Popkultur
Zeitsprung: Am 24.1.1989 schlagen Skid Row mit ihrem Debüt mächtig ein.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 24.1.1989.
von Christof Leim
Zwei Kumpels wollen Rockstars werden und versprechen sich: Wenn einer es schafft, hilft er dem anderen. Als Dave „The Snake“ Sabo 1986 seine neue Band Skid Row aus der Taufe hebt, hat Jon Bon Jovi bereits die Welt erobert – und hält Wort. Er gibt seinem Freund wichtige Anschubhilfe und öffnet die richtigen Türen. Und die Band hat, was nötig ist, um diese Chance zu nutzen: Großartige Songs, die richtigen Leute und Energie bis zum Abwinken. Doch bis das Wirkung zeigt, dauert es eine ganze Weile. Dies ist die Geschichte des ersten Skid Row-Albums.
Hört hier in Skid Row rein:
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
Der junge Dave Sabo wird dank der Rolling Stones und Aerosmith früh vom Rock’n’Roll infiziert. In der gleichen Straße im Örtchen Sayreville bei New Jersey lebt noch ein anderer Rocker, ein ambitionierter Kerl namens John Bongiovi. Snake ist 20, als der Sandkastenkumpel mit seiner Band Bon Jovi das erste Album veröffentlicht und eine Gold-und-Platin-Karriere startet, wie sie im Buche steht. Dave, den alle nur “The Snake” nennen, spielt sogar mal kurz Gitarre in der Truppe, als das Demo zu Runaway überraschend ein kleiner Hit an der Ostküste wird. Musikalisch passt das aber nicht so richtig; nach dem Freundschaftsdienst muss eine eigene Gruppe her.
1986 trifft Snake im Musikladen, in dem er arbeitet, den Bassisten Rachel Bolan, der damals noch James Southworth heißt. Die beiden verstehen sich blendend und gründen, wie es sich gehört, eine Band. Schnell stellt sich raus, dass sie hervorragend zusammen Songs schreiben können. Snake erklärt im Classic Rock: „Wir haben unterschiedliche musikalische Wurzeln, ich bei Judas Priest und Iron Maiden, Rachel bei den Ramones. Aber unsere Stile ergänzen sich. Es hilft natürlich, dass wir uns immer auf Kiss und Van Halen einigen können.“ Der Bassist schleppt noch einen Gitarrenkumpel namens Scotti Hill an (in echt: Scott Mulvehill), Sabo kennt Drummer Rob Affuso aus einer Rush-Tribute-Band.
Es fehlt allerdings ein Sänger: Mit Matt Fallon hatte Snake schon bei seiner alten Combo Steel Fortune Krach gemacht, zwischenzeitlich sang der Mann mal für eine kurze Weile bei Anthrax, ist aber wieder frei. Mit ihm können Skid Row also loslegen, geprobt wird in der Garage von Bolans Eltern. Wir schreiben das Jahr 1986: Bei Jon Bon Jovi läuft es mittlerweile bestens, die Band steht vor der Veröffentlichung des Megakrachers Slippery When Wet. Und das Versprechen von einst zählt noch. „Es war klar, dass Jon es zuerst schaffen wird“, blickt Snake zurück. „Er kam zu unseren Shows, übte Kritik und gab seine Erfahrungen weiter, was uns sehr geholfen hat.“ Mit Fallon nehmen Skid Row in Bon Jovis Studio in Philadelphia Demos auf, darunter schon spätere Hitsongs wie Youth Gone Wild und 18 And Life. Daneben spielen sie Clubshows, bis die Leute „in New Jersey, New York und Connecticut die Schnauze voll von uns hatten“ (O-Ton Rachel Bolan). Ende 1986 eröffnet die Band sogar zwei Shows auf der monströsen Slippery When Wet-Tour.
