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Zeitsprung: Am 8.10.1948 wird der legendäre Punkrock-Gitarrist Johnny Ramone geboren.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 8.10.1948.

von Christof Leim und Tom Küppers

Heutzutage werden die Ramones als essenzielle Wegbereiter angesehen, ohne die die Geschichte der Rockmusik anders verlaufen wäre. Die Reduktion auf das Wesentliche spiegelt sich nicht bloß in ihren Kompositionen wider, sondern auch im brachialen Sound ihres Gitarristen Johnny Ramone. Bevor die Ramones als Kulturgut anerkannt wurden, musste allerdings erst ein ganzes Bandleben vergehen.


Die größten Hits der Ramones. Muss man kennen. Hier reinhören.

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Johnny Ramone wird am 8. Oktober 1948 in Queens, New York als Einzelkind geboren und auf den Namen John William Cummings getauft. Sein Vater hat vom Militär eine Vorliebe für Disziplin mit nach Hause gebracht, die die Erziehung seines Sohnes prägt. Wenn bei TV-Sportübertragungen die Nationalhymne gespielt wird, hat man gefälligst aufzustehen, und auch sonst lässt der alte Cummings keine Ausreden zu. Einmal bricht sich der kleine Johnny einen Zeh, was für den Vater noch lange nicht als Grund gilt, das anstehende Baseball-Spiel abzusagen: „Was soll das heißen, du bist verletzt? Habe ich etwa ein Baby großgezogen? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einen Tag auf der Arbeit gefehlt!“, lautet die knallharte Ansage, wie Johnny sich in der Biografie On The Road With The Ramones erinnert. In der neunten Klasse entscheidet sich der Junge schließlich für den Besuch einer Militärschule: „Offizier werden und früh in den Ruhestand gehen. Ich dachte, das klingt nach einem guten Lebensentwurf.“

Immer Vollgas: Johnny Ramone 1977. Credit: Michael Markos. Credit: Michael Markos

Zwei Jahre später wechselt er jedoch zurück in den normalen Schulbetrieb. Mittlerweile haben die Beatles und die Stones den Rock’n’Roll nach Amerika gebracht, Johnny lässt sich die Haare wachsen und weiß nach dem Abschluss nichts mit sich anzufangen. Im Alter von 19 Jahren durchlebt er eine kurze, aber heftige Drogenphase, beklaut Mitschüler sowie ältere Menschen und landet deswegen mehrfach im Knast. Mit 20 beschließt er, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen, und sucht sich einen Job. Doch die Sache mit der Musik lässt Johnny nicht los. Seine erstes Konzerterlebnis hatte er 1964 mit den Stones, in den folgenden Jahren entgeht ihm keine größere Show. Egal, ob Hendrix, Alice Cooper, MC5 oder die Stooges nach New York kommen – Johnny ist dabei. 1972 lernt er Dee Dee Ramone kennen, der ihn überredet, sich eine Gitarre zu kaufen und mit ihm eine Band zu gründen. Aus der gehen schließlich die Ramones hervor. Hier ein ganz früher Mitschnitt:



Prinzipiell sind die Ramones der Gegenentwurf zu den seinerzeit angesagten Klängen. „Wir haben unsere Band gegründet, weil uns alles gelangweilt hat, was man zu hören bekam“, fasst Sänger Joey Ramone zusammen. „Endlose Jams, lange Gitarrensoli – uns fehlte Musik, wie sie früher einmal war.“ Ein paar Akkorde, einfache Songs mit noch einfacheren Refrains und eingängigen Textphrasen in bis dato unerhörtem Tempo und Sound – das ist das Rezept, dem die Ramones bis zu ihrem Ende folgen werden. Johnny erweist sich nicht als der beste Songschreiber und überlässt diese Aufgabe Joey und besonders Dee Dee, der für einige der größten Perlen im Katalog verantwortlich ist. Doch der Gitarrist bringt im Gegenzug die vom Vater geerbte Disziplin ein. Er sieht Konzerte als „Jobs“, besteht auf Pünktlichkeit und strengen Busregeln. Was unterm Strich dafür sorgt, dass die Ramones 22 Jahre permanent auf Achse sind, was sich in sagenhaften 2263 Auftritten, 14 Studioalben und einem Kultfilm manifestiert.

Die Ramones in voller Fahrt 1976 in Toronto. Credit: Plismo

Damit legen die Ramones den Grundstein für das, was wir Punkrock nennen. Ihr Einfluss auf die Welt der Krachmusik lässt sich nicht groß genug einschätzen, unzählige Rocker weltweit nehmen wegen der Ramones Gitarren in die Hand und lärmen los. Das liegt vor allem am Stil von Johnny: Drei Akkorde reichen, konsequent von oben angeschlagen, kein Firlefanz, kein Soli, dafür immer volles Brett und Vollgas. Songs wie Blitzkrieg Bop, I Wanna Be Sedated und Sheena Is A Punk Rocker werden zu Initialzündungen und unsterblichen Hymnen.



Unter den gegebenen Umständen grenzt die Langlebigkeit der Band nahezu an ein Wunder, denn Johnny und sein Sänger Joey reiben sich konstant aneinander. Der eine pflegt einen disziplinierten Lebensstil und bekennt: „Seit Nixon gegen Kennedy angetreten ist, wähle ich die Republikaner.“ Der andere entwickelt sich zum liberalen Freigeist, leidet an OCD und trinkt zu viel. Der endgültige Bruch in ihrer persönlichen Beziehung passiert Anfang der Achtziger, als Johnny Joey dessen Freundin Linda ausspannt und später heiratet. The KKK Took My Baby Away thematisiert diese Spannungen nicht gerade subtil. In den folgenden Jahren reden Johnny und Joey, die als einzige von Anfang bis Ende zur Band gehören, de facto nicht mehr miteinander. Das ändert sich auch nicht, als Joey 2001 auf dem Sterbebett liegt.

Eheleute Johnny und Linda Ramone in trauter Zweisamkeit. Credit: Azula Mitchell

1983 wird Johnny dann vor seiner Haustür zusammengeschlagen. Er erleidet eine Schädelfraktur und überlebt nur dank einer Notoperation am Gehirn. Offiziell wird dieses Thema nie wieder angesprochen, doch die Wahl von Too Tough To Die (1984) als Titel für das nächste Album sagt schon genug.



Ansonsten gilt Johnny Ramone als harter Knochen und nicht immer angenehmer Zeitgenosse. Manchmal fällt sogar explizit das Wort „Arschloch“. Zeitzeugen wie der Iggy-Pop-Manager John Giddings berichten, Johnnys Ansichten seien „konservativer als die von Attila dem Hunnen“. Ronald Reagan erklärt er zum „besten Präsidenten, den ich Zeit meines Lebens erleben durfte“. Als sich Reagan 1985 mit der Bitburg-Kontroverse in die Nesseln setzt, widmen ihm die Ramones mit Bonzo Goes To Bitburg eine eigene Single. Die muss auf Johnnys vehementes Drängen für die Albumversion in My Brain Is Hanging Upside Down (Bonzo Goes to Bitburg) umgetauft werden. (Der Text bleibt unangetastet.)



1996 löst sich die Band auf, Johnny lebt mittlerweile in Los Angeles. Als die Ramones 2002 in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen werden, bedankt sich der Gitarrist beim damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Am 15. September 2004 schließlich verstirbt Johnny Ramones im Alter von 55 Jahren in seinem Haus an Prostatakrebs. Mittlerweile sind aller vier Originalmitglieder der Ramones wieder auf der anderen Seite vereint.

Johnnys letzte Ruhestätte. Credit: Matt RF Webb

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