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Popkultur

Zeitsprung: Am 6.11.1987 spielen Slayer Hippie-Musik – ausnahmsweise.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 6.11.1987."

von Christof Leim

1987 spielen die mächtigen, immerbösen Slayer tatsächlich mal psychedelische Hippie-Musik. Zumindest für einen Song, nämlich In-A-Gadda-Da-Vida von Iron Butterfly. Und das kommt so…



1987 wird der Roman Less Than Zero von Bret Easton Ellis verfilmt, auf Deutsch: Unter Null. Der Streifen über die Dekadenz der reichen jungen Leute in Los Angeles fährt etliche Millionen Dollar, aber auch durchwachsene Kritiken und harsche Worte von Ellis ein. Der Soundtrack aber, der am 6. November 1987 erscheint, erreicht Platz 31 der Charts und wird sogar mit Gold ausgezeichnet. Als Plattenfirma stecken Def Jam Recordings dahinter, der Laden von Rick Rubin, und hier stehen auch Slayer unter Vertrag. Rubin ist es, der die Band dazu bringt, In-A-Gadda-Da-Vida aufzunehmen, den psychedelischen Klassiker der Sixties-Kapelle Iron Butterfly.

Ebenfalls vertreten auf dem Soundtrack sind unter anderem Poison, Glenn Danzig, Joan Jett und Aerosmith. Vier Singles schaffen es in die Charts, darunter Bring The Noise von Public Enemy. (Ja, das ist der Song den später Anthrax neu auflegen.) Und tatsächlich laufen Slayer mit ihrer rabiaten Neuauflage von In-A-Gadda-Da-Vida zum ersten Mal im Mainstream-Radio.

Trotzdem haben die vier Thrash-Helden so gar keine Lust auf die Nummer, die sie widerwillig und nur auf Rubins Wunsch irgendwann zwischen ihren Geballer-Meisterwerken Reign In Blood (1986) und South Of Heaven (1988) aufnehmen. „Das Stück repräsentiert nicht, wofür Slayer stehen. Das ist nicht unsere Musik, also was soll das?“, erklärt Jeff Hannemann im Revolver-Magazin. Sein Kollege Kerry King schlägt in die gleiche Kerbe: „Wenn man in den USA Slayer im Radio hört, dann immer mit diesem Kacksong. Es gibt echt Besseres von uns.. Rubin hat den Track ausgesucht, und mir hat das schon vor den Aufnahmen nicht gefallen. Das Ding ist ein Fluch, ich hasse es, aber es lief im Radio, und das hat 1988 ein paar Türen für South Of Heaven geöffnet.“

Sehen so Typen aus, die auf Sixties-Hippie-Rock stehen?

Vielleicht war den Slayer-Jungs In-A-Gadda-Da-Vida ja einfach zu langsam. Dafür könnte ihnen die Geschichte des Stücks gefallen: Geschrieben hat es Doug Ingle, der Organist und Sänger von Iron Butterfly, und zwar nach einer ganzen Flasche Rotwein, womöglich mit was drin (es waren die Sechziger!). Den ursprünglich geplanten Titel konnte er da schon nicht mehr richtig aussprechen, und sein Drummer hat einfach wortwörtlich mitgeschrieben. So wurde aus In The Garden Of Eden eben In-A-Gadda-Da-Vida. Prost.

Das Cover des Iron Butterfly-Albums von 1968 schreit förmlich nach einer Thrash Metal-Version. Nicht.

Im Original läuft der Song über 17 Minuten lang, mit endlosen Soli und viel Brimborium. Damit haben Slayer natürlich nichts zu tun, sie orientieren sich an der massiv gekürzten Single-Version und spielen das ganze Ding schneller und vor allem: böser. Trotzdem wirkt das Stück im Vergleich zum sonstigen Slayer-Krach sonderbar, und nach unserem Wissen hat die Band das Ding auch nie live aufgeführt. Blind Guardian allerdings nehmen es fast 20 Jahre ihrerseits neu auf.



Als Slayer-Single wurde der Track – Radio hin oder her – erwartungsgemäß nie veröffentlicht. Ein „Cover“, das durch die Welt geistert, gehört zu einem Bootleg von der Show am 10. Januar 1989 in der Essener Grugahalle. Auch ein vermeintliches Live-Video entpuppt sich als nicht echt (aber sehr gut gemacht). Slayer veröffentlichen ihre Version lediglich 2003 auf der Compilation Soundtrack To The Apocalypse.

Der Begriff „Hippie-Musik“ soll übrigens nicht heißen, dass Iron Butterfly nicht gerockt haben. Als 1968 ihre ersten beiden Alben erscheinen, gehören sie zum harten Stoff der Zeit – und zu den ersten Bands, die als „heavy“ bezeichnet werden. Das Debüt heißt sogar so. (Mehr zur Genese des Begriffs „Heavy Metal“ steht hier.)

Slayer wiederum haben sich nicht grundsätzlich stilistisch Experimenten verschlossen: So musizieren sie 1993 für den Judgment NightSoundtrack mit Ice-T und nehmen 2002 eine räudige Variante des Steppenwolf-Gassenhauers Born To Be Wild auf. Die klingt gar nicht mal so schlecht, aber Jeff Hannemann hasst sie noch mehr als In-A-Gadda-Da-Vida. Und das will was heißen.

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