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Popkultur

Review: Scorpions zelebrieren auf „Rock Believer“ ihren Achtziger-Sound

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Scorpions
Foto: Marc Theis

Mit ihrem 19. Album Rock Believer legen die Scorpions sieben Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung eine Platte vor, auf die sich wohl viele Rock-Fans einigen können. Wir haben das neue Stück Metall aus Hannover für euch unter die Lupe genommen.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Rock Believer von den Scorpions anhören:

Durchbruch in den USA, 110 Millionen verkaufte Platten, über 200 Mal Gold und Platin: Beweisen müssen die Scorpions niemandem mehr etwas. Deshalb tun die Hannoveraner auf ihrem 19. Studioalbum das, womit sie ihren langjährigen Fans womöglich die größte Freude bereiten: Sie zelebrieren ihren Sound zu Beginn der Achtziger, verpacken das Ganze in ein modernes Gewand und liefern mit Rock Believer satte 15 Songs für die nächste Rock-Gartenparty. Eigentlich hat die Platte nur ein einziges Problem: Eine Zehn von Zehn verbirgt sich darauf nicht. Doch beginnen wir vorne.

Achtziger-Hardrock aus Meisterhand

Wer die Plattennadel auflegt, den Start-Knopf drückt oder „Play“ anklickt, hört zuerst das Stück Gas In The Tank. Im Grunde sagen die Scorpions bereits in den ersten Sekunden an, was sie auf Rock Believer vorhaben: „Let’s play it louder and play it hard / laid-back and a little dark“. Mit diesen Zeilen fassen Sänger Klaus Meine und Co. zusammen, was den Rock der Achtziger ausmacht — und was Achtziger-Rock betrifft, sind die Scorpions schließlich Profis. Das macht sich auch bei den Nummern danach bemerkbar, ob Roots In My Boots oder Knock ‘Em Dead. Doch das erste Highlight markiert der Titeltrack.

Eine Stadionhymne für die Zukunft?

In den letzten Jahrzehnten haben die Scorpions mehrfach gezeigt, dass sie das gesamte Arsenal der Rockmusik beherrschen, ob straighte Tanznummern, epische Balladen oder Stadionhymnen. Im Stück Rock Believer bringt die Band all diese Tugenden unter einen Hut und lässt vor dem geistigen Auge der Zuhörerschaft eine mitsingende Menschenmeute von mindestens 50.000 Zuschauer*innen entstehen. Man kann die Headbanging-Matte des Hintermannes förmlich spüren und reckt sogar im heimischen Wohnzimmer begeistert die Pommesgabel in die Luft. Eine starke Nummer — die aber nicht mit unsterblichen Songs wie Rock You Like A Hurricane oder Big City Nights mithalten kann.

Abwechslungsreich, klassisch, versiert

Anschließend unternehmen die Hannoveraner einen Misch-Ausflug nach Jamaika und in den nahen Osten: So besticht Shining Of Your Soul einerseits durch Reggae-artige Offbeats, andererseits durch orientalisch anmutende Melodien. Nicht schlecht. Seventh Sun klingt, als hätten Van Halen 1978 noch einen Song übrig gehabt, Hot And Cold wirkt zeitweise fast ein wenig grungig. Mit When I Lay My Bones To Rest hauen uns die Scorpions einen echten Rock-Klopper um die Ohren, den man sich auch gut mit Lemmys zartem Stimmchen hätte vorstellen können. Da dürfte sich Schlagzeuger Mikkey Dee zuhause gefühlt haben.

Die obligatorische Ballade bleibt hinter den Erwartungen zurück

Der Mitsing-Rocker Peacemaker besticht zwar nicht durch herausragende Strophen, dafür durch einen umso eingängigeren Refrain. Peeeacemaker, Peeeacemaker! Mit Call Of The Wild schalten die Scorpions anschließend in den dritten Gang: Midtempo ist angesagt. Dieses Stück könnt ihr ruhigen Gewissens überspringen. Das gilt auch für die Ballade When You Know (Where You Come From), die zwar entfernt an große Erfolge wie Wind Of Change erinnert, insgesamt aber eher eine „leichte Brise der Gewohnheit“ ist. Shoot For Your Heart rockt noch einmal etwas härter und eingängiger; When Tomorrow Comes klingt vor allem stressig und all over the place.

Auch in der Akustikversion zündet die Ballade nicht

Unleash The Beast beginnt gewaltig, geht aber leider nicht besonders gewaltig weiter. Danach orientieren sich die Scorpions in Richtung Südstaaten: Crossing Borders beginnt wie ein neuerer Lynyrd-Skynyrd-Song und entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einer potenziellen Stadionhymne. Ob das Stück wirklich so einprägsam ist, wie es nach dem ersten Hördurchgang wirkt, wird die Zeit zeigen. Zum Abschluss gibt es noch eine akustische Zugabe: noch einmal die Ballade When You Know (Where You Come From), diesmal ohne Strom. Auf diese Weise wirkt der Song zwar gefühlvoller, doch so richtig zünden mag die Nummer immer noch nicht.

Ein grundsolides Album für das heimische Plattenregal

Die Scorpions können es noch, daran besteht kein Zweifel. Die Stücke auf Rock Believer bewegen sich fast durchschnittlich im soliden Mittelfeld, oft noch weiter oben. Der ganz große Höhenflug bleibt allerdings aus. Dass eine alteingesessene Band mit ihrem 19. Album keine überlebensgroßen Feuerwerke mehr abfackelt, liegt in der Natur der Sache, aber das muss ja auch gar nicht sein: In Zeiten, in denen die Rockmusik gesamtgesellschaftlich (leider) an Bedeutung verliert, braucht es einen wohlig wärmenden Kamin, um den sich Rockfans weltweit versammeln können. Die Scorpions liefern mit ihrer neuen Platte genau das und lassen die Welt gleichzeitig wissen: Wir glauben noch an den Rock. Und welche deutsche Band sollte das besser beurteilen können?

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