Es dauert einige Jahre, bis Skid Row ihr klassisches Line-up zusammen haben
Bon Jovi-Manager Doc McGhee hat mittlerweile ein Auge auf Skid Row geworfen und nimmt den Haufen unter seine Fittiche. Angeblich empfiehlt er auch, Matt Fallon rauszuwerfen, weil dem der nötige Antrieb fehle. Ohnehin scheint es nicht so recht zu passen, also stehen Snake und Rachel 1987 wieder ohne Sänger da. Zwar haben sie zwischenzeitlich mal John Corabi (später bei Mötley Crüe & The Dead Daisies) auf der Liste, aber monatelang lässt sich der richtige Kandidat nicht finden. Bis ein Bekannter namens Dave Feld sie in Kontakt bringt mit einem blutjungen Vokalisten aus Kanada, der auf der Hochzeit des Fotografen Mark Weiss Led Zeppelin-Songs singt und Kinnladen runterklappen lässt. (Dave Feld ist übrigens auch der Typ, der für Zakk Wylde ein gutes Wort bei Ozzy eingelegt hat. Der Mann hat wohl ein goldenes Telefonbuch.)
Sebastian Bierk heißt der Schreihals, der mit den Bands Kid Wikked und Madam X sogar schon Alben aufgenommen hat. Schnell wird eine Audition in New Jersey vereinbart; für das Flugticket werfen die die Skid Row-Musiker ihre Kohle zusammen. Der Sage nach warten sie angespannt in der Küche von Snakes Mama, während Scotti den Kandidaten vom Flughafen abholt. Als der schließlich den Raum betritt, keine 20 Jahre alt, groß, langhaarig und voller Energie, lauten seine ersten Worte: „Hey Jungs, ich habe einen Dreißig-Zentimeter-Penis!“ Schon bei der ersten Kneipentour am Abend gibt es eine Schlägerei, aber Skid Row haben das fehlende Puzzlestück gefunden. Ihr neuer Sänger zieht nach New Jersey und nennt sich fortan Sebastian Bach.
Ein weiteres Jahr arbeitet das Quartett an der Band, zwischenzeitlich unterschreiben sie einen Vertrag beim Musikverlag von Jon Bon Jovi und seinem Gitarristen Richie Sambora. Das heißt: Die beiden Rockstars verdienen üppig an den Songs von Rachel und Snake mit. Anders formuliert: Sie bekommen einen großen Teil der GEMA-Kohle. Dafür helfen sie den Aufsteigern weiter, wo sie können. Wegen dieses Arrangements sollte es später noch mächtig Streit geben. Die Doc McGhee/Bon Jovi-Verbindung erweist sich generell jedoch als äußerst wertvoll, insbesondere bei der Suche nach einem Plattenvertra. Mehrere große Labels zeigen Interesse, das Rennen macht schließlich der Branchengigant Atlantic (Led Zeppelin, AC/DC) vor Geffen Records (Guns N’ Roses, später Nirvana) und A&M (Extreme, später Soundgarden). Das Songmaterial für das Debütalbum können Sebastian, Snake, Rachel, Scotti und Rob mittlerweile im Schlaf spielen. Deshalb laufen die Aufnahmen mit Dokken- und Alice Cooper-Produzent Michael Wagener im fernen Wisconsin problemlos; angeblich saufen die Musiker dabei nicht mal (so viel).
Das Debütalbum Skid Row erscheint am 24. Januar 1989 mit elf mitreißenden Hard Rock-Songs, hervorragend produziert und hervorragend gespielt. Vor allem der erstklassige Gesang von Bach fällt hier auf, musikalisch bietet die Scheibe eine gute Mischung aus ungestümem Rock’n’Roll, Punk-Dreck und radiotauglicher Eingängigkeit. Selbst wenn die Produktion Dekaden später ein kleines bisschen weniger zeitlos klingt als gewünscht, stehen Skid Row im Zeitalter des Hair Metal damit deutlich näher an Guns N’ Roses als an Poison. Bevor die Platte in den Regalen landen kann, gibt es aber noch ein Problem: Schon Ende der Sechziger hatte Gary Moore eine Blues Rock-Kapelle in Irland namens Skid Row. Deshalb müssen unsere Helden einen fünfstelligen Dollar-Betrag an Moore überweisen; die Rede ist von 35.000$.
