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Popkultur

Der mysteriöse Tod von Brian Epstein

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Brian Epstein
Foto: Evening Standard/Getty Images

Vor 53 Jahren stirbt der Beatles-Manager Brian Epstein an einer Überdosis Schlaftabletten. Die Umstände seines Todes geben bis heute Rätsel auf.

von Björn Springorum

Am Tag nach seinem Tod kennen die Titelseiten der englischen Presse nur dieses eine Thema: Der Prinz des Pop ist tot. Der Beatles-Macher ist ums Leben gekommen. Mit nur 32 Jahren stirbt Brian Epstein am 27. August 1967 in seinem Londoner Haus in der Chapel Street. Dort, am noblen Grosvenor Place 24 direkt an der Chapel Street, hatte er die letzten zweieinhalb Jahre gelebt, rauschende Feste gefeiert und sich ganz allgemein so verhalten, wie es sonst nur die ganz großen Rockstars tun würden.

Der Architekt der größten Band der Welt

Brian Epstein ist natürlich selbst ein großer Rockstar. Er ist der, der die Beatles vielleicht nicht entdeckt, aber doch zumindest ihr weltveränderndes Potential erkannt hat. Schon 1961, mit Mitte 20, nimmt er sie unter Vertrag, redet ihnen die Lederjacken aus und steckt sie in Anzüge. Sein Deal: 25 Prozent aller Einnahmen für die nächsten fünf Jahre. Natürlich konnte damals niemand damit rechnen, was mit dieser Band passieren würde, doch man muss kein Mathegenie sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass es ab 1963 sehr schnell sehr lukrativ für den jungen Epstein wird. Und natürlich nicht ganz zu Unrecht: Er erfindet die größte und erfolgreichste Pop-Band der Welt, leidet aber mit dem zunehmenden Erfolg seiner Zöglinge mehr und mehr unter Minderwertigkeitskomplexen. In ihrer Gegenwart fühlt er sich zunehmend unwohl, höchstwahrscheinlich zusätzlich befeuert durch seine Zuneigung, die er für John Lennon empfindet.

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Denn was von den Beatles damals niemand weiß und allerhöchstens ahnt: Epstein ist homosexuell. Im Swinging London mag das zu dieser Zeit noch einfacher gewesen sein als auf dem englischen Land, doch auch dort, im Epizentrum der britischen Popkultur, kann ein grandios erfolgreicher Manager nicht einfach offen schwul sein. Schon sein ganzes Leben leidet Epstein unter seinen vollkommen natürlichen Neigungen, sucht schon in Liverpool sogenannte rough-trade-Bekanntschaften, also heruntergekommene Männer, die für Sex bezahlt werden.

Drogen und Glücksspiel

Sein Erfolg und sein Geld können das alles nicht kitten. Insbesondere Lennon, der irgendwann kapiert hat, wie viel er Epstein bedeutet, macht sich in seiner typischen Art gern lustig über den Manager und seine sexuelle Orientierung, was Epstein wiederum in tiefe Verzweiflung stürzt. Umso mehr noch, wenn man weiß, dass die beiden sogar mal zusammen in den Urlaub gefahren sind. Zärtlichkeiten inklusive. 1967 ist er entfremdet von den Beatles, taucht nur selten zu normalen Geschäftszeiten in seinem Londoner Büro auf, verfällt Drogen und Glücksspiel und geht den Beatles weitgehend aus dem Weg. Deswegen ist er auch kein Teil der Delegation, die sich mit den Beatles auf den Weg nach Wales gemacht hat, um den Maharishi Mahesh Yogi zu treffen. Das letzte Mal, dass die Beatles ihren Manager lebendig sehen, ist am 23. August 1967, als er kurz bei ihrer Aufnahmesession in den Chappell Recording Studios in Mayfair vorbeischaut.

