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Popkultur

Zeitsprung: Am 4.9.1996 verbockt David Lee Roth die Van-Halen-Reunion.

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Catherine McGann/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.9.1996.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Als Van Halen bei den MTV Video Music Awards 1996 das erste Mal seit elf Jahren in Originalbesetzung erscheinen, flippt die Halle kollektiv aus, doch der öffentliche Schulterschluss eskaliert dank David Lee Roth zur Farce. Zum Jahrestag der verfehlten Reunion schauen wir uns an, was hinter den Kulissen vor sich ging.

Hört hier zur Lektüre einige der besten Van-Halen-Songs: 

Mit Van Halen assoziiert man als Hard Rock-Fan viele Adjektive, „unkompliziert“ gehört eher nicht dazu. Schon in frühen Jahren führen die Rivalitäten zwischen Leadgitarrist Eddie Van Halen und Sänger David Lee Roth die Band immer wieder kurz vor das Aus, auch mit Bassist Michael Anthony kriselt es häufig. Kaum zu glauben, aber das Original-Lineup mit Roth, Anthony, Van Halen und Bruder Alex am Schlagzeug bekommt ein Konzertpublikum das letzte Mal 1984 zu sehen, als sie die 1984-Tour beenden.

Diese Best-of von 1996 enthält zwei neue Songs von Diamond Dave am Mikro

Zwar mangelt es nicht an Reunion-Touren, diese bestreitet die Band jedoch entweder mit Roth-Nachfolger Sammy Hagar am Mikrofon oder zwar mit Roth, dafür aber ohne Anthony. Einen viel zu kurzen Lichtblick gibt es 1996, als die Kalifornier in Originalbesetzung die Bühne der Radio City Music Hall in New York betreten, um bei den MTV Video Music Awards den Preis für das beste Video eines männlichen Künstlers zu überreichen. Sammy Hagar macht da gerade Zwangsurlaub, Roth hatte mit dem Rest der Band einige neue Songs aufgenommen. Diese sollen auf der Kompilation Best Of – Volume I erscheinen. Als MTV also für die Laudatio anklopft, klingt das für Band und Management nach der perfekten Chance, der Platte die nötige Presse zu verschaffen.

Laudatio mal anders

Selbst Moderator Dennis Miller scheint verwundert, als er das Quartett ankündigt. Die Reaktion der Halle spricht ebenfalls Bände. Van Halen bekommen eine Standing Ovation, die beinahe länger dauert als der Auftritt selbst. Alle Anwesenden scheinen zu spüren, was zwischen den Zeilen des Auftritts steht: Da ist eine Reunion im Busch! Roth bestätigt dies scheinbar, als er Eddie Van Halen ins Wort fällt: „Anstelle dieser Preisverleihungssache haben wir eine Ankündigung zu machen!“

Aufmerksamen Beobachtern dürfte da schon die Körpersprache der Band auffallen, die sich alles andere als wohl fühlt. Dass Roth ganz offensichtlich vom Text des Teleprompters abweicht, kann kein gutes Zeichen sein. Der Rest der Gruppe lacht betreten, guckt hilflos auf der Bühne umher und zupft an den eigenen Outfits herum. Als Roth Anthony erneut unterbricht und anfängt, über die Lage der Nation zu schwadronieren, bugsiert Eddie ihn schlicht zur Seite. Auch während der Rede des Preisträgers Beck hampelt Roth im Hintergrund rum. Kurzum: Die Jungs stehen keine fünf Minuten gemeinsam im Rampenlicht und zeigen sich schon voneinander genervt.

Ernüchternde Pressearbeit

Die Krone setzt dem Vorfall jedoch die direkt folgende Pressekonferenz auf, zumindest, wenn man den Van-Halen-Brüdern glauben darf. Laut ihrer Erinnerungen regnet es von den anwesenden Journalisten Fragen um Fragen, einige davon zur möglichen Reunion, doch Roth beantwortet diese schlicht nicht. Eddie Van Halen nimmt ihn daraufhin zur Seite, will ihn zur Kooperation ermahnen. Stattdessen platzt dem Gitarristen der Kragen: „Hör mal, folgendermaßen läuft das jetzt ab. Zwei Songs für Best Of – Volume I, Warner Brothers will, dass wir zwei Videos machen. Das war’s. Wenn du denkst, dass wir im Sommer auf Tour gehen, vergiss es. Außerdem bekomme ich im Dezember eine neue Hüfte, von daher wird es ohnehin schwierig.“

Roth sieht seine Felle davonschwimmen und wird giftig: „Heute geht’s um mich und nicht deine verdammte Hüfte!“ Das Wortgefecht klingt weniger situationsbedingt und mehr danach, als bahnen sich jahrelang angestaute Frustrationen ihren Weg. Es endet mit einer Drohung seitens Van Halen: „Wenn du noch einmal so mit mir redest, trägst du besser einen Tiefschutz!“ 

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

So viel also zum Thema Wiedervereinigung. Wobei diese laut den Van Halens damals ohnehin nicht zur Debatte stand, es sei lediglich um die Aufnahmen zur Best Of gegangen, nie aber um den Posten des Leadsängers, geben sie wenig später gegenüber MTV zu Protokoll. Roth lässt hingegen verlauten, er sei unfreiwillig Teil einer PR-Kampagne gewesen, die die Band und Manager Ray Danniels ausgeklügelt hätten. So oder so, Best Of – Volume I landet auf Platz eins der amerikanischen Albumcharts.

Dramatisch wie eh und je: David Lee Roth auf einem Pressefoto 1988 während seiner Van-Halen-Pause – Pic: Neil Zlozower

Bei Van Halen geht’s unstet weiter, drei Jahre hält Extreme-Frontmann Gary Cherone die Position des Sängers inne, dann darf doch wieder Sammy Hagar ran. 2007 geschieht, woran keiner glaubte: David Lee Roth kehrt zur Band zurück. Den Bass zupft da jedoch nach Michael Anthonys Ausstieg Eddie Van Halens Sohn Wolfgang, 2012 erscheint mit A Different Kind Of Truth sogar noch ein Album. Seit dem herrscht mehr oder minder Funkstille. Als letztes Andenken des vollständigen Ur-Lineups überdauert lediglich der pixelige VMA-Clip.

Zeitsprung: Am 21.12.1983 erscheint „Jump“ von Van Halen.

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