Zwei der drei ersten Singles von Skid Row knacken die Top 10
Als erste Single wird Youth Gone Wild ausgekoppelt, ein Stadionrocker mit einem Refrain so groß wie die Brooklyn Bridge. Ein halbes Jahr später, im Juni, kommt 18 And Life, eine Ballade über einen jungen Wilden, der mit dem Gesetz in Konflikt gerät. MTV und Headbanger’s Ball stürzen sich auf das Video, Rockradios spielen das Ding in Dauerschleife. Die Single erreicht Platz vier in den USA und verkauft sich bis September eine halbe Million Mal. Mit I Remember You folgt im November ein Schmachtfetzen, den die Band zunächst gar nicht auf das Album packen wollte. Auch damit erreichen Skid Row die Top Ten. Solche so genannten „Power Ballads“ gehören damals zur Standardausstattung von Rockplatten und bringen verstärkt Mädels zu den Konzerten. Dass Sebastian mit seiner blonden Mähne doch ganz schmuck aussieht, schadet den Verkaufszahlen nicht.
Natürlich gehen Skid Row jetzt erstmal auf Tour: Ganze sechs Monate lang eröffnen sie in Nordamerika 1989 für ihre alten Freunde Bon Jovi auf der gigantischen Konzertreise zu New Jersey. Nicht nur spielen die Newcomer dabei die größten Arenen und Stadien des Landes, sie schieben an freien Tagen sogar eigene Clubshows ein. Im Oktober 1989 geht es noch für 164 Shows ein ganzes Jahr lang mit Aerosmith auf die Straße, die gerade Pump veröffentlich haben. Zwischendurch laden Mötley Crüe zur Dr. Feelgood-Tour durch Europa. Die fünf Debütanten spielen also mit der Königsriege des Hard Rock, schieben sogar eigene Headliner-Dates nach und treten im August 1989 beim legendären Moscow Music Peace Festival auf.
Touren wie die Wahnsinnigen: Scotti Hill und Dave „The Snake“ Sabo 1989 – Pic: Jamie/Wiki Commons
Insgesamt sind Skid Row sage und schreibe 17 Monate unterwegs. Sebastian Bach lacht darüber in seiner Autobiografie: „Wir haben viel üben können.“ Der wahnwitzige Einsatz zahlt sich aus: Nach einem Jahr steht das Debütalbum bei einer Million verkaufter Exemplare in den USA, hält sich drei Monate in den Top 10, und der Zähler läuft weiter. Skid Row gehören jetzt zu den heißen Bands der Stunde. Der Durchbruch ist geschafft.
Allerdings ziehen Wolken im Rock’n’Roll-Paradies auf: Mit Bon Jovi und Sambora gibt es Streit wegen des – je nach Sichtweise unvorteilhaften oder angemessenen – Verlagsvertrages, was erst Jahre später bereinigt wird. Richie zahlt seinen Anteil zurück, Jon nicht, was insbesondere Sebastian sauer aufstößt. Zum Ende der New Jersey-Tour sind die beiden Sänger sogar wegen irgendeines Unsinns fast in einen Faustkampf miteinander geraten, harte Worte wurden öffentlich gesprochen, erst lange danach vertragen sich sie wieder. Allerdings sprechen auch die Sandkastenkumpels Snake und Jon Bon Jovi eine ganze Weile nicht mehr miteinander. Und da gibt es noch die Fehltritte des impulsiven Sebastian Bach: Als ihm jemand ein Glas an den Kopf wirft, schmeißt er es zurück – und verletzt eine junge Frau vor laufenden Kameras. Später trägt er gedankenlos ein Shirt, das ihm ein Fan gegeben hat. Darauf steht: „AIDS kills fags dead“, also „AIDS tötet Schwule“. Das ist so saublöd, dass Bach selbst nur den Kopf schütteln kann und sich ausdrücklich entschuldigt. Unter seinen Kollegen hat er sich mit solchen Aktionen und generellem Hang zu Chaos und Wahnsinn keine Freunde gemacht, vor allem Rachel Bolan hat zusehends die Nase voll. Aber das ist eine andere Geschichte.
1989 verstehen sich die beiden noch gut: Rachel Bolan und Sebastian Bach auf Tour – Pic: Jamie/Wiki Commons
In die Neunziger starten Skid Row jedenfalls mit Macht und einem veritablen Multiplatin-Erfolg, womöglich der letzte eines Genres, das seinen Zenit überschritten hat – selbst wenn Skid Row nie wirklich zu den Glam-Bands der Dekade gehörten. Es gibt viele gute Platten im Hard Rock der Achtziger, aber beileibe nicht alle haben sich so gut gehalten wie Skid Row.
