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Popkultur

Interview mit Billy F Gibbons: „Mir schwebte ein Manifest für die Wüste vor“

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Billy F Gibbons
Foto: Roger Kisby

ZZ-Top-Zausel Billy F Gibbons wirft den Motor wieder an und bläst uns mit Hardware ein lupenreines, knochentrockenes Blues-Rock-Album um die Ohren, so heiß und staubig wie der Wüstensand. Im Zoom-Interview spricht der 71-Jährige über die Magie der Wüste, Wildschweine und seine geliebte Gibson Les Paul.

von Björn Springorum

Die Wüste bebt: ZZ-Top-Fronter Billy F Gibbons hat sich mit Matt Sorum (ex-Guns N’Roses) und Austin Hanks wochenlang der Einsamkeit der Wüste anvertraut. Zwischen Kojoten, Wildschweinen, Klapperschlangen und viel Mezcal entstand Hardware, die dritte Soloplatte des legendären Gitarrero aus Texas. Dieser Texas-Gandalf tut auch nach über 50 Karrierejahren munter so, als würde es so etwas wie Alterungserscheinungen nicht geben und spielt seinen Blues Rock so vielseitig wie lange nicht.

„Keep it simple – das ist mein Mantra.“

Billy, man kann ja durchaus behaupten, dein Lebensweg war vorgezeichnet: Du hast schon als Kind Elvis live gesehen, warst bei BB King im Studio und hast mit den Moving Sidewalks die erste US-Tournee von Jimi Hendrix eröffnet. Seit über fünf Jahrzehnten bist du selbst ein veritabler Gitarrenheld. Was meinst du: Gibt es da einen Wesenszug unter Rockstars, den du bei allen ausmachen kannst?

Ich denke ja. Jede*r Künstler*in hat mit einer großen Aufgabe zu kämpfen: Es einfach zu halten. Und je raffinierter man ist, desto mehr kann man sich in einem fest abgesteckten Rahmen ausleben. Es ist also alles eine Frage der Energie. Wer das große Ganze aber aus den Augen verliert, wer sich in Komplexität ergeht, ohne die Dinge einfach zu halten, dem geht das Besondere ab. Keep it simple – das ist mein Mantra.

Das lässt sich auch auf Hardware nachhören. Ich nehme an, du hast das Album wieder mit deiner geliebten 1959er Gibson Les Paul eingespielt – jener legendären Gitarre namens Pearly Gates, die du einem alten texanischen Rancher abgekauft hast?

Klar, Mann! Ich kann mich an keine einzige Aufnahme ohne Pearly Gates erinnern. Sie hat einen unverkennbaren Klang, ohne sie würde ich mich im Studio reichlich verloren fühlen. Natürlich war sie nicht die einzige, ich habe auch ein paar Fender gespielt, ein paar von Gretsch – alles mit dem Ziel, unsere Palette in die eine oder andere neue Richtung zu erweitern. Mit Hardware wollten wir uns bewusst einige Felder erschließen, die wir zuvor noch nie beackert hatten. Im Zuge dieser Aufnahmen spürte ich dann plötzlich wieder das dringende Bedürfnis, endlich diese nächste ZZ-Top-Platte aufzunehmen. Ich hoffe, sie wird schon bald nach Hardware erscheinen.

Eine Prise Jeff Beck, eine Prise Johnny Depp…“

Wenn du es schon ansprichst: Was kannst du uns über den Nachfolger von La Futura erzählen? 2020 hörten wir zumindest mal, Jeff Beck würde auf dem Album auftauchen…

Das wird er auch. Ich habe erst gestern mit ihm telefoniert! Wir plauderten ein wenig und freuten uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit, das Übliche eben. Irgendwann im Gespräch reichte er den Hörer mit den Worten weiter, dass hier jemand sei, der mich sprechen möchte. Wie es sich herausstellte, war es Johnny Depp. Er sagte, dass er extrem gern auf dem nächsten ZZ-Top-Album spielen oder singen oder sonst was würde. Eine Prise Jeff Beck, eine Prise Johnny Depp, das ist doch nicht übel, oder?


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Zurück zu Hardware. Ihr habt das Album im Joshua Tree Nationalpark mitten in der Wüste Kaliforniens aufgenommen. Welches Erlebnis kommt dir da als erstes in den Sinn?

In der Wüste ist nicht gerade viel los, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. (lacht) Es gibt eine Menge Sand, Felsen, dazwischen mal eine Klapperschlange oder ein einsamer Kojote. Doch als wir eines Abends mal in der Wüste unterwegs waren, trafen wir auf eine Wildschweinrotte. Mitten in der Wüste! Ich war vollkommen von den Socken, und auch die Einheimischen sagten, dass man das nicht oft erlebt. Diese Rotte sei zudem eine besonders aggressive und man riet uns deswegen, das Studio nicht zu verlassen. Als ob! (lacht) Am nächsten Abend war ich wieder draußen unterwegs.

