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Popkultur

Zeitsprung: Am 21.11.1989 veröffentlichen Rush „Presto“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 21.11.1989

von Thorsten Seiffert und Christof Leim

Rush hatten schon immer einen Riecher für musikalische Strömungen. Spätestens mit der Keyboard-Schwemme auf dem 1982er-Album Signals drang der Zeitgeist aus allen Poren. Sieben Jahre später, am 21. November 1989, leiten die Kanadier eine weitere Epoche ihrer Geschichte ein und erklären den Sound des Jahrzehnts mit Presto für beendet. Allerdings merkt das anfangs kaum jemand…

Hier könnt ihr euch Presto anhören:

Dass Presto – zumindest teilweise – einen Befreiungsschlag vom Synthie-Sound der Achtzigerplatten darstellt, wird erst im Nachhinein so richtig klar. Zu kommerziell, zu viel Mainstream –  so lautet das anfängliche Urteil über das 13. Studiowerk der Kanadier. Die Vita des neuen Produzenten Rupert Hine, die Künstler wie Chris de Burgh und Tina Turner aufzählt, macht es nicht einfacher. Das im besten Fall seltsame Albumcover bietet ebenfalls keine große Hilfe bei der Einordnung. Dafür musste Grafikmagier Hugh Syme folgende Idee umsetzen: ein Zylinder mit einem Kaninchen schwebt über einem Hügel, davor tummeln sich weitere Langohren… Die Band schüttet sich aus vor Lachen, als das finale Design steht. Damit ist das Artwork abgenickt.

Die Frisuren sind, wie man so schön sagt, „der Ära angemessen“: Rush 1989 – Pic: Andrew MacNaughtan/Promo

Geddy Lee (Bass, Gesang), Alex Lifeson (Gitarre) und Neil Peart (Schlagzeug) wissen damals bereits, dass die „Elektrophase“ ihr Ende finden muss. „Ich wollte nicht mehr so viele Keyboards benutzen und nicht mehr auf dem Computer komponieren“, erklärt Lee damals der Zeitschrift Guitar World, weil ihm die auf diese Art entstandenen Songs zu „passiv“ erscheinen. „Deshalb wollte ich dieses Mal etwas Direkteres und Härteres machen.“ Also schließen die drei Musiker den Pakt, die Finger von Füllstoff wie Streichern und Pianos und vor allem von digitaler Technologie zu lassen. Daran halten sie sich, zumindest fast. „Am Ende konnten wir nicht widerstehen, doch ein paar Sachen zum Kolorieren zu verwenden“, gesteht der Ausnahmebassist.

Schnell fertig passiert sonst nie

Die Produktion läuft wie geschmiert. Von Juni bis August 1989 nehmen Rush in London auf, wie mit dem englischen Produzenten Rupert Hines vereinbart, der den Songs einen luftigen, fast zahmen Sound verleiht. Die Band zeigt sich in so guter Form, dass Presto sogar einen Monat früher als geplant eingetütet werden kann. Für die kanadischen Perfektionisten darf man das durchaus als Sensation betrachten. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass Lyriker (und Trommler) Neil Peart sein thematisches Korsett aufbricht und beschließt, keine textlich zusammenhängenden Geschichten zu erzählen.

Und wie klingt Presto nun? Am ehesten wie eine Synthese aus eben jener Synthie-Ära der frühen Achtziger und der gitarrenlastigen Arbeit sowohl der Anfangstage als auch der späten Neunziger und frühen Nuller Jahre. Hört man tief in die Platte hinein, begegnen einem fettere Gitarren als in den vergangenen Jahren, mit mitreißenden Soli (Hand Over Fist), Riffmonster und Hymnen (Show Don’t Tell) sowie lyrische Meisterwerke wie etwa The Pass, in dem Neil Peart die Isolation Jugendlicher und die fehlgeleitete tragische Romantik des Jugendselbstmords zur Sprache bringt.

Die alten Fans freuen sich

Rush wissen um die Bedeutung des Werkes: “Wir haben wahrscheinlich einige unserer alten Fans mit den letzten Veröffentlichungen verloren”, bekennt Alex Lifeson gegenüber dem Music Express und vermutet, dass mit dem neuen Scheibchen einige Anhänger zurückkommen werden. Und so geschieht es schließlich auch. Rush produzieren für Show Don’t Tell, The Pass und Superconductor Musikvideos und finden sich bald auf Platz 16 der US-Charts wieder.

Die laue Produktion mag vielen Fans in den folgenden Jahren immer wieder aufstoßen (auch trotz einer Remaster-Neuauflage), viele der Songs können sich nicht mit den Klassikern des Kanada-Dreiers messen, aber ein schlechtes Album darf man Presto nicht nennen. Vor allem hätte es ohne diese Veröffentlichung die rauere Gangart auf Weltklasseplatten wie Roll The Bones und vor allem Counterparts nicht gegeben…

Zeitsprung: Am 14.1.1980 veröffentlichen Rush „Permanent Waves“.

 

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