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Popkultur

Zeitsprung: Am 9.2.1974 spielen Iggy & The Stooges vor einem äußerst feindseligen Publikum.

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Foto: Richard McCaffrey/Michael Ochs Archive/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.2.1974.

von Timon Menge und Christof Leim

Wo Iggy & The Stooges in ihren frühen Jahren auftreten, hinterlassen sie in der Regel Chaos und Zerstörung. Vor allem Frontmann Iggy Pop schreckt selten davor zurück, das Publikum nach allen Regeln der Kunst zu provozieren. Am 9. Februar 1974 verschafft ihm das (mal wieder) eine Menge Ärger. Das kann man auf dem Livealbum Metallic K.O. sogar hören…

Hier könnt ihr euch Metallic K.O. anhören: 

Hackfleisch, Erdnussbutter, Schnittverletzungen und vorgezeigte Genitalien: Was klingt, wie ein echt abgefahrener Pornofilm, gehört von 1967 bis 1974 zu Iggy Pops Bühnenshow. Mit Nummer eins und zwei reibt er sich ein, Nummer drei fügt er sich zu, und mit Nummer vier überrascht er das Publikum. Doch er treibt noch mehr Unfug: Anfang 1974 legt er sich mit einer finsteren Truppe an. 

„Ihr könnt mich am Arsch lecken.“

Die Geschichte beginnt bereits am 4. Februar. An jenem Abend haben Iggy & The Stooges unter anderem ihr Album Raw Power (1973) im Gepäck und spielen vor einer Motorradgang in Wayne, Michigan. Der US-amerikanische Musikjournalist Lester Bangs wohnt der Veranstaltung bei und berichtet: „Das Publikum war ungewohnt feindselig, und wie es nun einmal Iggys Art ist, hat er diese Feindseligkeit gefüttert, aufgesaugt, zurückgegeben und wieder absorbiert, wie in einer unheimlichen, angsteinflößenden Art von Symbiose.“

„Okay“, soll Pop gerufen haben, nachdem er einen Song in der Mitte gestoppt hatte. „Ihr Arschlöcher wollt Louie, Louie hören? Dann geben wir euch Louie, Louie.“ Anschließend habe die Gruppe eine 45-minütige Version des Kingsmen-Klassikers zum Besten gegeben. Dazu singt Pop nicht etwa den Originaltext, sondern lyrische Eigenkreationen wie: „Ihr könnt mich am Arsch lecken, ihr Biker-Schwuchtel-Sissies“. 

Es kommt, wie es kommen muss

Anschließend kocht die Stimmung über. Iggy wendet sich an einen der Biker, der besonders lautstark auffällt, und warnt ihn: „Hör zu, du Arschloch, wenn du mir noch einmal dazwischenrufst, komme ich da runter und trete dir in den Arsch!“ Der wahrscheinlich nicht gerade schmächtige Motorradfahrer antwortet: „Fick dich, du kleiner Punk!“ Pop steht zu seinem Wort, springt ins Publikum — und kassiert eine kräftige Tracht Prügel.

Entsteht zur Hälfte unter äußerst widrigen Umständen: das halb-offizielle Stooges-Live-Album Metallic K.O.

Doch damit nicht genug: Am nächsten Tag meldet sich der Motorradclub, der sich „The Scorpions“ nennt, beim Radiosender WABX-FM und verspricht, Iggy & The Stooges zu töten, falls die Band ihr geplantes Detroit-Konzert am 9. Februar durchziehe. Für Pop und seine Kollegen gleicht das vermutlich einer schriftlichen Einladung, die Show erst recht nicht abzusagen.

„Niemand ist umgekommen.“

Dass Pop damals nicht getötet wird, wissen wir. Doch das zur Hälfte am 9. Februar mitgeschnittene Live-Album Metallic K.O. gibt Aufschluss darüber, dass er und die Stooges wohl alles andere als einen leichten Abend haben. „Sie haben das Konzert gespielt, und niemand ist umgekommen“, gibt Lester Bangs zu Protokoll. „Aber Metallic K.O. ist das einzige Rockalbum, das ich kenne, auf dem man hört, wie geworfene Bierflaschen an den Gitarren der Musiker zerschellen.“ Autsch. Louie, Louie spielt die Band trotzdem noch einmal, wenn auch mit minimal entschärftem Text. (Der Vollständigkeit halber: Die A-Seite der Originalplatte stammt zwar aus derselben Konzerthalle in Detroit, wurde aber bereits am 6. Oktober 1973 mitgeschnitten. Die zweite Seite enthält Aufnahmen von jenem 9. Februar 1974. Die komplette Show erscheint unter dem Titel Metallic 2X K.O., allerdings erst 1988.)

Noch im selben Monat lösen sich Iggy & The Stooges auf, weil die Nachfrage nach der Band sinkt. Das liegt auch an Frontmann Pop, seiner starken Heroinsucht und seinem unberechenbaren Verhalten auf und abseits der Bühne. Damit handelt es sich bei der Show in Detroit am 9. Februar 1974 um das vorerst letzte Konzert der Stooges. Erst Jahrzehnte später kommt es zu einer länger anhaltenden Reunion. Doch das ist eine andere Geschichte.

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