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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.12.1969 schließt der Star-Club in Hamburg

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Foto: K & K Ulf Kruger OHG/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.12.1969.

von Timon Menge und Christof Leim

Wann immer es um die Geschichte der Beatles und der Beatmusik im Allgemeinen geht, fällt ein Name: Star-Club. Doch auch andere Größen der Rockmusik geben sich in dem Hamburger Konzertschuppen die Klinke in die Hand, zum Beispiel Bill Haley, Cream, Jerry Lee Lewis und Jimi Hendrix. Am 31. Dezember 1969 schließt der legendäre Laden seine Pforten.

Hier könnt ihr euch Live At The Star-Club Hamburg von Jerry Lee Lewis anhören:

Die Grundstein für den Siegeszug der Beatmusik wird zu Beginn der Sechziger in London und Liverpool gelegt. Dort finden sich zu jener Zeit zahlreiche Schülerbands, die schnell ihre Proberäume verlassen und erste Auftritte in Kneipen und Clubs spielen. Das geschieht zu Beginn herrlich unprätentiös: Statt sich in aufwändige Kostüme zu werfen, treten die Künstlerinnen und Künstler in ihrer Straßen- oder Arbeitskleidung auf. Bei der Jugend zündet die neue Musik, innerhalb kürzester Zeit schwappt die Beat-Begeisterung über den Ärmelkanal und begeistert die Zuhörerschaft auch außerhalb Englands.

„Die Not hat ein Ende!“

Als der Beat Deutschland erreicht, führt sein erster Weg in die Hansestadt Hamburg, wo Läden wie das Top Ten, der Kaiserkeller und das Indra ihre Pforten öffnen. „Da war schon eine Menge los“, erinnert sich Szenelegende Achim Reichel in der neuen Dokumentation Star-Club – Das Ende. Doch wenig später bereichert noch ein weiterer Club die lokale Beat-Szene. So erhält Manfred Weissleder, der das Stern-Kino in St. Pauli betreibt, einen Vorschlag von Musikpromoter Horst Fascher. Der legt nahe, Weissleder solle das Kino in einen Musikclub umgestalten. Und so feiert am 13. April 1962 der Star-Club seine Eröffnung in der Großen Freiheit 39. Auf dem Plakat steht: „Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“

Betrieben wird der neue „Hot-Spot“ von Weissleder persönlich, und fortan schreibt der Star-Club Musikgeschichte. Heute namhafte Künstler wie Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard, Jimi Hendrix, Cream, Ray Charles, Fats Domino und Jerry Lee Lewis betreten die Bühnenbretter, Lewis spielt 1964 sogar ein Livealbum namens Live At The Star-Club, Hamburg ein. Die zweifelsohne berühmtesten Auftritte absolviert aber eine Gruppe, die in den folgenden zehn Jahren noch die Popkultur umkrempeln wird: The Beatles.

„Pro Nacht verloren wir zwei Liter Schweiß.“

Direkt zur Eröffnung spielen die vier Liverpooler im Star-Club, zu Beginn noch mit ihrem ersten Schlagzeuger Pete Best. „Es war ein hartes Pflaster“, berichtet der junge Ex-Beatle in der Doku Star-Club – Das Ende. „An den Wochenenden gab es Schlägereien, aber der Laden wurde damit schon fertig. Für uns war es harte Arbeit. Wir spielten bis zu sechs Stunden in der Nacht. Wir machten Show, wie die Deutschen sie lieben, mit viel Lärm. Alles tobte. Es war fast ein bisschen hysterisch. Pro Nacht verloren wir zwei Liter Schweiß, schätze ich.“ Am 31. Mai 1962 endet das erste Gastspiel der Beatles.

Nach Pete Bests Entlassung übernimmt Ringo Starr die Trommelstöcke und vervollständigt das legendäre Line-Up der „Fab Four“, das wir alle kennen. Vom 1. bis zum 14. November kehren die Briten in ihr Hamburger „Wohnzimmer“ zurück, in zwei Wochen spielt die Gruppe 28 Shows. Vom 18. Dezember bis zum 31. Dezember 1962 treten die Beatles erneut im Star-Club auf. Drei Monate später veröffentlichen sie ihr legendäres Debütalbum Please Please Me (1963) und landen prompt auf Platz eins der britischen Charts. Noch im August desselben Jahres spielen die Beatles ihren letzten Auftritt im Cavern Club in Liverpool und betreten die große Weltbühne. Der Rest ist Geschichte.

