987 zu hören sind: Das Instrumental ‘The Loner’, geschrieben von Jeff Becks früherem Keyboarder Max Middleton, ist herausragend.

1978 wandte er sich mit Back On The Streets wieder seiner Solokarriere zu. Es ist eine Mischung unterschiedlicher Stile: ‘Flight Of The Snow Moose’ spiegelt seine Zeit in der Jazz Fusion Band Colosseum II wieder und ‘Don’t Believe A Word’ ist ein Indikator dafür, dass er schließlich den direkten Weg Richtung Blues einschlagen würde. Der bekannteste Track ist ‘Parisienne Walkways’ mit Garys gefühlvollem Vibrato, exquisitem Phrasing und der Fähigkeit, sein Gitarrenspiel zu einem integralen Element des Songs zu machen. Geschrieben hat er den Track zusammen mit Phil Lynott, seinem Kumpel von Skid Row und Thin Lizzy, und später taten sich die beiden für das Album Run For Cover (1985) wieder zusammen. Aus dieser Kollaboration entstand die Hitsingle ‘Out In The Fields’, aber auch eine Version von ‘Military Man’ – ein weiteres Beispiel für die puren Emotionen, die Gary Moore beim Zuhörer hervorrufen konnte. ‘Empty Rooms’ ist ein so großartiger Song, dass er ihn schon mal für das Album Victims Of The Future aufgenommen hatte, bevor er schließlich einen weiteren Hit mit fantastischen Gitarrenmoment wurde – zunächst ein klassischer Gitarrenpart, der dann in einem kreischenden und sehr melodischen Crescendo ausbricht.

 

Als Gary Moore die Entscheidung fällte, sich auf den Blues zu konzentrieren, wechselte er fast komplett zu Les Paul-Gitarren. Eine davon hatte zuvor Peter Green von Fleetwood Mac gehört und die Inspiration hinterließ ihre Spuren. Auf dem Album Still Got The Blues und den beiden Nachfolgern After Hours und Blues For Greeny sind so viele großartige Beispiele für seinen Stil. Er spielt den Blues in all seinen Formen, aber für sein Gitarrenspiel bieten Balladen immer noch den besten Kontrast. ‘Jumping At Shadows’, ‘Separate Ways’, ‘Still Got The Blues’, ‘As The Years Go Passing By’, ‘Need Your Love So Bad’ und ‘Nothing’s the Same’ sind alle fantastische Einblicke in die Arbeit dieses virtuosen Musikers, der nach seinem Herzinfarkt 2011 leider nicht mehr unter uns weilt.

Richard Thompson ist eine ganz andere Art von Gitarrengott. Am bekanntesten ist seine Arbeit als Mitglied der britischen Folklegende Fairport Convention, aber er leistete auch einen maßgeblichen Beitrag zum Sound der gesamten Bewegung, tauchte auf Alben von Sandy Denny und Nick Drake auf, und veröffentlichte Soloalben, sowie Kollaborationen mit seiner Frau Linda. Er fühlte sich mit der akustischen Gitarre genauso wohl wie mit der elektrischen und spielt mit einer Hybridtechnik, sowohl mit Fingerpicking und Plektrum.

Nicht jeder Gitarrengott musste mit Pyrotechnik protzen. Sie beeindrucken einfach mit ihrer vollendeten Virtuosität. Thompsons langes Solo in dem Song ‘Can’t Win’ vom Album Watching the Dark findet fast überhaupt kein Ende und es ist so gut, dass man auch gar nicht möchte, dass es aufhört. Auf ‘Hard on Me’ von Mock Tudor (1999) bricht er wirklich aus, aber er hat immer die Kontrolle, und genau das ist eine der Facetten, die sein Gitarrenspiel so attraktiv machen. Aus seiner Zeit mit Fairport Convention sticht besonders seine Arbeit auf ‘Mr Lacey’ auf Fairport Convention at the BBC heraus und auf dem neunminütigen Werk ‘Sloth’ auf Full House zeigt er seine komplette Bandbreite.