Stattdessen will er das Wochenende mit einigen Freunden in seinem Landsitz in East Sussex verbringen. Enttäuscht von den Gästen ändert er seine Pläne und fährt angetrunken zurück nach London, um im West End einen draufzumachen. Nachdem sein Butler den gesamten nächsten Tag nichts von ihm hört, ist er zunehmend besorgt. Weil Pete Brown, der Leiter des Epstein-Musikladens in Liverpool, in dem der junge Brian seine Karriere begann, ebenfalls nicht erreichbar ist, fährt seine Assistentin Joanne Newfield zu Epsteins Londoner Haus. Auch sie kann nichts erreichen, sodass es schließlich der Arzt John Galway ist, der die Tür zu Epsteins Schlafzimmer aufbricht und den Pop-Prinzen in seinem Pyjama tot in seinem Bett findet. „Ich habe noch nie einen derart bleichen Arzt gesehen“, würde Newfield später sagen. „Wir waren alle so bleich.“

Gab es einen Abschiedsbrief?

Die Todesursache scheint schnell geklärt: eine Überdosis Schlaftabletten. Die sind nicht unüblich für einen wie Epstein, der erst kurz vor seinem Tod in einer Entzugsklinik war, um von Amphetaminen loszukommen. In Verbindung mit Alkohol können diese Schlaftabletten aber eben schnell gefährlich werden – vor allem, wenn man gleich sechs davon schluckt. Einem wie Epstein, der sowohl den Tabletten als auch dem Alkohol reichlich und oft zusprach, müsste das eigentlich bewusst gewesen sein.

Brisant werden die Umstände seines tragischen Todes besonders dann, wenn man Peter Browns Memoiren glaubt. Darin verkündet er, einige Zeit vor seinem Tod einen Abschiedsbrief und ein Testament bei Epstein entdeckt zu haben. Auf dem Brief steht eine einfache, aber eindeutige Botschaft: This is all too much, and I can’t take it anymore. Epstein bittet Brown inständig, die Sache für sich zu behalten, um niemanden zu beunruhigen. Wenn es stimmt, was Brown schreibt, dann war das die falsche Entscheidung. Brian Epstein stirbt so, wie er sich schon die vergangenen Jahre gefühlt hat: einsam.

Hatte Epstein seinen Selbstmord von langer Hand geplant? War er deswegen unter dem Vorwand, unzufrieden mit den Gästen zu sein, nach London zurückgefahren, um in aller Ruhe den letzten Schritt zu gehen? Wie man es auch dreht und wendet, es wird nicht weniger tragisch. Wie so oft, haben seine engsten Vertrauten nicht genau hingeschaut oder vielleicht sogar weggeschaut. Was wäre gewesen, wenn Brown seine Entdeckung öffentlich gemacht und der Arzt daraufhin alle Medikamente abgesetzt hätte? Alles Spekulationen. Brian Epstein fühlte sich gefangen in einem goldenen Käfig. Ob sein Tod nun also Selbstmord war oder nicht: Er war ein unglücklicher Mann, den alles Geld der Welt nicht retten konnte.

Von Epsteins Beerdigung bleiben die erschütterten Beatles fern, um nicht noch mehr Mediengerangel zu provozieren. Sie befinden sich seit dem 27. August 1967 in einer Schockstarre, in der schon das Ende der Band gärt. Die Frage, wer dem Verwalter des größten Pop-Imperiums aller Zeiten nachfolgen soll, spaltet die Band. Paul McCartney spricht sich für seinen frischgebackenen Schwiegervater Lee Eastman aus, während der Rest der Band den Finger für Stones-Manager Allan Klein hebt. Letztlich tritt Klein die Nachfolge Epsteins an. Doch die Kluft in deshalb der Band ist zu diesem Zeitpunkt schon unüberwindbar groß. Brian Epstein hat vielleicht nicht immer die besten Deals für die Beatles ausgehandelt. Aber er hat sein Herz und seine Seele für sie gegeben. Er hat sie zusammengehalten. Es war der Band tragischerweise nur nie bewusst.

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