Zeitsprung: Am 11.6.1991 hauen Skid Row mit „Slave To The Grind“ einen Hammer raus.

Popkultur
Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt
Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:
Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“
Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.
Marie Fredrikssons musikalische Anfänge
Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.
Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.
Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette
Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.
Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.
Marie Fredrikssons viel zu früher Tod
Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.
Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.
Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 30.5.1980 landet Gary Moores G-Force auf dem Rockplaneten.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.5.1980.
von Matthias Breusch und Christof Leim
Gary Moores Bandprojekt G-Force wird 1980 als heiße Nummer gehandelt. Aber der „Faktor Mensch“ ist unkalkulierbar. Das in Kalifornien entstandene Album erscheint am 30. Mai 1980 – und bleibt eine Zwischenlandung. Der nordirische Gitarrenhexer setzt seine Welteroberung in Europa fort.
Hier könnt ihr das Album hören:
Am Anfang steht ein großes Missverständnis. Der 27-jährige Gary Moore, seit mehr als einem Jahrzehnt furioser Gitarrist und zunehmend markanter Sänger, verlässt im Juli 1979 abrupt Thin Lizzy während der US-Tour zu die Black Rose und lässt sich in Los Angeles nieder. Dort tut er sich mit dem nur wenig älteren Engländer Glenn Hughes zusammen, der als virtuoser Bassist und Gesangsgenie seit seiner Zeit mit Deep Purple längst ganz oben angekommen ist. Beide sind begabte Songwriter, Moore hat 1978 mit Parisienne Walkways seinen ersten Meilenstein komponiert. Was soll da noch schiefgehen?
Alkohol!
Klären lassen lässt sich die Geschichte nie mehr so ganz, denn Hughes, der 1976 seinen musikalischen Zwillingsbruder und Deep-Purple-Kollegen Tommy Bolin nach dessen Drogentod zu Grabe getragen hat, sieht gesundheitlich zum Ausgang der Siebziger kaum Licht am Ende des Tunnels. Mehr noch: Es bleibt ein permanenter Filmriss, Blackout in Reinkultur. „Die Achtziger sind komplett weg“, erzählt er in späteren – nüchternen – Jahren immer wieder.
G-Force 1980 in London: Willie Dee, Gary Moore, Mark Nauseef und Tony Newton. Foto: Fin Costello/Redferns
Nichtsdestotrotz stellt Moore mit Hughes und dem nicht minder vielseitigen Schlagzeuger Mark Nauseef, mit dem er kurzzeitig bei Thin Lizzy gespielt hat, ein Trio zusammen. Diese Mannschaft bekommt noch vor den Aufnahmen seines ersten Albums das Angebot, mit den Shooting-Stars Van Halen auf große Amerika-Reise zu gehen. Die Tour findet statt, aber aus der Besetzung wird nichts. Schon nach den monatelangen Songwriting-Sessions und Proben offenbart sich: Hughes ist nicht in der Lage, eine Konzertreise durchzustehen. Nach einem Streit unter Alkoholeinfluss bricht das Gespann Moore/Hughes auseinander.
Röhren müssen glühen
Aus dem Trio wird ein Quartett. Mark Nauseef, der als umtriebiger Ex-Musikant von The Velvet Underground, der Ian Gillan Band und Ronnie James Dios Startrampe Elf über ein weit gesponnenes Netzwerk verfügt, engagiert zwei alte Bekannte: Keyboarder William Daffern alias Willie Dee unterstützt Gary bei den Vocals, den Bass bespielt Tony Newton, zuvor in Diensten von Jazz-Legende Tony Williams.
Nun weist Gary Moores mit musikalischen Perlen gespickte Laufbahn allerlei stilistische Richtungswechsel auf. Das Album G-Force ist eine frühe Blaupause dieser Kurvenstrecke, wenn auch nicht ohne Charme. Die Single Hot Gossip, wozu auch ein Clip gedreht wird (frech: Poser-Tony mit Doppel-Hals-Bass) schielt auf die Pop-Rock-Charts, You Kissed Me Sweetly hätte auch auf ein ELO-Album gepasst, und I Look At You erweist sich als echtes Fundstück für Liebhaber von Moores monumentalen langsamen Songs.
