Popkultur
Review: Dolly Parton wird „Rockstar“ auf dem zweiten Bildungsweg
30 Songs, 141 Minuten, dazu die beste Gästeliste aller Zeiten: Dolly Parton erfüllt sich mit ihrem 49. Album Rockstar den Traum von der ersten Rock-Platte. Das kann das Mammutwerk.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr Rockstar hören:
Das gab’s noch nie: Eine verzerrte E-Gitarre in den ersten Momenten eines Dolly-Parton-Albums! Im Opener Rockstar kommt danach erst mal ein kleines Hörspiel, in dem die junge Dolly ihren Eltern klarmacht, dass sie Rockstar werden will. Kam dann zwar erst mal alles anders und Dolly wurde stattdessen einfach Country-Göttin und generell bester Mensch der Welt. Jetzt, mit 77, erfüllt sich Dolly Parton dann aber doch noch den Wunsch einer Rock-Platte. Rockstar auf zweitem Bildungsweg, sozusagen.
3000 Songs, elf Grammys und ein Vergnügungspark
Rockstar ist ein Phänomen. In vielerlei Hinsicht. Erstens ist da natürlich die Tatsache, dass es wohl nicht cooler geht, mit bald 80 Jahren und nach einer Karriere, die 3000 Songs, elf Grammys und einen Vergnügungspark hervorgebracht hat, die Lederjacke rauszuholen und auf einmal Rock-Songs zu schmettern. Und zweitens ist da die spektakuläre Gästeliste des Albums. Dolly ruft – und alle kommen. Rockstar ist ein Stelldichein mit der halben Rock And Roll Hall Of Fame, ein Zeugnis ihrer Beliebtheit in der gesamten Musikwelt.
Da darf es dann auch gern etwas mehr sein: Ihre 49. Platte (!) kommt auch 30 Songs und 141 Minuten daher. Natürlich ist das viel zu viel, unnötig und vor allem höchst unwirtschaftlich. Aber Dolly wollte eben eine Rock-Platte schreiben, wenn sie schon in der Hall Of Fame ist. Wer wären also wir, das zu kritisieren? Nach dem straight rockenden Opener (mit Richie Sambora an der Gitarre) folgt mit World On Fire eine Halbballade mit genau der richtigen Menge an Pathos, in die wir uns in den Achtzigern verliebt haben.
Sting als Backgroundsänger
Ihre Fassung von Every Breath You Take ist – wie die meisten anderen der zahlreichen Cover – sehr nah am Original. Aber darum geht es Dolly gerade ja: Sie weiß, dass sie das Rad nicht neu erfindet damit. Sie möchte einfach einige der größten Songs der Rockgeschichte mal selbst singen. Mit vielen Freund*innen und Weggefährt*innen. Die haben alle so viel Ehrfurcht und Respekt für Dolly, dass sie völlig zufrieden damit sind, nur im Hintergrund zu singen. Sting verkommt hier beispielsweise zum Backgroundsänger. Muss man auch erst mal schaffen.
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Open Arms von Journey singt sie mit Steve Perry, Magic Man von Heart mit Ann Wilson, What Has Rock And Roll Ever Done For You mit Stevie Nicks. Und genau darum geht es auch Rockstar: Die Platte ist eher ein Abend in einer Karaoke-Bar mit einigen der größten Stimmen aller Zeiten als ein wirklich originelles Werk. Und genau dieser Ansatz ist von so einer bewundernswerten Leichtigkeit, dass man nur applaudieren kann.
Let It Be in grandioser Besetzung
Highlights gibt es dennoch mehr als genug: Wrecking Ball klingt zurückhaltend, eher wie eine Broadway-Piano-Fassung des großen Miley-Cyrus-Hits. Ehrensache, dass auch sie hier mitsingt. Immerhin ist Dolly ihre Patentante. (I Can’t Get No) Satisfaction kommt ohne Mick Jagger, stattdessen einfach mit P!nk und Brandi Carlile. Jagger vermisst man da nicht mal. Und Don’t Let The Sun Go Down On Me ist als Duett zwischen Dolly Parton und Elton John einfach Freude pur.
Das kann man alles als kitschig, unnötig und uninspiriert abtun. Aber dann hat man etwas Grundlegendes nicht verstanden: Dolly darf das. Und Dolly macht das großartig. Als vorletzter Song kommt dann noch Let It Be mit Paul McCartney und Ringo Starr. Ach ja, Mick Fleetwood und Peter Frampton sind auch noch dabei. Mal ehrlich, allein für so eine Besetzung muss man Dolly lieben. Und das tun wir. Aus vollem Herzen.
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