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Popkultur

„Who’s Next“: Von der geplanten Rockoper zum legendären Meilenstein

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The Who
Foto: Gijsbert Hanekroot/Redferns/Getty Images

The Who und Rockoper gehören zusammen wie Burger und Pommes. Das interaktive Mammutprojekt Lifehouse geht allerdings nach hinten los — so sehr, dass Pete Townshend in eine Krise stürzt. Doch die gescheiterte Idee ebnet den Weg für eines der besten Who-Alben aller Zeiten: Who’s Next.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Who’s Next von The Who anhören:

1971 haben The Who den Rockoper-Olymp längst erklommen. Bereits auf ihrem zweiten Album A Quick One (1966) unternehmen die Briten diesbezüglich ihre ersten Gehversuche. Mit Tommy folgt drei Jahre später der unvergessliche Meilenstein des Genres. Gitarrist und Hauptsongwriter Pete Townshend hat trotzdem noch nicht genug. Mit Lifehouse plant er ein weiteres, mehr als ambitioniertes Großprojekt — doch das Vorhaben scheitert.

Die Inspiration für das Mammutprojekt liefert die Tour zu Tommy. „Ich habe bei The-Who-Konzerten Momente erlebt“, erinnert sich Townshend in einem Interview, „wo die Schwingungen so klar wurden, dass ich dachte, die ganze Welt würde stehenbleiben, so einheitlich war alles.“ Seine Überzeugung: Hätten die Auftritte der Band kein vorgegebenes Ende, könnte sich das Publikum in einen geistigen Rausch tanzen.

Entertainment vs. Rock’n’Roll

Das Konzept zu Lifehouse klingt mehr als wild und kann hier nur in aller Kürze wiedergegeben werden. Grob gesagt: In der Zukunft gibt es keinen Rock’n’Roll mehr, stattdessen durchlebt die Menschheit eine fortwährende Unterhaltungsspirale. Es soll zum Kampf kommen. Auf der einen Seite die Feinde, die uns intravenös mit Entertainment vollpumpen; auf der anderen Seite die archaische Kraft der Rockmusik. Doch der interessante Teil kommt erst noch …


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Statt das Material gleich fertigzustellen, möchten The Who die Songs nämlich auf der Bühne weiterentwickeln. Dafür sollen Leute aus dem Publikum aufstehen und ihre persönliche Rolle in der Musik und dem entsprechenden Film finden. Townshend wollte gar persönliche Profile der Konzertbesucher*innen anlegen und die Daten in Echtzeit in einen Computer laufen lassen, der sie dann mittels Synthesizer in Töne umwandelt. Klingt alles abgefahren? Ist es auch. Doch um Lifehouse auch nur annähernd vollständig zu erklären, bräuchte es mindestens einen eigenen Text.

Townshend in der Krise

Auch Townshend zeigt sich von der Komplexität des Vorhabens überfordert und bekommt einen Nervenzusammenbruch. Er kann seinem Umfeld nicht erklären, worauf er hinaus möchte; außer ihm versteht niemand die Idee, auch das Publikum nicht. Als es dann auch noch zum Krach zwischen The Who und ihrem Manager Kit Lambert kommt, verwerfen die Briten das Großprojekt und nehmen stattdessen ein reguläres Album in Angriff: Who’s Next.

An seinem Lifehouse-Songmaterial hält Townshend fest. So waren acht der neun Songs auf Who’s Next eigentlich für die interaktive Rockoper gedacht; bloß My Wife aus der Feder von Bassist John Entwistle fällt aus dem Rahmen. Auch der geplante Synthesizer kommt zum Einsatz. Das Intro von Baba O’Riley kennen wir alle, Won’t Get Fooled Again sowieso. Behind Blue Eyes schreibt sogar zweimal Rockgeschichte: einmal im Original von The Who und dann noch einmal in der Coverversion der Nu-Metaller Limp Bizkit von 2003. Nicht nur diesen Hits merkt man an, wie gelöst The Who gewesen sein müssen, nachdem sie das Lifehouse-Konzept über Bord geworfen hatten.

Ein Abbruch mit Folgen

Als Who’s Next am 14. August 1971 erscheint, gelingt The Who damit ihr einziger erster Platz in den britischen Albumcharts. Und nicht nur die Verkaufszahlen deuten daraufhin, dass es sich bei der fünften Platte der Engländer möglicherweise auch um ihre beste handelt. Auch die Presse überschlägt sich mit Lob und Fans weltweit fahren auf das Album ab. Bis heute zählt das verunglückte Projekt zu den berühmtesten Platten der Rockgeschichte.

Abschreiben konnte Pete Townshend seine Lifehouse-Idee trotzdem nicht. Immer wieder verwendet er das Material für andere Projekte, ob mit The Who oder solo, 1999 veröffentlicht er die sechsteiligen Lifehouse Chronicles. Sogar eine Website namens The Lifehouse Method stellt er zwischenzeitlich online. So richtig umgesetzt wird das Ganze wohl nicht mehr. Dafür haben wir Who’s Next. Und eine weitere Rockoper kommt später ja auch noch

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