Popkultur
Zeitsprung: Am 27.12.1975 lösen sich die Faces auf.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.12.1975.
von Timon Menge und Christof Leim
Faces gehören zu den wichtigen Bands der Rockgeschichte, doch nach nur sechs Jahren war Schluss: Am 27. Dezember 1975 beschließen die Musiker, getrennte Wege zu gehen. Rod Stewarts Solokarriere und Ron Woods Engagement bei den Rolling Stones hatten nachhaltig für schlechte Stimmung gesorgt.
Hört euch hier Ooh La La von Faces an:
Die Geschichte der Faces ist kurz, aber heftig. 1969 formiert sich die Gruppe aus den Überbleibseln ihrer Vorgängerband Small Faces, deren Sänger Steve Marriott während eines Konzerts wutentbrannt von der Bühne gestürmt war und später die Band Humble Pie gründete. Weil die übrigen Bandmitglieder Ronnie Lane (Bass), Ian McLagan (Keyboards) und Kenney Jones (Drums) weitermachen wollen, rekrutieren zwei neue Mitstreiter aus der Jeff Beck Group: Sänger Rod Stewart und Gitarrist Ron Wood.
Fast neuer Name
Die Plattenfirma möchte aus Marketinggründen, dass die Gruppe unter dem Namen Small Faces weitermacht, doch die Musiker sehen das anders: Sie wollen einen Neuanfang. Man einigt sich auf den Kompromiss, das „Small“ im Bandnamen unter den Tisch fallen zu lassen und von nun an schlicht Faces zu heißen. In den USA erscheint das Debüt der neuen Besetzung noch unter altem Namen.
Ron Wood und Rod Stewart live 1975 – Pic: Jim Summaria/Wiki Commons
Von 1970 bis 1973 veröffentlichen die Faces vier hervorragende Alben: First Step (1970), Long Player (1971), A Nod Is As Good As A Wink… To A Blind Horse (1971) und Ooh La La (1973). Die Band tourt durch Europa, Nordamerika und später sogar durch Australien, Neuseeland sowie Japan. Mit Stay With Me, (I Know) I’m Losing You, Cindy Incidentally und dem zugegebenermaßen etwas sperrig betitelten You Can Make Me Dance, Sing or Anything (Even Take the Dog for a Walk, Mend a Fuse, Fold Away the Ironing Board, or Any Other Domestic Shortcomings) veröffentlichen die Faces einige Hitsingles.
Rod Stewart gibt solo Vollgas
Rod Stewart gibt allerdings auch solo Vollgas: 1971 erscheint mit Every Picture Tells A Story bereits die dritte Platte des Schotten, der Übersong Maggie May darauf verschafft ihm den großen Durchbruch. Zunächst gelingt eine friedliche Koexistenz, doch nach ein paar Jahren bröckelt das Fundament. Ronnie Lane verlässt die Gruppe 1973 und wird durch den zeitweiligen Free-Bassisten Tetsu Yamauchi ersetzt, Ron Wood steigt bei den Rolling Stones ein.
„Niemand von uns hat damals einen Gedanken daran verschwendet, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt Probleme geben könnte“, schreibt Rod Stewart in seiner Autobiografie. „Und siehe da: Schon gab es Probleme. Die Konflikte waren politischer Natur und haben sich langsam aufgestaut. Meine Solokarriere war die Ursache der meisten Schwierigkeiten. Das hat für viele Spannungen und Ängste gesorgt.“ Als Wood 1975 von seiner ersten Tour mit Stones zurückkehrt, tritt er noch bei einigen Konzerten mit den Faces auf. Es sei ihm schwer gefallen, eine Entscheidung zu treffen, erklärt Stewart, wie Ultimate Classic Rock berichtet. „Er dachte eine Weile, dass er in beiden Bands spielen kann, um alle glücklich zu machen, aber das hat in der Realität nicht funktioniert.“
Genug ist genug
Irgendwann wird das alles zu viel, die Stimmung verschlechtert sich, also muss die Reißleine gezogen werden: Im Dezember 1975 lösen sich die Faces auf; die meisten Quellen nennen den 27. als Stichtag. Schlagzeuger Kenney Jones wechselt zu The Who, wo er den viel zu früh verstorbenen Keith Moon ersetzt. Im Laufe der Jahrzehnte kommt es wiederholt zu kleineren Live-Reunions in wechselnden Besetzungen, doch ein neues Album erscheint nicht. Was bleibt, ist das Vermächtnis der Gruppe. Bis in die Neunziger hinein nehmen Faces nachhaltig Einfluss auf die Welt der Rockmusik und ebnen stilistisch zum Beispiel Größen wie Oasis den Weg.