„Die Wüste verändert dich und du kannst nichts dagegen tun.“

Du bist in Texas geboren und hast das Wüstenklima praktisch mit der Muttermilch aufgenommen. Beschreibe doch mal, was in der Wüste mit dir vorgeht…

Es gibt eine Energie in der Wüste, die man nicht erklären kann. Sie ist ein so seltsamer Ort, der etwas mit dir anstellt. Die Wüste verändert dich und du kannst nichts dagegen tun. Du kannst natürlich Bücher über die Wüste lesen oder dir Fotos ansehen, ehe du sie betrittst, aber das kommt der Realität nicht mal ansatzweise nah. Diesen mystischen Ort zu betreten, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn du von nichts umgeben bist, kannst du leicht etwas Neues beginnen. Für Hardware war das die perfekte Ausgangssituation: Jeder neue Tag begann mit einem leeren Blatt Papier und einem Stift. Die Wüste versorgte uns mit Energie und Inspiration und machte jeden Aufnahmetag zu etwas Magischem.

Wie sind die Songs entstanden?

Meistens kam ich morgens ins Studio und sagte zu Matt und Austin: Ich hab nichts vorbereitet, gebt mir einen Beat. Matt fing an, Austin stieg ein und dann spielte ich was dazu. Niemand wusste, was passiert, und das war ein sehr schönes Gefühl. All diese Wendungen und Umwege haben uns allen sehr gut getan.

Insbesondere das berauschte letzte Spoken-Word-Stück Desert High erzählt davon. Es könnte auch auf dem Soundtrack zu Fear And Loathing In Las Vegas stehen…

Mir schwebte eine Art Wüstenmanifest vor, eine Ode an diesen unglaublichen Ort. Ich wollte in Worte fassen, was in mir vorging, auch wenn das fast unmöglich ist. Doch irgendwann kamen wir in die richtige Stimmung, ich sage jetzt nicht, wie, und ich konnte tatsächlich ausdrücken, was in mir vorgeht. Gesprochen entwickelt es eine ganz eigene, rituelle Geisterstadtstimmung, mit der ich sehr zufrieden bin. Und es wurde in einem einzigen Take aufgenommen.

„…und obwohl wir viele Meilen vom Ozean entfernt waren, ertönte mitten in der Wüste auf einmal der Sound der Surf-Gitarre.“

Wie seid ihr letztlich eigentlich im Joshua-Tree-Nationalpark gelandet?

Matt Sorum rief mich eines Tages an. Er erzählte mir, dass er gerade mit unserem Gitarristen Austin Hanks auf dem Weg ist, um mich abzuholen und ein mögliches Studio für Hardware in Joshua Tree anzuschauen.

Sicher das berühmte Rancho de la Luna Studio, in dem schon Queens Of The Stone Age, Mark Lanegan oder P.J. Harvey aufgenommen haben, oder?

Eben nicht, das erstaunte mich auch! Dieses Studio war einfach nur die Straße runter. Klar, ich kam gern mit, um mir das anzuschauen, schließlich gibt es einen echt guten Mezcal dort draußen. (lacht)  Sie luden mich also ein und fuhren mit mir an diesen unglaublichen Ort mitten in der Wüste – die Escape Studios, ein surrealer, überwältigender Ort mitten im Nirgendwo. Eigentlich wollten wir uns dort ja nur mal eine halbe Stunde umschauen, doch daraus wurden drei Monate. Wir blieben einfach dort, so gut gefiel es uns.

Und die Instrumente?

Klar, natürlich hatten wir nichts dabei. Aber das war mir egal: Das Studio hatte ein paar Instrumente in der Ecke herumstehen und wir benutzten sie, bis unser Zeug eintraf. Das war ein kurioser Glücksfall, denn die Gitarre im Studio war eine sehr alte Fender Jazzmaster, angeschlossen an einen genauso alten Fender-Verstärker, den sie schon seit den Sechzigern nicht mehr bauen. Ich hängte mir die Gitarre um, ließ den Verstärker warmlaufen – und obwohl wir viele Meilen vom Ozean entfernt waren, ertönte mitten in der Wüste auf einmal der Sound der Surf-Gitarre. Also schrieben wir einfach mal West Coast Junkie und nahmen in mit diesem Equipment auf, ehe unser Zeug ankam. Der Rest ist dann ein Stück Wüstenmythos.

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Video: Real Talk mit Billy F Gibbons

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