Die Nummer The Woman In Love mit Saxofon-Einlage erinnert schwer an die Fusion-Zocker The Tubes, Dancin‘ an die dünne Lizzy auf Koks, und mit White Knuckles/Rockin’ And Rollin’ lässt Meister Gary derart die Röhren in seinem Verstärker glühen, dass man nachvollziehen kann, warum die Nummer praktisch der finale Auslöser für seine mitreißende Hard-Rock-Karriere in den Achtzigern gewesen sein muss. Sie gehört für lange Zeit als festes Element in sein Live-Repertoire, was auch das Doppelalbum We Want Moore! von 1984 eindrucksvoll dokumentiert.
Schnelles Ende
Über die Veröffentlichung des Albums hinaus bleiben G-Force (zu Deutsch: Schwerkraft) lediglich als Liveband vorübergehend eine Einheit. Nach den Ready An‘ Willing-Tour 1980 im Vorprogramm von Whitesnake und den Gigs als Opener der 1981er-Van-Halen-US-Tour zieht Gary weiter: Zunächst als Partner von Greg Lake nach der Auflösung von Emerson, Lake & Palmer, ab 1982 geht dann sein Solo-Stern auf, teilweise basierend auf Ideen, die er bereits mit G-Force im Studio entwickelt hat.
Den Rest der Geschichte kennen wir. In den 1980ern avanciert er mit Nummern wie Out In The Fields, Empty Rooms, Shapes Of Things oder The Loner zum Hexenmeister der Stromgitarre, in den Neunziger zum König des „weißen Blues“. Festlegen lässt er sich jedoch nie. Auch sein experimentelles Album A Different Beat von 1999 gehört mit Songs wie Lost In Your Love in die Abteilung „Zwischenlandung“. Allerdings ohne jedes Missverständnis …
Zeitsprung: Am 26.3.1990 hat Gary Moore immer noch den Blues.
Popkultur
70 Jahre Danny Elfman: Die 10 legendärsten Stücke des Soundtrack-Hexers
Danny Elfman hat die Filmmusik geprägt wie wenige andere. Vom Score der Simpsons bis zu den verhexten Meisterwerken von Tim Burton: Zum 70. Geburtstag des Komponisten hören wir noch mal seine schönsten, genialsten, gespenstischsten Momente.
von Björn Springorum
Über 100 Filme hat Großmeister Danny Elfman in seiner Karriere vertont. Bislang. Als Haus- und Hofkomponist von Tim Burton setzte er dessen gotisch-morbide Schauerwelten musikalisch ebenso perfekt in Szene wie Werke von Sam Raimi oder Gus van Zandt. Vier Oscar-Nominierungen, zwei Emmys und einen Grammy gab es schon dafür. Zu seinem 70. Geburtstag am 29. Mai 2023 lauschen wir noch mal seinen schönsten Spukmelodien und Geisterliedern.
1. The Simpsons Theme (1989)
Ja, man kennt Danny Elfman eher für dramatische Spuk-Soundtracks voller gotischer Grandezza, doch der Titelsong der berühmtesten Zeichentrickserie stammt auch von ihm. Fun fact: Das ganz zu Beginn gesungene „The Simpsooons“ haben er und seine Freunde eingesungen. Der Legende nach gab es dafür mehr Tantiemen als für das Stück an sich. Gecovert haben das Theme unter anderem Green Day und Weezer.
2. Beetlejuice Intro Theme (1988)
Schon 1988 macht Danny Elfman klar, worum es ihm in seinen Soundtracks geht: Zu Tim Burtons Gruselspaß komponiert er eine ahnungsvolle Horror-Nummer mit den typischen Piano auf Zehenspitzen, den unheilvollen Bläsern und der generellen Stimmung von Mystik, Schalk und Tod. Düster, ja, aber immer mit einem schiefen Grinsen.