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Zeitsprung: Am 22.12.1978 heuert Faces-Schlagzeuger Kenney Jones bei The Who an.

Popkultur
In klangvollem Gedenken: 10 essentielle Prince-Songs
Am 21. April 2016 starb Prince. Die Wundertüte des Pop war laut, schrill, exzentrisch, aber vor allem eines: ein Jahrhundertkünstler. Diese zehn Songs unterstreichen sein außerirdisches Talent.
von Björn Springorum
Um Prince in den Achtzigern zu verstehen, reicht dieses Faktum: Seinetwegen wurde der Parental-Advisory-Sticker auf Platten erfunden. Mit anderen Worten: Prince war zu sexy, zu offen, zu explizit für die USA. „Am I black or white? Am I straight or gay?“ singt er schon 1981 in Controversial. Kontroversen, sie waren ihm wohl vertraut.
Aber reicht das, um ihn ganz zu erfassen? Welche Geschichten kann man noch bemühen, um Leben und Wirken des Pop-Giganten aus Minneapolis einzufassen? Sagt es genug aus, dass er über 100 Millionen Platten verkauft hat? Oder dass er ein Ausnahmespieler an der Gitarre war? Sänger mit einer Jahrhundertstimme? Eine enigmatische Kunstfigur zwischen Funk, R’n’B, Rock, Soul, Wave und Pop, ebenso schillernd wie exzentrisch? Bringt uns irgendwie alles nicht weiter.
Lassen wir also das Einzige sprechen, das wirklich zählt: seine Musik, mit der er das 20. Jahrhundert prägte, veränderte, bereicherte. Unter den Myriaden an Songs, die Prince geschrieben hat (verteilt auf nahezu 50 Alben), die besten auszuwählen, ist eine fast schon unmögliche Aufgabe. Einigen wir uns also darauf, dass diese zehn Songs – präsentiert in chronologischer Ordnung – sinnbildlich für das Genie Prince Rogers Nelson stehen.
1. When You Were Mine
Wie um jeden Klassiker, ranken sich auch um die Entstehung von When You Were Mine von seinem dritten Album Dirty Mind (1980) mehr als genügend Legenden. Eine besagt, dass ihm diese Nummer zuflog, als er in einem Hotel in Alabama John Lennon lauschte. Eine andere, dass er in einem Hotelzimmer in Florida war und der Band gerade einen Ausflug nach Disney Land verboten hatte. So oder so steht fest: Die Musen meinten es gut mit Prince, der hier eine bisexuelle Dreiecksbeziehung süffig und sinnlich vertont. Blondie lässt grüßen.
2. Controversy
Noch delikater wird es 1981. Controversy vom gleichnamigen Album macht den schwierigen Spagat des Prince deutlich: Längst ist er ein gefragter und erfolgreicher Künstler in den USA, zur selben Zeit jedoch gerät er mehr und mehr ins Fadenkreuz der religiösen Rechten. Denen ist Prince mit seiner offen gelebten Sexualität und seinem angeblich unzüchtigen Verhalten ein Dorn im Auge, zusätzlich befeuert von dieser saftig-funkigen Nummer, mit der er sichtlich genussvoll Öl ins Fegefeuer der Empörung gießt. Nimm das, prüde Welt!