GitarreDie ultimative Auszeichnung ist es, wenn andere Künstler die Talente eines Guitar Heros für ihre Platten haben wollen – der letzte Schliff, wenn nur der unverwechselbare Sound eines bestimmten Musikers gut genug ist. Beispiele dafür kann man an ganz unvermuteten Orten finden. Die meisten werden wissen, dass Slash auf den Spuren von Van Halen wandelte, als er auf Michael Jacksons ‘Black Or White’ spielte, aber er spielte auch auf Lenny Kravitzs Album ‘Always On The Run’ (daher auch die Erwähnung kurz vor dem Solo). Stevie Wonder ruft Jeff Becks Namen bei seinem Solo auf ‘Lookin’ For Another Pure Love’ von Talking Book, aber bei Jon Bon Jovis ‘Blaze of Glory’ wird er nicht groß angekündigt. Und wenn Ihr etwas wirklich Geniales hören wollt, dann empfiehlt sich sein Gastauftritt auf Trombone Shortys Track ‘Do To Me’. Auf Lionel Richies ‘Running With The Night’ sind sogar zwei großartige Solos von Steve Lukather von Toto (unbedingt die Albumversion anhören, da auf der Singleversion das Solo beschnitten ist). Richard Thompsons einzigartiger Stil passt auch perfekt zu ‘Sister Madly’ von Crowded House und mit seiner Performance auf dem Gaucho Albumtrack ‘Time Out Of Mind’ ist Mark Knopfler einer von vielen großen Musikern, die auf den Platten von Steely Dan mitwirkten. Slash hat einen weiteren Gastauftritt auf Rihannas Track ‘Rockstar 101’, und Rihanna hat außerdem das große Glück, Nuno Bettencourt in ihrer Liveband zu haben – Grund genug, sich ihre Show anzusehen.

So sieht es also aus. Ein Gitarrengott kann sehr viel ausmachen…

Finde die anderen Gitarrengötter:

Chuck Berry
Bo Diddley
Muddy Waters


Entdecke die Video Serie uDiscover: Rewind! mit Fritz Egner

Rewind Badge

Popkultur

Interview mit Mike Rutherford: „Die letzte Genesis-Show war bizarr“

Published on

Mike Rutherford
Foto: Elena Di Vincenzo/Archivio Elena di Vincenzo/Mondadori Portfolio via Getty Images

Kaum hat er die eine Band zu Grabe getragen, führt er die nächste spazieren: Im Interview vor der anstehenden Deutschlandtour von Mike And The Mechanics spricht Mike Rutherford über das Touren, seine zweite Heimat Kapstadt und die allerletzte Show von Genesis.

von Björn Springorum

Ab dem 31. Mai 2023 gastiert Mike Rutherford mit seinen Mechanics in Deutschland. Für die Konzerte verspricht er alle Hits von Mike And The Mechanics und einen „Tropfen“ Genesis. Sechs Auftritte sind in Deutschland geplant – natürlich auch in seiner deutschen Lieblingsstadt Berlin.

„Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs, ohne das Alte aufgeben zu müssen.“

Mike, du hast Mike And The Mechanics 1984 gegründet, als Genesis eine Pause einlegten. Die Jahre davor waren ja ein einziger Wirbelwind, wäre da nicht ein längerer Urlaub auch eine gute Idee gewesen?

Aus heutiger Sicht ist das eine wirklich gute Frage. Ja, ich glaube, das wäre eine wirklich gute Option gewesen. (lacht) Genesis sind aber eben anders als andere Bands. Früher oder später starten andere Musiker ihre Soloprojekte und distanzieren sich von ihrer Hauptband. Bei uns war das anders. Wir liebten es, zusammen zu spielen. Unser Geheimnis war wohl immer die Vielfalt: Wir hatten Genesis, und wenn es bei Genesis mal etwas ruhiger wurde, hatten wir alle unsere anderen Spielplätze, auf denen wir uns eine Weile verlustieren konnten. Irgendwann kamen wir wieder mit frischen Ideen zu Genesis zurück und freuten uns darauf, weiterzumachen. Das sorgte dafür, dass wir uns und unsere Band noch mehr zu schätzen wussten.

