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Popkultur

Gib mir ein Ö! Die Geschichte der Röck-Döts.

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Foto: Michael Putland/Getty Images

Blue Öyster Cult, Motörhead, Mötley Crüe: Eine Reise in die Zeit, in der man als Band ohne den Metal-Umlaut rein gar nichts zu melden hatte.

von Björn Springorum

Der Beginn der Röck-Döts

Wie viele Geschichten aus der diabolischen Welt des Rock‘n‘Roll, ist auch diese hier durchzogen von Mythen, Halbwahrheiten und einem hohen Unterhaltungswert. Gegenstand dieser Geschichte: Der Metal-Umlaut. Auch Röck-Döts genannt, ist dieses sinnfreie Sonderzeichen ein charakteristisches Merkmal der Siebziger und Achtziger, entwickelte klammheimlich ein fast schon satanisches Eigenleben und war für viele Bands Fluch und Segen zugleich.

Dies hier ist die Geschichte, wie ein vollkommen alberner und nichtsnutziger Umlaut Musikgeschichte schrieb. Mehr noch: Wie zwei Punkte (wahlweise auch vier) maßgeblich dazu beitrugen, Hard Rock und Heavy Metal von all dieser anderen Musik abzugrenzen, die es einfach nicht drauf hatte. Wer diesen Umlaut im Namen trug, gehörte zu den großen Jungs, zu denen, die es ernst meinten mit der bösen Musik, dem gefährlichen Lifestyle – bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Parodisten auf den Plan traten, versteht sich.

Wer hat’s erfunden?

Von denen fehlt zu Beginn der Siebziger noch jede Spur. Wie bei vielen Innovationen und Ideen aus der Welt der lauten Musik, wird auch im Falle der Rock-Dots fleißig darüber debattiert, wer sie denn nun eigentlich erfunden hat. Und auch wenn es Mötley-Crüe-Großmaul Vince Neil natürlich mehr als nur ein wenig recht gewesen wäre, wenn er der große Effendi gewesen wäre, steht heute fest: Es war irgendjemand aus dem Umfeld von Blue Öyster Cult. Die heißen vor der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debüts noch Blue Oyster Cult – nach einem Gedicht, das ihr Manager Sandy Pearlman in den Sechzigern schrieb.

Anfangs hassen die Burschen den Namen noch. Doch sie und ihre Kumpel versuchen eben alles, um von ihrem allzu süßlichen Kalifornien-Image wegzukommen. Und um dem Ganzen noch eine Scheibe wangerianischen Größenwahn einzuimpfen, wie es hieß, rühmen sich bis heute Gitarrist Allen Lanier und Rock-Journalist Richard Metzler mit der Idee, dem O die beiden Punkte zu verpassen. Lanier verstarb schon 2013, es wird sich also nie final aufklären, wer von den beiden Recht hatte. Er nahm dieses Mythos sozusagen mit ins Gräb, äh, Grab.

Die brutalen Punkte

Schon damals manifestiert sich die Grundaussage dieses Metal-Umlauts: Er soll dem Bandnamen eine gewisse germanische Schroffheit verleihen, eine aggressive, brutale Note. Klar, dass sich auch ein Lemmy Kilmister davon angesprochen fühlt. Nach einer Support-Tour für Blue Öyster Cult verpasst er seiner Band Motörhead in Anlehnung an seine großen Freunde Mitte der Siebziger ebenfalls die Rock-Dots – „damit es fies aussieht“, wie er eines Tages dazu sagt. Er bringt sogar den neuen Gitarristen Wurzel 1984 dazu, seinen Namen in Würzel zu ändern. Ach, Lemmy, man muss ihn einfach lieben.

Die Sache mit den Umlauten ist ja vor allem in den Sprachen knifflig, die sie wirklich im Repertoire haben. Deutschland zum Beispiel. Denn auch wenn keine Band die Aussprache ihres Namens mit den Rock-Dots wirklich verändern will, müssen ausgerechnet Mötley Crüe auf die harte Tour lernen, was es bedeutet, als Band mit Metal-Umlaut in Deutschland aufzutreten. Die Glam-Rock-Schwerenöter borgen sich die Rock-Dots angeblich von ihrem damaligen Lieblingsbier Löwenbräu aus. „Wir dachten, das lässt uns europäisch wirken“, sagt Vince Neil viele Jahre später. „Wir hatten ja keine Ahnung, dass das was mit der Aussprache zu tun hatte. Als wir dann irgendwann in Deutschland auftraten, sangen die Massen ‚Mutley Cruh! Mutley Cruh!‘ Wir konnten uns keinen Reim drauf machen, warum zum Teufel die das taten!“

Zu diesem Zeitpunkt haben die Rock-Dots schon ein ganzes Jahrzehnt hinter sich. Bands mit dem Umlaut kamen und gingen, zu weiteren prominenten Vertretern gehören die Hardcore-Pioniere Hüsker Dü, Mägo de Oz und natürlich Queensrÿche, die rasch Ersatz für ihren durchaus schwierigen Namen Queensreich brauchten. Frontmann Geoff Tate hat bis heute gemischte Gefühle: „Dieser Umlaut verfolgte uns jahrelang. Wir brachten elf Jahre damit zu, den Leuten zu erklären, wie man ihn ausspricht.“

Die Punkte als ironisches Stilmittel

Tja, die Geister, die man rief. Die suchten natürlich irgendwann auch die Scherzkekse unter den Rock‘n‘Rollern heim. Der Comedy-Metal-Act Green Jellÿ oder die halb fiktive Band Spın̈al Tap, aber auch das beinharte Videospiel Brütal Legend ziehen die Rock-Dots respektvoll, aber bestimmt durch den Kakao.

Noch seltsamere Blüten treiben diese berüchtigten Punkte außerhalb der Musik. Blue Öyster Cult hätten zu Beginn der wilden Siebziger jedenfalls bestimmt nicht schlecht gestaunt, wenn man ihnen erzählt hätte, eine US-amerikanische Eismarke wie Häagen-Dazs würde sich eines Tages von dieser Schnapsidee inspirieren lassen. Aber so ist das eben in der wilden, wunderbaren Welt des Rock‘n‘Roll. Man weiß nie, welche behämmerte Idee als nächstes die Welt verändern wird.

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