Legendenstatus genießen auch die Reibereien zwischen Star-Club, Gesetz und Politik. So sieht sich Inhaber Weissleder mit immer neuen Auflagen und Razzien konfrontiert. „Es gab viele Polizeikontrollen“, erinnert sich der Fotograf Robert Günther im Interview mit dem NDR. „Der Club war verhasst bei den Behörden und auch bei vielen Politikern. Sie haben alles versucht, den Laden dicht zu kriegen. Sie hatten ihn auf dem Kieker.“ Im Juni 1964 muss der Star-Club tatsächlich kurzzeitig schließen und zwar wegen „prügelnder Kellner“. Dem Erfolg des Konzeptes tut das keinen Abbruch: Mitte der Sechziger gibt es Ableger in ganz Deutschland, ob in Berlin, Köln, Bremen oder Kiel. Im September 1965 erobert die Beatmusik sogar das Fernsehen, und zwar in Form des Beat-Club.

Das Ende im Schatten der Diskothek

Jahrelang markiert der Star-Club das Epizentrum der Hamburger Musikwelt. Im Februar 1969 übernehmen Achim Reichel, Frank Dostal und Kuno Dreysse den Laden und buchen unter anderem Black Sabbath, die damals noch unter dem Namen Earth spielen. Allerdings befindet sich die Clubkultur im Niedergang, vor allem werktags bleibt das Publikum aus. Achim Reichel erinnert sich im Interview: „Manfred Weissleder, der Erfinder des Star-Clubs, war dabei, sich zurückzuziehen. Es gab vor uns noch andere Pächter, und denen ist es nicht gelungen, den Laden wieder flott zu kriegen. Wir haben gedacht: ‘Die haben ja alle keine Ahnung, und wir wissen das alles besser.’ Wir haben es dann versucht, aber die Zeichen der Zeit hatten sich verändert. Das neue Ding waren Diskotheken. Da stand dann so ein DJ hinter dem Pult und legte nur Singles auf. Und das war für die Leute plötzlich mehr, als die Bands tatsächlich live sehen zu können.“ Am 31. Dezember 1969 geben Hardin & York das letzte Konzert im Star-Club.

Gehört ab Februar 1969 zu den drei Pächtern des Star-Club: Achim Reichel – Pic: Screenshot aus Star-Club – Das Ende

Sex statt Beat

Anschließend entsteht in den Räumlichkeiten das Erotik-Theater Salambo, gegründet von René Durand. Der hat eine ganz eigene Erklärung für den Niedergang des Star-Club: „Er ist gestorben, weil er seine Tradition verfolgt hat. Heute gibt es eine andere Tradition und zwar Sex, Sex überall.“ 1983 brennen Konkurrenten das Salambo nieder, 1987 wird der ehemalige Star-Club schließlich abgerissen.

Reichel hätte sich einen würdigeren Abschied gewünscht: „Der Star-Club war für viele englische Bands eine Plattform“, stellt er fest. „Denen wurde gesagt: ‘Geht mal nach Hamburg. Da könnt ihr euch die Hörner abstoßen. Da müsst ihr die ganze Nacht mehrfach spielen, und wenn ihr dann zurückkommt, seid ihr fit. Es gab viele Bands, die im Star-Club spielten, noch mehr oder weniger ‚Nobodys‘ waren und hinterher riesige Karrieren machten. Insofern ist es irre bedauerlich, dass so ein Club wie der Star-Club, der so viel hervorgebracht hat, irgendwann einfach nur geschlossen, abgerissen und umgeblättert wurde.“ Heute erinnert ein Gedenkstein im Hinterhof der Großen Freiheit an die ehemalige Talentschmiede.

Die drei letzten Pächter des Star-Club einen Tag nach der Schließung: Achim Reichel, Kuno Dreysse und Frank Dostal – Pic: K & K Ulf Kruger OHG/Redferns/Getty Images

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