Du hast ja schon vor Mike And The Mechanics Soloplatten veröffentlicht. Wieso brauchtest du eigentlich noch eine weitere Band?

Es ging mir nicht zwangsläufig darum, etwas ganz anderes zu machen. Es ging mir auch nicht darum, Dinge zu verwirklichen, die vielleicht keinen Platz bei Genesis gefunden hätten; es ging mir einfach darum, auch mit anderen Menschen Musik zu machen. Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs ohne das Alte aufgeben zu müssen. Klingt verwöhnt, ich weiß.

„Ich glaube weiterhin an das Albumformat.“

Die letzte Mechanics-Platte Out Of The Blue ist über vier Jahre alt. Ist das was Neues in Planung? Oder glaubst du etwa nicht mehr an das Albumformat?

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr so genau, was ich von all diesen Entwicklungen halten soll. Ich glaube aber weiterhin an das Albumformat und halte nichts davon, einfach nur einzelne Songs zu veröffentlichen. Aber ich bin eben ein Dinosaurier, ich komme aus einer Zeit, in der das Albumformat große Relevanz hatte, in der man sich eine absurd lange Zeit mit der richtigen Reihenfolge der einzelnen Songs befasste. Das kriegt man nicht mehr raus aus mir. Auf einem Album zählt jeder Song, alles muss an seinem Platz sein. Das gefällt mir. Die letzte Platte ist wirklich schon eine Weile her, aber es war ja erst Corona und dann die Genesis-Tour. Wird wohl mal wieder Zeit, was?

Wie funktionieren Mike And The Mechanics? Wie planst du neue Platten oder Tourneen?

Früher haben Genesis natürlich in gewisser Weise das Tempo von Mike And The Mechanics vorgegeben. Seither haben wir natürlich mehr Freiheiten und können agieren, wie wir es möchten. Natürlich gibt es uns auch schon seit 1984, also bald 40 Jahre, und es gab auch in unserer Karriere große Einschnitte: Der Tod von Paul Young oder der Ausstieg von Paul Carrack etwa. Doch Mike And The Mechanics blieben davon unberührt immer Mike And The Mechanics. Wenn ich etwas schreibe, das nach dieser Band klingt, dann kommt auch der Name dieser Band darauf. So einfach ist das.

Du bist gerade auf deiner ersten Mechanics-Tour seit 2019. Seither hat sich die Welt des Tourens radikal verändert. Wie ist es, wieder unterwegs zu sein?

Es ist schon richtig, seither ist eine Menge passiert. Nichts ist mehr so wie es war, habe ich manchmal den Eindruck. Natürlich freue ich mich unheimlich, wieder auf der Bühne zu stehen, aber ein wenig Unsicherheit bleibt nach all dem, was passiert ist, durchaus zurück. Zum Glück sind die Besucherzahlen soweit sehr in Ordnung. Das ist ja auch nicht mehr garantiert.

Auf der Tour spielst du neben Mechanics-Hits auch Genesis-Klassiker wie Jesus He Knows Me, Invisible Touch oder I Can’t Dance. Fühlt sich das auf der Bühne eigentlich unterschiedlich an?

Natürlich fühlen sich die Mechanics-Songs für uns als Band natürlicher an. Die Genesis-Stücke sind mir aber mindestens ebenso nah und teuer. Die beiden Welten klingen vielleicht ein wenig anders, aber ich spüre da keine großen Unterschiede.

„Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen.“

Wie ist das Touren mit Mike And The Mechanics im Vergleich zu Genesis?

