------------

Popkultur

Zurück zu den akustischen Wurzeln: Neil Youngs „Harvest Moon“ wird 30 Jahre alt

Published on

Neil Young
Foto: Paul Natkin/Getty Images

Am 2. November 1992 erschien Neil Youngs Album Harvest Moon. Es führte weg vom lauten Rock, zurück zu den akustischen Wurzeln. Damit gelang der kanadischen Rockikone ein Meisterwerk.

 von Markus Brandstetter

Als Neil Young 1992 sein wunderschönes Folk-Album Harvest Moon veröffentlichte, war das durchaus eine Überraschung — oder sagen wir: eine kleine Kehrtwende. Mit Harvest Moon ging Young zurück an die Anfänge, lieferte einen krassen Kontrast zum Crazy-Horse-Output jener Tage — Weld und Arc. Mit seiner Band frönte Young dem Geräusch, dem lauten, exzessiven Rock — zu einer Zeit, in der Grunge (für den Young ja als Vorreiter gilt) gerade omnipräsent war. Dann kam Harvest Moon — akustisch, leise, in sich gekehrt und wunderschön subtil.

Harvest Moon ist nicht nur in Sachen Albumtitel nahezu identisch mit dem grandiosen Harvest — jenem Album, das Young 1972, also zwanzig Jahre zuvor, veröffentlicht hatte. Wir erinnern uns: Auf Harvest waren viele jener Songs enthalten, die zu Youngs größten und erfolgreichsten Werken gehören: Heart Of Gold, Old Man, The Needle And The Damage Done. Für Harvest Moon bat Young den Großteil der alten Besetzung ins Studio, die auch bereits auf Harvest gespielt hatten: Ben Keith, Tim Drummond, Graham Nash, Linda Ronstadt und James Taylor zum Beispiel. Nicht mehr dabei waren hingegen wenig überraschend Stephen Stills und David Crosby.

Nachfolger von Harvest

Harvest Moon darf durchaus als der Nachfolger zu Harvest gesehen werden — allerdings war das Young selbst während des Schaffensprozesses nicht bewusst, wie er 1992 in einem Interview mit Q Magazine gestand. „Jetzt, wo es da ist ist, scheint es mit Harvest verwandt zu sein, aber als ich mit der Arbeit daran begann, hatte ich keine Ahnung, dass es so sein würde“, so Young. „Das erste, was ich tat, war, einen Song namens You And Me fertigzustellen, den ich 1975 zu schreiben begonnen hatte. Dann schrieb ich ein paar weitere Songs, bis ich genug hatte, um über eine Session nachzudenken. Ich begann zu überlegen, welche Musiker ich einsetzen wollte, und als ich die verschiedenen Namen aufgeschrieben hatte und anfing, sie anzurufen, wurde mir klar: Das ist dieselbe Band, die ich bei Harvest eingesetzt hatte. Es waren also die Songs, die mir vorgaben, mit wem ich spielen sollte. Glücklicherweise war es kein Problem, die Jungs wieder zusammenzubekommen. Jeder war verfügbar; es ging alles ganz einfach.“

Es gibt viele großartige Stücke auf Harvest Moon. Der Opener Unknown Legend etwa, in dem Young die Geschichte einer Harley-fahrenden Mutter erzählt. „Somewhere on a desert highway / She rides a Harley-Davidson / Her long blonde hair flyin’ in the wind / She’s been runnin’ half her life /  The chrome and steel she rides / Collidin’ with the very air she breathes /The air she breathes“, singt Young darin. Die Instrumentierung ist spärlich, Youngs Stimme herrlich vertraut — die Slidegitarre legt sich über den stoischen Beat, die Chöre sitzen perfekt.

Von Hank zu Hendrix

Oder das Stück From Hank To Hendrix, in dem Young Musiker*innen und Pop-Ikonen als Rahmen für seine Erzählung hernimmt: Hank Marvin und Jimi Hendrix, aber auch Marilyn Monroe und Madonna. „From Hank to Hendrix / I walked these streets with you / Here I am with this old guitar / Doing what I do / I always expected / That you would see me through / I never  believed in much / But I believed in you“. Vom Titeltrack und Stücken wie War of Man, You And Me (mit wunderschönen Backing Vocals von Nicolette Larson), Old King (ein Tribut an Neils verstorbenen Hund Elvis) und Natural Beauty ganz zu schweigen. Ein weiteres Highlight der Platte ist auch Such A Woman, auf dem ein Streicherensemble zum Einsatz kommt.

Auf Harvest Moon ist alles stimmig: die spärlichen und genau deswegen sehr atmosphärischen Arrangements, die Songs, der zwei- und mehrstimmige Gesang. Das goutierte auch das Publikum: Das Album wurde zu Youngs zu diesem Zeitpunkt größten Erfolg — alleine in den USA verkaufte es sich zwei Millionen Mal. Langlebigkeit: Davon handelt nicht nur Youngs Karriere, sondern auch diese Platte. Um die Langlebigkeit des Wesentlichen, der Liebe etwa. „Bei diesem Album geht es darum, wie man das Interesse aufrechterhält, wie man das Feuer am Brennen hält, erzählte er 1992 im Interview mit NME.  „Man sollte sich nie langweilen, wenn man lange mit jemandem zusammen ist, das ist eine gute Sache, keine schlechte. Beziehungen sollten mit dem Alter reicher werden und so weiter.“

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Neil Young veröffentlicht „verschollenes“ Album, das ihm bislang zu traurig war

Don't Miss