3. Batman Main Theme (1989)
Nach eher schrägen Soundtracks irgendwo zwischen gotischem Horror und Fifties-Big-Band wendet sich Danny Elfman für Tim Burtons Batman der dunklen Seite der Klaviatur zu: Sein Main Theme ist ein düster wallendes, dicht orchestriertes Stück voller Streicher und einschüchternder Bläser. Bis heute ein ikonisches Stück Soundtrackgeschichte, das den Oscar verdient hätte.
4. Alice’s Theme (2010)
Tim Burtons Alice In Wonderland ist ein einziger lysergischer Sturz in den Kaninchenbau. Dazu schneidert Danny Elfman in seiner zwölften Zusammenarbeit mit Tim Burton dem Film ein musikalisches Kleid, das perfekter nicht passen könnte: Verwunschen, geheimnisvoll, nicht von dieser Welt. Höhepunkt ist Alice’s Theme, dessen Chöre und Streicher sofort Gänsehaut verursachen.
5. Spider-Man Main Title (2002)
Lange vor dem Marvel-Wahnsinn mit immer mehr verwirrenden Spin-Offs, Sequels und Prequels hat Regisseur Sam Raimi einen bis heute packenden Spider-Man-Reboot vorgelegt. Die Musik zum Film mit Toby Maguire kommt natürlich von Ramis Kumpel Danny Elfman, der seine Trademarks hier um spitze Violinen, majestätische Chöre und ein monumentales Grundgefühl erweitert.
6. Ice Dance (1990)
Das vielleicht schönste Stück von Danny Elfmans persönlichstem Soundtrack ist das elegische, fragile, wunderschöne Ice Dance. Edward mit den Scherenhänden ist ja eh ein emotionales Meisterwerk, doch gerade durch die Musik wird der Film noch mal auf eine ganz andere, ganz und gar andersweltliche Ebene gehoben.
7. This Is Halloween (1993)
Ein ganz großer Klassiker, nicht nur zu Halloween: This Is Halloween ist einer der Glanzmomente in der Musik von Nightmare Before Christmas, diesem unerreichten Stop-Motion-Meisterwerk. Irgendwo zwischen Gothic-Kabarett und nostalgischem Weihnachtsfest, aber immer mit viel Gefühl. Wie der Film eben.
8. Sleepy Hollow Main Titles (1999)
Tim Burtons Gothic-Horror-Meisterwerk Sleepy Hollow ist ein blutiges Märchen, das in Sachen Ausstattung und Stimmung für immer einen Platz in den Herzen der Cineast*innen einnehmen wird. Die verhexte, beunruhigende, spannungsgeladene Musik von Danny Elfman fasst die entlegenen Wälder Neuenglands und den kopflosen Reiter in die richtigen Töne. Mehr melodramatische Gotik als hier geht definitiv nicht.
9. After Midnight (2002)
Ja, auch an Chicago war Danny Elfman als Komponist beteiligt. Der swingende Bar-Jazz von After Midnight ist ein ziemlich großer Kontrast zu seinen anderen Werken. Und irgendwie auch nicht: Er ersetzt eben einfach mal Streicher und Chöre durch Trompeten und Jazz-Drums, doch das Ergebnis ist immer noch nicht ganz von dieser Welt.
10. Wednesday Main Titles (2022)
Wenn Tim Burton schon mal eine Serie um einen Spross der Addams Family macht, dann darf sein Freund Danny Elfman natürlich nicht fehlen. Zur erfolgreichsten Netflix-Serie aller Zeiten spendiert er Hauptcharakter Jenna Ortega ein ikonisches Hauptmotiv, das sowohl an die alten Addams-Family-Episoden erinnert als auch modernsten Horrorspuk in Töne fasst.
Bonus: Private Life (1982)
Einen gibt es noch als Bonus: Bevor Danny Elfman die Kinozuschauer*innen mit seinen Scores verzauberte und verängstigte, spielte er in einer Ska-/Wave-Band namens Oingo Boingo. Dort lebt er sich sehr experimentell aus, singt, spielt Gitarre und schreibt alle Songs. Coole Mucke, keine Frage. Wir sind dennoch nicht böse, dass Elfman dann bald die große Leinwand ins Visier genommen hat.
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