Ich habe zwei Persönlichkeiten, wenn ich toure: Mit Genesis zu touren ist die wohl wundervollste Art und Weise, die Welt zu bereisen: Privatjet, Limousinen, die schönsten Hotels, das feinste Essen, reichlich Zeit zwischen den Auftritten. Bequemer und schöner geht es nicht. Bei den Mechanics geht es noch ein bisschen handfester zu: Kleinere Hallen, weniger Glamour. Beides macht Spaß, keine Frage, ist aber sehr unterschiedlich. Viele Menschen in meinem Alter beschweren sich über die langen Tourneen, aber zu denen sage ich dann nur: Dann hört doch einfach auf damit! Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen. Ich für meinen Teil liebe es. Ich liebe es, die Welt zu sehen, herumzureisen, all die verschiedenen Spezialitäten zu essen…


Jetzt in unserem Shop erhältlich:

Genesis - Diverse Alben
Genesis
Diverse Alben
LP, CD, Blu-ray

HIER BESTELLEN


Wenn du nicht tourst, so heißt es, teilst du deine Zeit auf England und Südafrika auf…

… das stimmt so nicht ganz. Ich lebe seit 43 Jahren in Loxwood im Süden Englands. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich habe zwar ein Haus in Kapstadt, in dem wir regelmäßig sind, aber ich würde Kapstadt nie als Zuhause bezeichnen. Eher als Möglichkeit, dem englischen Wetter zu entkommen, wenn ich es mal nicht mehr aushalte. Aber so oft passiert das nun auch nicht, ich bin schließlich Engländer. Ich war so viel unterwegs, da reicht es mir mittlerweile eigentlich, an einem Ort zu sein. Aber dann und wann ein wenig Urlaub kann ja auch nicht schaden.

Wie kam es zu diesem Haus in Kapstadt?

Meine Großmutter war aus den Niederlanden und hatte Kontakte nach Südafrika. Ich habe dort unten auch Verwandte, hatte sie aber nie besucht. Dann zeichneten wir mit den Mechanics eine Fernsehsendung in Kapstadt auf, das war irgendwann in den Achtzigern. Seither komme ich wieder und genieße es sehr: Keine Zeitverschiebung, das ganze Leben findet draußen statt, überall ist was los.

„Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte.“

Genesis gründeten sich vor 55 Jahren und spielten 2022 ihr letztes Konzert. Hättest du eine lebenslange Karriere wie diese damals überhaupt für möglich gehalten?

Ach was! Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte, noch dazu eine derart lange. Ich meine, die Beatles gab es gerade mal vier, fünf Jahre, als wir Genesis gründeten, und das war für die damalige Zeit schon eine Ewigkeit. (lacht) Wir dachten alle, das hört irgendwann einfach automatisch wieder auf. Hörte es aber nicht.

Gewisse Dinge hören aber eben doch auf: Genesis gibt es ganz offiziell nicht mehr. Wie war die letzte Show?

Nostalgisch natürlich. Zumindest ein wenig. Aber so ist das eben: Dinge enden. Und nach 53 Jahren kann man sich auch damit abfinden. Insbesondere als Band wie Genesis, die so viel getourt ist. Das Schönste war, als wir nach der Show mit Peter Gabriel und unserem alten Tourmanager Richard McPhail in der Garderobe waren. Die Show an sich war bizarr. Alles war okay, bis ich auf die Setlist blickte und sah, dass es nur noch vier Songs waren. Das schwarz auf weiß zu sehen, machte mich durchaus emotional.

Das Ende von Genesis ist aber eben nicht das Ende der Karriere von Mike Rutherford. Du bist 72 – was lässt dich weitermachen?

Der englische Arbeitsethos natürlich. Zudem habe ich einen Job, in dem man auch mal etwas kürzer treten kann, wenn man das denn will.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Mike Rutherford wird 70: 6 Fakten aus dem Leben der Genesis-Legende

Continue Reading

Popkultur

Zeitsprung: Am 31.5.1948 kommt John Bonham von Led Zeppelin zur Welt.