3. Little Red Corvette
Prince will nicht immer provozieren. Manchmal will er der Welt auch einfach nur zeigen, wie sich aus banalsten Ereignissen pures Popmusik-Gold schmieden lässt. 1982 zum Beispiel, als er nach einer kräftezehrenden Aufnahmesession im pinken Mercury Montclair Marauder seiner Musikerin Lisa Coleman immer wieder kurz einschläft. Jedes Mal ist ein weiterer Teil der Lyrics fertig, der elegant-rockige Song vom 1999-Album wenig später.
4. Purple Rain
1984 zeigt Prince der Popwelt dann einfach mal kurz, wie man ein perfektes, technisch brillantes und kompositorisch umwerfendes Stück Musik schreibt. Princes bekanntester Song ist zweifellos auch einer seiner stärksten, ein neunminütiges Epos, das als Destillat seiner ersten Jahre gelten darf. Und jede*n andere*n zeitgenössische*n Pop-Künstler*in vor Ehrfurcht erstarren ließ.
5. The Beautiful Ones
Sein Album Purple Rain ist mehr als der längst heilig gesprochene Titeltrack. Das sinnlich-evokative The Beautiful Ones zählt zu seinen emotionalsten Stücken – und wird in der Folge unter anderem von Mariah Carey und Beyoncé gecovert.
6. Darling Nikki
Dieser stampfenden, steril-maschinellen, kühl-erotischen Nummer, ebenfalls von Purple Rain, haben wir die Parental-Advisory-Sticker zu verdanken, die noch jede*n Jugendliche*n heiß auf eine Platte gemacht haben. Wie nonchalant-lässig Prince die Zeile „I met her in a hotel lobby, masturbating with a magazine“ singt, war für die überaus prüde Mary Gore, die Frau des ehemaligen US-Präsidenten, zumindest Grund genug, gegen „Schmutz“ wie diesen zu Felde zu ziehen und die Jugend der Welt vor Sittenstrolchen wie Prince zu bewahren.
Zeitsprung: Ab 13.5.1985 will das PMRC vor schlimmen Songtexten warnen.
7. Kiss
Als Parade 1986 erscheint, liegt Purple Rain zwei Jahre zurück. Dennoch klingt Prince in Stücken wie dem unsterblichen Kiss schon wieder wie ein vollkommen anderer Künstler. Eigentlich als Song für die Band Mazarati gedacht, doktort Prince eine Nacht im Studio an der Nummer herum, um dann festzustellen: Nö, die behalte ich lieber selbst! Gute Entscheidung: Kiss schießt in den USA auf die Eins und berauscht noch heute mit dem straighten Beat, der kurz angespielten Funk-Gitarre, den punktgenauen Vocals und herrlichem Pop-Minimalismus.
8. Sign O’ The Times
Genau ein Jahr später veröffentlicht Prince Sign O’ The Times. AIDS, Heroin, Bandenkriminalität und das Raketenabwehrprogramm der USA finden Eingang in diese unterkühlt-elektronische Nummer, die für viele zu den ganz großen Glanzmomenten des Superstars zählt.
9. Diamonds And Pearls
Wieder so ein bockstarker Titelsong. Diamonds And Pearls trägt 1991 seinen Anteil zu Princes anhaltendem Erfolg in den Neunzigern bei – mit betont massivem Drumming, markanten Keys und jeder Menge schwelgerischem Groove. Es darf durchaus aus Vorläufer zum folgenden Song gesehen werden…
10. The Most Beautiful Girl In The World
…mit dem Prince zusätzlich R’n’B in seinem eklektischen Sound Willkommen heißt. 1994 gelingt ihm sein erster und einziger Nummer-eins-Hit in den UK-Charts, ein echter Schmachtfetzen, bei dem es allerdings ordentlich Plagiatsvorwürfe hagelt. Wie ein italienisches Gericht entscheidet, hat sich Prince hier etwas zu sehr bei einem Lied von Bruno Bergonzi und Michele Vicino bedient. Passiert offensichtlich selbst den Besten.
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„Findet Nemo“ und Pfannkuchen: 6 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Prince stammen können
Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis Fyre: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
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Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
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„Bohemian Rhapsody“: Die Geschichte des Klassikers, für den Queen alle Regeln brachen