Published on

Header-Bild Credit: Dina Regine

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.5.1948.

von Christof Leim

Am 31. Mai würde John Bonham seinen Geburtstag feiern. Doch leider starb der legendäre und ungemein einflussreiche Schlagzeuger von Led Zeppelin 1980 mit nur 32 Jahren. Blicken wir zurück auf ein ziemlich lautes Werk voller Kraft, Finesse und Groove.

Hört hier in die besten Songs von Led Zeppelin rein:

 John „Bonzo“ Bonham gehört immer noch zu den ganz Großen: Dekaden nach seinem Tod steht der Drummer von Led Zeppelin regelmäßig an der Spitze diverser Ranglisten. So wählten die Leser des Rolling Stone den Briten gleich mehrfach zum „Besten Drummer aller Zeiten“. Als die Metal-Newsseite Blabbermouth 2008 fragte, welchen verstorbenen musikalischen Star die Fans gerne wieder zum Leben erwecken würden, nannten sie vor allem Bonham, noch vor Freddie Mercury und Elvis Presley. Bonham genießt weiterhin hohes Ansehen wegen seines besonderen Gespürs für den Groove eines Stückes, wegen seines eigenständigen Sounds, seiner Vielseitigkeit und nicht zuletzt wegen seiner Wucht und Geschwindigkeit, wenn es mal ordentlich zur Sache gehen musste.

Telegramm in die Kneipe

Das Gehämmer startet schon früh und ganz klassisch: Der am 31. Mai 1948 geborene John Henry Bonham setzt sich schon mit fünf Jahren vor Töpfe und Kaffeedosen, um seinen Vorbildern Gene Krupa und Buddy Rich nachzueifern. Als Zehnjähriger bekommt er von seiner Mutter eine Snare-Drum, mit 15 schenkt ihm sein Vater ein richtiges Drumkit. Unterricht nimmt John nie, doch er lernt von anderen Schlagzeugern aus seinem Heimatort Redditch in der Nähe von Birmingham. Mit 16 verlässt der Junge die Schule, der Schulleiter notiert: „Er wird entweder Müllmann oder Millionär.“ Von der Tischlerlehre bei seinem Vater hält er nichts, er schließt sich lieber seiner ersten semiprofessionellen Band an: Terry Webb & The Spiders. 1966 stößt er zu der Blues-Combo Crawling King Snakes. Ihr Sänger: Robert Plant. Die beiden starten die Band Of Joy, bis 1968 der erfolgreiche Sessiongitarrist Jimmy Page eine neue Gruppe gründet: Led Zeppelin. Er rekrutiert Plant, der wiederum schlägt seinen trommelnden Kumpel vor. Bonham lässt sich zunächst bitten, schließlich hat er auch Angebote von Joe Cocker und Chris Farlowe in der Tasche. Doch Page und Manager Peter Grant bleiben dran, sie schicken fast 50 Telegramme an Bonhams Stammkneipe. Es ist bezeichnend, dass man den Schlagzeuger anscheinend schon damals am ehesten dort antreffen konnte.

Damit sind Led Zeppelin geboren, eine der größten, wichtigsten, tollsten Bands in der Geschichte des Rock. Bassist John Paul Jones kommentiert später gegenüber dem Bonham-Biografen Chris Welch: „Schon als ich John Bonham das erste Mal spielen gehört habe, war mir klar, dass das großartig werden würde. Er wusste, was er tut, und er hatte einen verdammten Swing. Wir haben von Anfang an hervorragend zusammengepasst.“ 1969 erscheint das Debüt Led Zeppelin, der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. (Das Wichtigste zur Entstehung dieser ersten Platte könnt ihr hier nachlesen.).

Kunstvolles Geknüppel

Mit 21 Jahren gehört Bonzo zu einer der aufregendsten Bands der Welt.  An deren Erfolg trägt er einen großen Anteil, denn bei Led Zeppelin liefert das Schlagzeug nicht nur einen netten Beat aus dem Hintergrund, sondern treibt und formt die Songs. Das hört man natürlich insbesondere bei den lauten Stücken, und laut kann er: In seinen Anfängen fliegt Bonzo mehr als einmal aus Clubs raus, weil er schlicht zu viel Lärm macht. Er benutzt die längsten und dicksten Schlagzeugstöcke, die er selbst „Bäume“ nennt, und nicht selten wird er – neben Cozy Powell und Keith Moon – als Inspiration für das kultige Trommelmonster Animal aus der Muppet-Show genannt.

Led Zeppelin 1975 in Chicago. Credits: more19562003

Aber Bonham kann nicht nur „feste“: Seine Fähigkeit zur Dynamik, zum Wechsel zwischen lauten und leisen Passagen, zeichnet Stücke wie No Quarter und das majestätische Stairway To Heaven aus. Zudem musiziert er höchst agil: Bei den ersten Aufnahmen des Songs Communication Breakdown lässt Kapitän Jimmy Page seinen Drummer einmal ein Kit mit zwei Bass-Drums benutzen, doch vergisst diese Idee schnell wieder, weil der Trommler einfach zu viel spielt. Auch Improvisation liegt Bonzo im Blut: Sein Drumsolo Pat’s Delight, aus dem später Moby Dick wird, dauert nicht selten über 20 Minuten.

Man hat es oder auch nicht

Dabei benutzt er sogar seine bloßen Hände, um andere Sounds zu ermöglichen. In späteren Werken wie Royal Orleans und Fool In The Rain lässt er sogar Latin- und Funk-Einflüsse hören. Bonham spielt nicht nur “Bumm-Tschak”, sondern variantenreich und melodisch (ja, das gibt es auch am Schlagzeug). Vor allem aber hat der Mann einen Groove am Leib, dass es nur so eine Art hat. Gemeint ist diese seltene und schwer zu fassende Qualität, einen Rhythmus besonders mitreißend klingen zu lassen. Wir empfehlen als Referenzen an dieser Stelle insbesondere den mächtigen Wumms von When The Levee Breaks, die Schubkraft von Rock’n’Roll sowie die Kopfnickerqualitäten und Experimentierfreudigkeit von Bonzo’s Montreux.

Natürlich zieht großer Erfolg einen gewissen Lebenswandel nach sich: Nicht nur verdienen Led Zeppelin eine gewaltige Menge an Geld und reisen mit einem hochgepimpten Luxusflugzeug durch die Gegend. Sämtliche Versuchungen und Erfrischungen stehen und liegen für die vier Musiker bereit. Bonhams Laster? Er trinkt gerne und viel. Als die vier Mitglieder sich für das Album Led Zeppelin IV (1971) jeweils ein Symbol ausdenken, wählt Bonzo ein Muster aus drei sich überschneidenden Kreisen. Das sieht mystisch aus und verspricht eine versteckte Bedeutung, doch laut Rolling Stone erinnert es vor allem aus wie das Logo einer Biermarke, die unserem Helden schmeckt.

Harley im Hotel

An seinem 25. Geburtstag befindet sich die Band gerade auf Tour in den USA, im Gepäck das brandneue Album Houses Of The Holy. Seine Bandkollegen schenken ihrem Drummer zur Feier des Tages eine brandneue Harley-Davidson. Wie man es halt so macht unter Kumpels auf dem Rockolymp. Bev Bevan, Schlagzeuger bei The Move und ELO, erzählt: „Damit ist er später ein paar Hotelflure rauf und runter gefahren und hat anscheinend eine ziemliche Verwüstung hinterlassen. Aber er ist am nächsten Tag für alle Schäden aufgekommen und hat sogar das Motorrad dagelassen. Unglaublich, aber so war er.“ Daneben liebt John Bonham historische Sportwagen, die er auf seiner Farm namens The Old Hyde in England sammelt. Dort lebt er mit seiner Frau Pat und den Kindern Zoë und Jason.

Doch die Tragödie naht schon: Am 24. September 1980 sammelt ein Assistent der Band, den Schlagzeuger ein, um ihn zu einer Probe für die anstehende Nordamerika-Tour zu bringen. Noch während der Fahrt gelüstet es Bonham nach einer Stärkung zum Frühstück: Bei einem Stopp kippt er vier Screwdriver, also Wodka-Orange, und zwar jeweils in vierfacher Stärke, „doppelte Doppelte“, wenn man so will. Während der Probe trinkt er weiter, weswegen sie manchen Quellen zu Folge auch abgebrochen wird. Die ganze Mannschaft zieht sich in das Haus von Jimmy Page zurück. Dort schläft Bonham nach Mitternacht ein und wird in ein Gästebett gelegt. Als am darauffolgenden Nachmittag Tourmanager Benji LeFevre und Bassist John Paul Jones nach ihm schauen, reagiert er nicht mehr. John Bonham ist tot. Er wurde nur 32 Jahre alt.

Zu viel ist zu viel

Eine Untersuchung ergibt, dass der Drummer innerhalb von 24 Stunden etwa 40 „shots“ Wodka in sich hinein gekippt hat, was etwa 1 bis 1,4 Liter entspricht. Das kann nicht gut gehen: Bonham muss sich während der Nacht erbrechen und erstickt daran. Weitere Drogen werden in seiner Blutbahn nicht nachgewiesen, auch kein Heroin, von dem er erst kurze Zeit vorher losgesagt hatte. Allerdings nahm er das Psychopharmakum Motival, um Anspannung und Angstzustände zu bekämpfen. Ob dieses Mittel mit dem Alkohol interagierte, ist unklar. John Bonham wird eingeäschert und am 12. Oktober 1980 bestattet. Seine Tochter Zoë ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, später wird sie erfolgreiche Sängerin. Sein Sohn Jason war damals 14, er lernt ebenfalls das Schlagzeugspielen und trommelt in der Folge unter anderem bei UFO, Foreigner, Black Country Communion und seiner eigenen Band Bonham. Er trommelt auch beim letzten Reunionkonzert der überlebenden Led Zeppelin-Mitglieder 2007 in London.

Der Schock sitzt tief. Zu wichtig ist Bonzos Einfluss für die Band, als dass sie ihn ersetzen könnte. Am 4. Dezember veröffentlichen Led Zeppelin eine Erklärung: „Wir möchten bekannt geben, dass der Verlust unseres geliebten Freundes und der tiefe Respekt gegenüber seiner Familie in Verbindung mit dem Gefühl von unteilbarer Harmonie uns zu der Entscheidung gebracht haben, nicht weiter zu machen.“

Doch Bonzos Vermächtnis lebt in Tausenden Rocksongs weiter. Dave Grohl von den Foo Fighters formuliert es so: „John Bonham spielte Schlagzeug, als wüsste er nicht, was als nächstes passiert. Als würde er am Rand einer Klippe herumtaumeln. Niemand konnte ihm seitdem das Wasser reichen, und ich glaube, das wird auch nicht passieren. Er wird für immer der beste Drummer aller Zeiten bleiben.“

John Bonhams Grab. Credits: Ebbskihare

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zeitsprung: Am 25.10.1968 heißen Led Zeppelin zum ersten Mal Led Zeppelin.

Continue Reading

Popkultur

Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt

Published on

Marie Fredrikssons HEADER
Foto: Steve Jennings/Getty Images

„"Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:

Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“

Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.

Marie Fredrikssons musikalische Anfänge

Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.

Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.

Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette

Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.

Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.

Marie Fredrikssons viel zu früher Tod

Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.

Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.

Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Das sind die 10 ultimativen Roxette-Songs

Continue Reading

Latest Music News

Top Stories

Don't Miss